Integrative Medizin integrieren in Forschung, Klinik, Praxis
Komplementäre Therapieverfahren verbinden mit Hightech-Medizin in einer Universitäts-klinik, in einem Kreiskrankenhaus oder in der Arztpraxis ist bereits Realität. Das belegen Konzepte und bereits realisierte Modelle, vorgestellt auf dem Internationalen Kongress für Integrative Medizin und Gesundheit in Stuttgart.
„Es ist ein Spagat, wenn man die konventionelle Medizin mit komplementären Verfahren kombiniert, aber ich fühle mich damit persönlich wohl, da ich den Patienten so besser gerecht werde als früher“, erklärt Prof. Dr. David Martin. Der Pädiater erforscht als außerordentlicher Professor für Pädiatrie an der Universität Tübingen kindliche Wachstumsstörungen und den Einsatz von Wachstumshormonen und als Oberarzt an der Filderklinik hat er mit seinen Kolleginnen und Kollegen Therapiekonzepte etwa bei Lungenentzündungen entwickelt, die es ermöglichen, Antibiotika einzusparen. Die Ärzte setzen auf Beobachtung der Patienten, unterdrücken Fieber nicht und behandeln mit anthroposophischen Therapien, wie Phytotherapeutika, Inhalationen und der äußeren Anwendung von Wickeln als pflegerische Maßnahme. Kinder, die unter Epilepsie leiden, behandelt das Team mit einer ketogenen Diät in Verbindung mit anthroposophisch- phytotherapeutischen Medikamenten und kann so den Einsatz von Medikamenten reduzieren oder sogar vermeiden.
„Wir sind darauf trainiert“, sagt Martin, „Krankheiten nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip anzugehen. Aber wenn man keinen Schlüssel hat oder das Schloss nicht findet, brauchen wir andere Prinzipien“. Zu diesen gehören nicht nur medizinische Maß-nahmen, sondern auch die Umgebung, der architektonische Rahmen, die Ernährung, künstlerische Therapien, die Beziehung zwischen Ärzten, Pflegenden und Patienten – und nicht zuletzt das Wort, das Gespräch, wie Martin betont.
An der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Kliniken Essen-Mitte behandelt das Team um Prof. Dr. Gustav Dobos Patienten mit den unterschiedlichsten Erkrankungen nicht nur mit der breiten Palette naturheilkundlicher Verfahren, sondern erforscht und prüft die Wirksamkeit naturheilkundlicher und integrativmedizinischer Verfahren. „Wir müssen die Wirksamkeit und Sicherheit der Konzepte wissenschaftlich belegen, dann haben wir langfristig eine Chance, diese Konzepte breit zu etablieren“, sagt Dobos, der auch einen Stiftungslehrstuhl für Naturheilkunde an der Universität Duisburg-Essen hat. Als die Klinik entstand, schlug Dobos bei seinen Kollegen zunächst Misstrauen entgegen, wie er sich erinnert. Das hat sich inzwischen geändert. „Manche empfinden uns heute sogar als Konkurrenz, aber es gibt auch aufgeschlossene Kollegen, mit denen wir sehr gut kooperieren, etwa in der Gynäkologie, in der Psychiatrie und in der Onkologie.“ Dass Dobos sein Fach nicht mit Samthandschuhen anfasst, zeigt die Literaturliste: Diese enthält nicht nur Arbeiten, welche die Wirksamkeit verschiedener Verfahren belegen, beispielsweise jene von Yoga in der Therapie des hohen Blutdrucks oder bei Reizdarm, sondern einigen Konzepten bei bestimmten Erkrankungen auch bescheinigen, dass sie die Hürden der klinischen Überprüfung nicht nehmen konnten, etwa Ayurvedische Kräuter bei Reizdarm oder die Alexander-Technik bei chronischen Nackenschmerzen.
Erforscht und geprüft werden die Konzepte der Integrativen Medizin auch am ARCIM Institute (Academic Research in Complementary and Integrative Medicine) in Filderstadt, das der Mediziner und Geisteswissenschaftler Dr. med. Jan Vagedes M.A. (Philosophie) gegründet hat und leitet. Das Institut arbeitet mit verschiedenen Universitäten im In- und Ausland zusammen. „Wir dürfen keine Denkmalpflege betreiben“, sagt er, „sondern müssen die Methoden und Konzepte der Komplementären und Integrativen Medizin kritisch hinterfragen.“ Mit seinen Partnern ist Vagedes vor allem an den Schnittstellen von physiologischen und mentalen Prozessen unterwegs. Auf dem Kongress in Stuttgart präsentiert Vagedes erste Daten einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 32 Kindern, die unter Asthma litten. Über einen Zeitraum von drei Monaten in der Pollensaison erhielt die Hälfte der Kinder zwei Mal täglich für 15 Minuten eine spezielle Atemtherapie (Buteyko-basierte Atemtherapie), die vor allem bei Asthma eingesetzt wird. Die zweite Gruppe wurde konventionell behandelt. „Die Atemtherapie konnte bestimmte Atemparameter deutlicher verbessern als die konventionelle Behandlung“, sagt Vagedes. Es laufen weitere Studien mit Patienten, die unter chronischen Rückenschmerzen oder kardiovaskulären Erkrankungen leiden. Zum Einsatz kommen myofasziale Triggerpunkt-Therapien, Achtsamkeitstraining, Biofeedback-Verfahren, bei denen der Patient eine Rückmeldung über seine Herzfrequenz und deren Variabilität erhält, ebenso Musik- und andere Kunsttherapien, Heileurythmie oder pflegerische Maßnahmen. „Zur Zeit befinden sich 18 Projekte in der Auswertung“, sagt Vagedes.
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