Im „Forschungszentrum Design und Systeme“ wird die Wahrnehmung und Wirklichkeit erweitert
Informatiker und Kommunikationsdesigner werden zu multimedialen „Übersetzern“ in Gesellschaft und Wirtschaft
Die gedruckte Information dient dabei als Interface. Industrie 4.0, Augmented und Virtual Reality, Digitalisierung – neue Begrifflichkeiten, die tiefgehende soziale, wirtschaftliche, politische, wissenschaftliche und kulturelle Änderungen in Gesellschaften bedeuten werden. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich im Steinbeis Forschungszentrum Design und Systeme, einem Institut an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, schon heute rund zwanzig wissenschaftliche Mitarbeiter mit der Lösung von komplexen Aufgaben in diesen neuen Tätigkeitsfeldern.
Ende 2004 gründete Professor Erich Schöls, der an der Fakultät Gestaltung in Würzburg den Studienschwerpunkt „Interaktive Medien“ leitet, das Institut mit dem Ziel, transdisziplinäre Aufgaben im Umfeld von Informatik und Kommunikationsdesign zu thematisieren. In enger Zusammenarbeit mit Sebastian Gläser, ehemaliger Student der Würzburger Design-Fakultät und wissenschaftlicher Leiter der Einrichtung, entstand eine Unternehmung, die die Erforschung neuer Wissenstechnologien und Zukunftskonzepte für die digitale Kommunikation in den Mittelpunkt stellt. Neben musealen Anwendungen, wie z.B. in der jüngst sanierten, mittelalterlichen Gadenanlage in Thüngersheim, arbeitet das Institut eng mit Unternehmen wie der Daimler AG, dem Anlagenbauer Coperion oder bekannten Firmen im Umfeld der Medizintechnik zusammen. In den letzten Jahren haben sich Aufgaben in den Bereichen Augmented und Virtual Reality zu einer Art Schwerpunkt verdichtet, auch Interface-, Computational-Design und Echtzeit-Visualisierungen gehören zu den Kompetenzfeldern des Forschungsinstituts.
Zusammen mit seinen Auftraggebern möchte die Einrichtung früh die durch die Digitalisierung verursachten Veränderungen in Industrie, Kultur und Gesellschaft untersuchen und hinterfragen. Nicht alles, was durch moderne Rechnersysteme möglich wird, ist vernünftig. Das Forschungsinstitut Design und Systeme stellt darum den Menschen in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen, um den Gebrauch digitaler Medien sinnvoller, ergebnisorientierter und effizienter zu machen. Am Ende einer Auseinandersetzung entstehen deshalb nicht nur Studien, sondern prototypische Simulationen oder marktfähige Lösungen.
Die Arbeit für die Gemeinde Thüngersheim verdeutlicht die Arbeitsweise des Instituts. Im Rahmen der Revitalisierung und Aufwertung des historischen Ortskerns standen die sogenannten mittelalterlichen Kirchgaden (Lagerstätten) leer und verfielen zusehends. Auf Basis eines Sanierungs- und Umnutzungskonzepts sollten diese Gebäude mit kulturellen Veranstaltungen wiederbelebt werden. Das Forschungszentrum entwickelte für den fränkischen Ort zahlreiche interaktive Exponate, die die Weinernten der letzten Jahre inklusive der Sonnenstunden, der Regentage sowie der jeweiligen Ernteerträge sichtbar machen. Ferner können Sehenswürdigkeiten, geologische Momentaufnahmen oder historische Reisen in die Vergangenheit betrachtet werden. Die dreidimensionale Echtzeit-Anwendung wird durch Tageszeit- und Wettersimulationen vervollständigt.
Seit einigen Jahren ist das Forschungszentrum auch für Mercedes-Benz tätig. Die Digitalisierung stellt die Automobilindustrie vor ganz neue Herausforderun¬gen und vor allem das „autonome Fahren“ wird die Zukunft des Automobils dramatisch verändern. Mit der Vorstellung des Testfahrzeugs F015 auf der CES in Las Vegas im vergangenen Jahr hat die Daimler AG eine weitreichende Idee von dem gezeigt, was schon in einigen Jahren Realität werden könnte. Das Auto der Zukunft wird ein fahrender Erlebnisraum, der gänzlich neue Möglichkeiten für die Erschließung digitaler „Welten“ während der Fahrt zulässt.
