DigiPortA: 33000 Porträts, neun Archive, ein Portal
Ehre, wem Ehre gebührt – so lässt sich die Ausstellungspraxis in den Anfangsjahren des Deutschen Museums kurz zusammenfassen. „Damals wurden nicht nur Objekte gezeigt, sondern auch die Persönlichkeiten gewürdigt, die hinter den Errungenschaften standen“, sagt Dr. Fabienne Huguenin. Die Kunsthistorikerin erforscht derzeit diese etwa 12000 Porträts und war maßgeblich an der Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen der Leibniz-Gemeinschaft beteiligt. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren rund 33000 Bilder aus neun Archiven zusammengetragen und in einem Portal online gestellt.“ Unter www.digiporta.net sind sie jetzt als Digitalisate samt umfangreicher Metadaten zugänglich.
Unbekannte Schätze: „Neben der weltbekannten Objektsammlung wurde am Deutschen Museum schon von Beginn an auch ein umfassender Porträtbestand angelegt“, sagt die Kunsthistorikerin Dr. Fabienne Huguenin. Dieser wuchs stetig, von 120 Porträts im Jahr 1905 auf 5000, die im Jahresbericht von 1917/1918 Erwähnung finden. Heute lassen sich etwa 12000 Porträts im Archiv nachweisen, sowohl Druckgrafiken ab dem 16. Jahrhundert, als auch Fotografien seit der Frühzeit dieses Mediums sowie Ölgemälde und einige wenige Zeichnungen. „Mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde jedoch von der ursprünglichen Ausstellungskonzeption mit ihrer besonderen Würdigung hervorragender Techniker und Naturwissenschaftler zunehmend Abstand genommen“, so Huguenin, die derzeit die Porträtsammlung des Naturwissenschafts- und Technikmuseums erforscht.
Die Porträts wurden zwar weiterhin aufbewahrt, jedoch immer seltener ausgestellt. Lange Zeit lagerten sie gut geschützt, doch wenig beachtet, in speziellen Archivschachteln. Dank des Digitalen Porträtarchivs DigiPortA treten sie nun zumindest virtuell wieder ans Licht der Öffentlichkeit. Mit nennenswerten Vorteilen: „Die Originalblätter werden geschont, da man sie nur noch selten hervorholen muss, während das hochaufgelöste Digitalisat jederzeit online verfügbar ist. Mit der Zoom-Funktion kann man dabei auch kleinste Details betrachten“, so Huguenin. Darüber hinaus werden mit den zugehörigen Metadaten viele Fragen, beispielsweise zu Stiftern oder Vorbesitzern des Blattes, geklärt.
Der interessierte Nutzer oder Forscher kann im Digitalen Porträtarchiv DigiPortA mit nur wenigen Mausklicks auf die Porträtsammlungen von gleich neun bundesweit verstreut liegenden Archiven der Leibniz-Gemeinschaft zugreifen. „Für das gemeinsame Portal wurden die Metadaten der Projektpartner nach einem einheitlichen Kriterien- und Beschreibungskatalog erfasst und mit zahlreichen Normdaten versehen“, sagt die Kunsthistorikerin. So können beispielsweise die Namen von Dargestellten oder Künstlern, Fotografen oder Verlagen recherchiert werden: Im Ergebnis erscheinen die Treffer aus allen neun Archiven. Aufnahmen bekannter Persönlichkeiten durch den Fotografen Nadar (1820–1910), der in Paris bereits 1854 sein Atelier eröffnete, sind ebenso zu finden wie Porträts des Physikers Albert Einstein (1879–1955), der Mathematikerin Maria Gaetana Agnesi (1718–1799) oder der ersten professionellen Ballonfahrerin Sophie Blanchard (1778–1819).
Eine besondere Rolle spielen bei DigiPortA die Berufe der Dargestellten, da die Sammlungen der Projektpartner entsprechend ihres jeweiligen thematischen Schwerpunkts angelegt wurden. Aus dem Archiv des Deutschen Museums stammen beispielsweise zahlreiche Bildnisse von Ingenieuren und Technikern, wie das des Siegmund Strauß, der an einem Tisch mit technischen Zeichnungen sitzt. Vom Archiv des Deutschen Schifffahrtsmuseums Bremerhaven wurden Porträts von Seeleuten ins Projekt eingebracht und vom Montanhistorischen Dokumentationszentrum beim Deutschen Bergbaumuseum Bochum Bildnisse von Bergleuten. „Das Besondere am Projekt DigiPortA ist, dass es erstmals auch Personen aus dem Bürgertum und der Arbeiterschaft integriert“, sagt Fabienne Huguenin. In der Sammlung des Archivs für Geografie am Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig beispielsweise entdeckt man eine Fotografie des Bootsmanns und Kochs Karl Klück, mit gebräuntem Gesicht, kräftigen Händen und einem angegrauten Oberteil mit hochgekrempelten Ärmeln, einen dicken Farbpinsel in der linken Hand und ein Werkzeug in der Hosentasche. „Es scheint, als halte er nur für den Fotografen einen Moment bei seiner Arbeit inne“, findet die Wissenschaftlerin.
Es gibt im Digitalen Porträtarchiv DigiPortA noch sehr viel mehr zu entdecken. „Wir haben beispielsweise auch beschriftete und bedruckte Rückseiten digitalisiert, um sämtliche Informationen rund um das Blatt online zur Verfügung stellen zu können“, so Fabienne Huguenin. Es wurden Provenienzen geklärt, Herstellungstechniken eines Blattes bestimmt oder Zuschreibungen an bestimmte Personen verifiziert. „Diese Fülle an Informationen bereitet schon beim Stöbern Vergnügen - und vielleicht liefert ja die Recherche nach eigenen Vorfahren einen Überraschungsfund“, meint die Forscherin. Vor allem aber ermöglicht und befördert das Portal mit seinen umfangreichen Metadaten tiefergehende Forschungen zur Porträt-, Sozial-, Technik- und Wissenschaftsgeschichte.
Das Projekt DigiPortA basiert auf einem Förderantrag, den das Archiv des Deutschen Museums gestellt hatte. Bewilligt wurden die Gelder durch die Leibniz-Gemeinschaft.
Dr. Fabienne Huguenin ist Kunsthistorikerin und war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „DigiPortA“. Zurzeit erstellt sie in einem von der Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Projekt das Werkverzeichnis der Porträtgemäldesammlung des Deutschen Museums.
Weitere Informationen:
http://www.digiporta.net