In 99 Jahren um die Welt - die abenteuerliche Reise einer Technik-Ikone
(München, 9. November) Seit gestern ist das Deutsche Museum um ein wichtiges Exponat reicher. Und der Weg, auf dem das Objekt in die Sammlung gefunden hat, ist ebenso abenteuerlich wie lang: Die Barkhausen-Kurz-Röhre stammt aus Deutschland, gelangte von Dresden über Südamerika in Kriegszeiten nach Japan – und kehrte jetzt wieder nach Deutschland zurück.
Generaldirektor Wolfgang M. Heckl freute sich bei der Übergabe am Dienstagabend im Ehrensaal des Deutschen Museums: „Das ist eine Ikone der Technologie. Sie wird für immer hier bleiben – als Zeichen der Freundschaft zwischen Japan und Deutschland.“
„Die Barkhausen-Kurz-Röhre erzählt mehr als eine Geschichte“, sagt Johannes-Geert Hagmann, Leiter der Hauptabteilung Technik am Deutschen Museum. „Sie ist Zeugnis einer wichtigen Entdeckung in der Elektronik des frühen 20. Jahrhunderts, aber sie ist auch ein Symbol der Freundschaft von zwei Wissenschaftlern.“
Heinrich Barkhausen (1881-1956), ein deutscher Physiker, entdeckte im Jahr 1917 zusammen mit Karl Kurz (1881-1960) bei Messungen an einer Vakuumröhre elektromagnetische Schwingungen im Bereich von einigen hundert Megahertz. Dieser Bereich wurde in der Folge wichtig für die Hochfrequenztechnik – auch für die Entwicklung des Radars. Bei der nun gestifteten Röhre handelt es sich um die entscheidende Komponente jener Experimente, bei denen Barkhausen und Kurz ihre ersten Beobachtungen gelangen.
Doch wie gelangte diese so bedeutende Röhre nach Japan? Barkhausen war Professor an der Sächsischen Technischen Hochschule in Dresden und lernte dort 1926 den Japaner Yoji Ito (1901-1955) kennen, der in Deutschland studierte – wie viele Japaner zu dieser Zeit. Barkhausen wurde schon früh auf seinen Schüler Ito aufmerksam - durch Itos „lebhaftes Wesen und sein eifriges Bestreben, jedes auftauchende Problem zu erfassen und zu lösen“. Zwischen Lehrer und Schüler entwickelte sich eine intensive Freundschaft. Barkhausen besuchte Ito sogar 1938 in Japan. Die Reise dorthin beschreibt Barkhausen als „die schönste und letzte Auslandsreise meines Lebens. War Ito zuerst mein Schüler gewesen, so wurde er in Japan mein Freund.“
Während des Zweiten Weltkrieges - Ito war mittlerweile selbst ein bedeutender Ingenieur und Wissenschaftler - besuchte der Japaner mit einer Militärdelegation Deutschland, um sich über die dortige Entwicklung der Radartechnik zu informieren. Bei diesem Besuch im Jahr 1941 schenkte Barkhausen Ito die Röhre – und zwar an Ostern, verpackt in einem Osterei.
Der Weg der Röhre nach Japan in Zeiten des Zweiten Weltkrieges war abenteuerlich: Nach einer Reise über Italien, Spanien, Brasilien und Argentinien kamen Ito und die Röhre schließlich mit einem Frachtschiff in Yokohama an – gut dreieinhalb Monate nach dem Start in Berlin. Bis vor kurzem befand sich die Röhre im Besitz der Familie Ito, nach deren Willen die Röhre jetzt ins Land seines Erfinders zurückkehrte. Die Familie und der japanische Konsul waren bei der feierlichen Übergabe des Exponats im Ehrensaal des Deutschen Museums dabei. Hiromasa Ito, einer der Söhne von Yoji Ito und Professor an der japanischen Tohoku-Universität, erzählte, wie freundschaftlich Barkhausen und sein Vater verbunden gewesen seien. Auch 1954 trafen sich die beiden noch einmal in Deutschland – und dabei erzählte Barkhausen, dass die anderen Röhren bei den Bombenangriffen auf Dresden zerstört worden seien. Ohne die Reise nach Japan wäre die Röhre also höchstwahrscheinlich nicht für die Nachwelt erhalten geblieben.
Gestern hat die Röhre nun ihren Platz in der Ausstellung zur Museumsgeschichte gefunden. Fast 100 Jahre, nachdem eine wichtige Entdeckung damit gemacht worden ist – und nach einer Reise einmal rund um die Welt.