Bildungsgerechtigkeit durch Internatserziehung? Herrenhauser Symposium in Hannover
Vom 9. bis 11. November lädt die Universität Kassel renommierte Expertinnen und Experten der Internats-, Heimerziehungs- und Bildungsforschung nach Hannover ein. Repräsentanten führender internatsförmiger Institutionen aus England, Israel, Österreich und den USA stellen ihre Konzepte vor und diskutieren mit den Vertretern der Wissenschaft, inwiefern internatsförmige Bildung als ein best practice-Modell zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit dienen kann. Das Symposium wird gefördert von der VW-Stiftung und findet im Schloss Herrenhausen in Hannover statt
Die Universität Kassel veranstaltet ein Symposium zur Bildungsgerechtigkeit. Hintergrund sind mitunter die Ergebnisse der PISA-Studien, die die Ungleichheit nationaler Bildungssysteme belegt haben. Auch die jüngste PISA-Studie von 2012 hat belegt, wie selektiv Schulsysteme weltweit sind. Hinsichtlich der sozialen Ungleichheit hat sich die Situation in Deutschland zwar verbessert. Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen seit 2003 die Mathematikergebnisse und die Chancengerechtigkeit in der Bildung gleichermaßen gestiegen sind. Dennoch hat ein Schüler aus einem privilegierten Elternhaus in Mathematik weiterhin fast einen Vorsprung von einem Schuljahr.
Im Zentrum der Diskussion steht bis heute die Frage, wie der gesellschaftlichen Ungleichheit entgegenzuwirken ist, die sich nicht nur in und durch Schule, sondern vor allem auch durch Familie reproduziert: Viele Kinder sind dadurch benachteiligt, dass sie zu Hause deutlich geringere Bildungsanregungen erfahren, als Kinder aus privilegierten Elternhäusern mit hohen ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen. In der deutschen Bildungsdebatte ist daraus die Forderung nach Ganztagsbildung gezogen worden. Mittlerweile hat sich der Anteil von Ganztagsschulen von 16% auf 51% erhöht. Ganztagsschulen sollen zugleich die Zusammenführung des Schul- und Jugendhilfesystems bewirken.
Mit der Ausweitung der öffentlichen Bildung auf den ganzen Tag sollten vor allem Kinder ressourcenschwacher Familien erreicht werden. Allerdings wurde in der Bildungsdebatte bislang vernachlässigt, dass viele Kinder Tag und Nacht in öffentlichen Einrichtungen leben, die gar nicht auf Bildung sondern primär auf Betreuung und Therapie ausgerichtet sind: die Heimkinder der Kinder- und Jugendhilfe.
Kinder und Jugendliche, um die sich deren Eltern aufgrund ihrer gesellschaftlich benachteiligten Lage nicht kümmern können und die in stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe kommen, gelangen in eine stigmatisierte Betreuungsumgebung. Es besteht in der Regel der Anspruch, diesen häufig schulleistungsschwachen und armutsdeprivierten Schülern und Schülerinnen zum Hauptschulabschluss und zur Berufsausbildung zu verhelfen, was der öffentlichen Hand bis zu 4.000 € monatlich kostet. Dagegen schicken einige Eltern privilegierter Sozialschichten, die sich aufgrund von beruflichen Zwängen nicht um die Erziehung kümmern können, ihre Kinder in renommierte Internate. Kinder und Jugendliche, die auf ein Internat kommen, gelangen in eine umfassende Bildungsumgebung. Dort besteht in der Regel der Anspruch, auch schulleistungsschwache und wohlstandsdeprivierte Schüler und Schülerinnen zum Abitur zu führen, was den Eltern bis zu 4.000 € monatlich kostet. Wenn man bedenkt, dass in den Kosten für einen Heimplatz die Aufwendungen für die Regelbeschulung gar nicht eingerechnet sind, wird deutlich, welches Potential in einer internatsförmigen Heimerziehung liegen mag.
Weitere Informationen:
https://www.uni-kassel.de/uni/universitaet/pressekommunikation/neues-vom-campus/meldung/article/bildungsgerechtigkeit-durch-internatserziehung-herrenhauser-symposium-in-hannover-vom-0911-11.html
Die semantisch ähnlichsten Pressemitteilungen im idw
