Die Provokation des Guten
Die „Banalität des Bösen“, mit der die Philosophin Hannah Arendt das Handeln Tausender während des Nationalsozialismus beschreibt, wird als typisch deutsches Thema angesehen. Dr. Fidelis Regi Waton aus Flores/Indonesien sieht das anders: „Die Menschheit ist eine Einheit. Deswegen ist jeder Mensch unter bestimmten Voraussetzungen zu solchen Verbrechen fähig.“ Die Dissertation des Steyler Missionars, der an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Augustin Philosophie lehrt, ist jetzt unter dem Titel „die Provokation des Guten“ veröffentlicht worden.
Die Politische Philosophie Hannah Arendts zählt zu den Forschungsschwerpunkten von Regi Waton. Deswegen befasste er sich in seinem Promotionsstudium bei Prof. Dr. Volker Gerhardt an der Humboldt-Universität in Berlin intensiv mit Totalitarismus und individueller Schuld. „In totalitären Systemen sind Menschen wertlos – das gilt sowohl für Opfer als auch für Täter. Sie werden als austauschbare Teile einer Maschine wahrgenommen“, erläutert er. „Das führt dazu, dass Täter ihr Denken und ihr Urteilsvermögen ausschalten und nicht über die Folgen ihres Handelns nachdenken. So können sie Schuld und Verantwortung von sich weisen.“
Bekanntestes Beispiel dafür ist Adolf Eichmann, der im Dritten Reich maßgeblich die Deportation von Juden organisierte. Er zeigte keine Reue und betonte seine Unschuld: Er habe niemanden umgebracht, sondern nur dafür gesorgt, dass Gesetze ausgeführt wurden. Anhand seiner Aussagen im Prozess in Jerusalem entwickelte Hannah Arendt die These von der „Banalität des Bösen“.
Regi Waton ist davon überzeugt, dass Totalitarismus heute nicht nur in Unrechtsstaaten existiert und auch keinen politischen Führer benötigt. „Wir alle kaufen Waren, von denen wir wissen, dass sie von Billigarbeitern produziert werden. Meistens machen wir uns keine Gedanken darüber, was das bedeutet.“ Sein Fazit: „Wir müssen kritisch bleiben!“ Denn auch wenn ein „System“ zu einem Verhalten „zwinge“, seien die handelnden Menschen immer für ihr Tun verantwortlich.
Dem Steyler Missionar ist es wichtig, die Menschlichkeit und die Gleichheit aller Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit als Lehrender und als Priester zu stellen. Dies sei der Schlüssel zum Dialog mit Andersdenkenden und -gläubigen. Die Erfahrung hat Regi Waton während des Studiums an der Humboldt-Universität häufiger gemacht, berichtet er: „An der HU als Hochschule des früheren Ost-Berlin trifft man Einige, die durch den Sozialismus geprägt wurden. Die glauben meistens nicht an Gott. Aber sie treten überzeugend für Menschenrechte und Menschenwürde ein, und das hat uns verbunden.“ Das Bewusstsein, dass Menschenwürde auch im täglichen Umgang Verantwortung und Reflexion erfordert, möchte der Doktor der Philosophie, der 1999 zum Priester geweiht wurde, an seine Studierenden weitergeben.
Fidelis Regi Waton, Die Provokation des Guten. Arendts philosophische Untersuchung zur Frage nach Schuld und Verantwortung unter der totalitären Herrschaft. Dissertation. Reihe Religion - Staat – Kultur. Interdisziplinäre Studien aus der Humboldt-Universität zu Berlin, Bd. 6, 2016, 280 S., ISBN 978-3-643-13128-7.
Weitere Informationen:
http://www.pth-augustin.eu/pth/presse/2016/160531-dissertation-philosophie-fidelis-regiwaton.php
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