Aufbauend auf die für den F015 entwickelten Ideen realisierte das Institut jüngst einen Simulator, der neben Fahrten in der Realität auch Reisen in der Virtualität erlaubt. Dadurch werden Zeitsprünge genauso möglich, wie das Verfolgen der eigenen Bewegung in der Vogelperspektive oder das zeitgleiche Mitfahren in einem Fahrzeug eines Bekannten. Die Studie „Sphere“ wurde für den Mercedes-Benz Future Talk 2015 in Berlin entworfen und realisiert.
Vor allem die Medizin dürfte in den nächsten Jahren noch mehr von den Potenzialen der Digitalisierung profitieren. Die sich ständig verbessernden bildgebenden Verfahren machen Software-Tools möglich, die prä- und intra-operative Prozeduren hervorragend unterstützen können. Für die spontech spine intelligence AG entwickelte das Forschungszentrum ein Visualisierungskonzept, das den Wirbelsäulenchirurg im Vorfeld einer OP bei der Auswahl eines Implantats beraten kann. Für die bessere Erläuterung der Software wurde zusätzlich ein Programm gestaltet, das die planbare Wiederherstellung der individuellen Wirbelsäulengeometrie erläutert. Das Programm wurde inzwischen von der spontech AG umgesetzt, zugelassen und schon von einigen Kliniken eingesetzt.
Die Beispiele zeigen sehr deutlich, wie die Digitalisierung bereits heute Einfluss auf unser Leben nimmt. Aber schon in naher Zukunft werden neue Technologien für weitere, disruptive Veränderungen (Technologie, die Bestehendes evtl. verdrängt) sorgen.
Vor allem das Thema „Virtualisierung“ wird die menschliche Wahrnehmung erweitern und Bereiche erschließen, die heute nur in unserer Vorstellung exisitieren. „Bei einigen Anwendungen ist die Qualität der virtuellen Kulisse schon so real, dass ein fast natürlicher Umgang des Menschen mit der `generischen Welt` machbar scheint. Der Weg von der Realität in die virtuelle Welt wird also immer fließender. Bei allen Forschungsprojekten stellt sich am Ende die Frage“, so Professor Schöls, „wie intelligent man die neuen Möglichkeiten der digitalen Medien einsetzen und nutzen wird. Die Frage nach dem `Warum` wird noch wichtiger, als das `Wie` bei der technischen Umsetzung. Es gilt zu prüfen, welche neuen Werte entstehen und wie sie unser Leben tatsächlich verbessern. Das Institut hat diese Fragestellung zum unternehmerischen Zweck erklärt und achtet bei allen Entwicklungen darauf, dass sich Technologien nicht verselbständigen.“
Zum Hintergrund:
Die Hochschule Würzburg-Schweinfurt:
Die Digitalisierung in Forschung und Lehre steht nicht nur im Zentrum des Forschungsinstitutes, sondern bildet zudem eines der Hauptziele der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Auch hier findet ein Austausch von Informationen zwischen Menschen, Maschinen und Sensoren auf Basis von Datennetzen in Laboren und Lehrveranstaltungen statt, die zunehmend vernetzt agieren. Geplant ist am Hochschulstandort in Schweinfurt eine „iFactory“, die die Arbeitsfelder der Vernetzung, des Technologietransfers, der Innovationen, der Firmengründungen integrieren wird und darüber hinaus als Katalysator zwischen Instituten und Laboren der FHWS mit Unternehmen agieren möchte.
Die Bundesregierung:
„Die Bundesregierung will die enormen Potenziale von Industrie 4.0 für den Wirtschaftsstandort Deutschland nutzen“: Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie hängen in Deutschland rund 15 Millionen Arbeitsplätze direkt und indirekt von der produzierenden Wirtschaft ab, gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen bieten künftige intelligente, digita¬le Produktionsverfahren große Chancen. Mit den beiden Förderprogrammen „Autonomik für Industrie 4.0“ und „Smart Service Welt“ stelle das Ministerium knapp hundert Millionen Euro bereit, um Forschung und Entwicklung für wichtige Innovationen im Bereich Industrie 4.0 voranzubringen.
Weitere Informationen:
http://www.fhws.de
http://www.designandsystems.de
Die semantisch ähnlichsten Pressemitteilungen im idw
