"8 Objekte, 8 Museen": Das Deutsche Museum präsentiert den Kempelen'schen Sprechapparat
Mit dem Projekt „8 Objekte, 8 Museen“ präsentieren ab heute die acht Forschungsmuseen der Wilhelm-Gottfried-Leibniz-Gemeinschaft (WGL) sich und ihre Forschung. Anlass ist das Leibniz-Jahr 2016, in dem sich der Geburtstag des Namensgebers zum 370. und dessen Todestag zum 300. Mal jähren. Im Deutschen Museum in München wird im Rahmen dieser Simultan-Ausstellung der Kempelen'sche Sprechapparat gezeigt.
Die Ausstellung: Multimedial und analog
Zentrum der Präsentation "8 Objekte, 8 Museen", die simultan in den Forschungsmuseen und der Geschäftsstelle der Wilhelm-Gottfried-Leibniz-Gemeinschaft (WGL) in Berlin zu sehen sein wird, ist ein großer interaktiver Medientisch, der vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen entwickelt wurde. Jedes Museum präsentiert auf diesem ein Projekt, das prototypisch für seine Forschung steht – in den einzelnen Häusern wird dies durch eine Ausstellung des Objekts ergänzt, das im Mittelpunkt des Projekts stand.
Das Deutsche Museum zeigt das Forschungsprojekt zum Sprechapparat (um 1800), das in den vergangenen Jahren in Zusammenarbeit mit den Werkstätten in der Abteilung Musikinstrumente durchgeführt wurde. Neben dem Medientisch sind in der Eingangshalle der Bibliothek das Original und die Replik des Sprechapparats sowie historische Publikationen zum Thema Sprechapparate, von denen die Bibliothek eine reiche Sammlung besitzt, zu sehen.
Der Sprechapparat: Nachbildung menschlicher Sprechorgane
Der Sprechapparat, wohl um 1800 entstanden, gilt als Ikone der Aufklärung. Er steht ebenso für das in dieser Zeit wachsende Interesse an der Untersuchung der Natur und des Menschen und dessen mechanischer Nachahmung wie für die Anfänge der Sprachsynthese. Der Apparat bildet die menschlichen Sprechorgane in Teilen nach. Er ist kein Automat mit fest programmierten Wörtern oder Sätzen, sondern wird gespielt wie ein Musikinstrument – dabei können (nach einiger Übung) ganze Wörter erzeugt werden. Als möglicherweise frühestes erhaltenes Gerät seiner Art wird er von Forschern, Journalisten und Kuratoren von Sonderausstellungen immer wieder angefragt. Galt er lange Zeit als Sprechapparat des Wolfgang von Kempelen, eines der Pioniere und bestimmenden Gestalten der frühen Sprachsynthese, der 1791 ein Buch über seinen Sprechapparat verfasste, wird diese Zuschreibung seit einigen Jahren in Zweifel gezogen.
Das Forschungsprojekt: Original, Replik, Geschichte und Kontext
Ziel des Forschungsprojekts war die erstmalige genaue Untersuchung und Dokumentation des Apparats, der Bau einer Replik, sowie die Erforschung von dessen Geschichte, Zuschreibung an Kempelen und historischem, sozial- und wissenschaftshistorischem Kontext. Anlass waren die Planungen für die neue Dauerausstellung Musikinstrumente, in der Original und Replik des Sprechapparats gezeigt werden sollen – idealerweise mit einem Objektschild, das die Frage der Autorschaft klärt.
In der ersten Phase des Projekts wurde der Apparat genau untersucht, vermessen und dokumentiert. Besonderes Augenmerk galt dabei möglichen historischen Schichten. Computertomographieaufnahmen ermöglichten Einblicke in nicht zugängliche Bereiche wie geschlossene Kammern, naturwissenschaftliche Analysen gaben Aufschluss über die verwendeten Materialien. Auf Grundlage der gewonnenen Daten wurde ein dreidimensionales CAD-Modell erstellt.
Die zweite Phase bildete der Bau der genauen Replik, die auf Grundlage des CAD-Modells entstand. Dabei kamen sowohl traditionelle Handwerkstechniken als auch moderne Fertigungstechniken zum Einsatz. Die Replik gibt erstmals Aufschluss über die Funktionsweise des Apparats und dessen Funktionsumfang. Können mit ihm ganze Sätze erzeugt werden oder, wie es in anderen Schriften heißt, nur einzelne Wörter wie „Mama“, „Papa“ und „Oma“? Versuche dazu sind am Original nicht möglich, nun konnte experimentiert und dabei zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen werden. Mit der Replik steht nun ein Forschungs- und Demonstrationsobjekt zur Verfügung.
Ein dritter Forschungsstrang beschäftigt sich mit der Zuschreibung an Wolfgang von Kempelen sowie der Einordnung in den historischen Kontext. Kempelen oder Nicht-Kempelen lautet eine oft gestellte Frage. Ist der Apparat von Kempelen gebaut worden oder handelt es sich um einen Nachbau oder gar eine Zusammenstellung von Teilen verschiedenen Alters? Recherchen in Archiven und der Literatur sowie Materialuntersuchungen brachten neue Erkenntnisse, auch die, dass es eine weit größere Zahl von Nachbauten nach Kempelen gab als bisher angenommen, die aber – mit einer Ausnahme – nicht erhalten sind.
Die Forschungen wie die Replik wurden während der gesamten Arbeiten mit externen Spezialisten diskutiert, die das Projekt als sehr spannend und zukunftsweisend einschätzen.
Projekte der anderen Museen: Von der Trauermücke bis zur Kogge
Die in der Ausstellung präsentierten Projekte zeigen die Spannweite der Museen und ihrer Forschungen. Sie reichen von der (ehemals) ältesten Taschenuhr der Welt, die sich als Fälschung des 19. Jahrhunderts erwies (Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg), Untersuchungen der Kogge, des aus dem 14. Jahrhundert stammenden besterhaltenen Handelsschiffes des nordeuropäischen Mittelalters (Deutsches Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven), und die des Dräger Rettungsapparats, eines der frühesten und erfolgreichsten Instrumente zur Lebensrettung im Bergbau (Deutsches Bergbau-Museum Bochum), über die Erforschung und Kopie einer Metallschale des 14. Jahrhunderts aus Nordnigeria und deren Rolle im Kulturgüterschutz (Römisch-Germanisches Zentralmuseum in Mainz) und die Entwicklung der ZooSphere, eines Verfahrens zum Erstellen von 3D-Scans von Insekten, die zur Artenbestimmung verwendet werden können (Museum für Naturkunde Berlin), bis zur Entdeckung und Bestimmung einer bisher in Europa nicht nachgewiesenen Mückenart, die das Zoologische Forschungsmuseum Alexander König in Bonn in seinem eigenen Museumsgarten fing und die mit der Frage des künftigen Biomonitoring verknüpft ist.
Die Ausstellung wird heute eröffnet und ist bis 30. Juni 2017 in der Eingangshalle der Bibliothek des Deutschen Museums zu sehen. Zeitgleich werden alle Projekte in einer gemeinsamen Ausstellung im Google Cultural Institute präsentiert.
Die Autorin dieses Textes, Dr. Silke Berdux, ist Kuratorin für Musikinstrumente im Deutschen Museum und hat das Forschungsprojekt zum Sprechapparat geleitet.
Weitere Informationen:
http://www.deutsches-museum.de/ausstellungen/sonderausstellungen/8-objekte/
http://www.leibniz-gemeinschaft.de/start/
https://www.google.com/culturalinstitute/about/