„Die Armen können nicht warten!“
Armut hat viele Facetten: Sie reicht von der existenziellen Not in der so genannten Dritten Welt bis hin zu einer exakt definierten, in Euro und Cent ausgedrückten Grenze, unterhalb derer jemand in einer westlichen Industrienation „arm“ ist. Immer jedoch bedeutet Armut, aus der Gesellschaft ausgeschlossen und an den Rand gedrängt zu sein. Sich um diese Menschen zu kümmern, ist seit jeher ein Anliegen der Steyler Missionare. Deswegen hat die ordenseigene Philosophisch-Theologische Hochschule SVD St. Augustin (PTH) ihr viertes Jahrbuch dem Thema „Armut und Gerechtigkeit“ gewidmet. Das Buch enthält Aufsätze von zehn Lehrenden der Hochschule und ist jetzt im EOS-Verlag erschienen.
Aus den Perspektiven ihrer jeweiligen Fachgebiete beleuchten zehn Theologinnen, Theologen, Philosophen und Religionswissenschaftler die Frage nach Armut und Gerechtigkeit. Die Aufforderung, sich um die Armen zu kümmern, begegnet Lesern schon im Alten und Neuen Testament – beispielsweise im Lukasevangelium im Gleichnis von dem Reichen und dem armen Lazarus. Wie dieses Gleichnis in den Predigten deutschsprachiger Pfarrerinnen und Pfarrer heute ausgelegt wird, analysiert Dr. Rita Müller-Fieberg, Dozentin für Exegese des Neuen Testaments.
Dr. Fidelis Regi Waton, Lektor für Philosophie an der PTH, lenkt den Blick auf die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls. Rawls, dessen philosophischer Ansatz „Gerechtigkeit als Fairness“ die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hat, ging von der Frage aus, wie ein Gesellschaftsvertrag aussähe, der unter dem Schleier des Nichtwissens abgeschlossen würde. Wenn keiner der Beteiligten wüsste, welche Rolle in der Gesellschaft ihm nach Vertragsabschluss zugedacht wäre, so Rawls, dann gäbe es vielleicht Ungleichheit – doch selbst dem Ärmsten wären in solch einem Vertrag weder die grundlegenden Freiheitsrechte noch das materielle Existenzminimum noch die Chance, sich aus der Armut zu befreien, verwehrt. Diese existenziellen Grundlagen müssten demnach jedem Menschen zustehen.
Doch in vielen Gesellschaften gibt es Menschen, denen diese Rechte eben nicht zustehen. Wie die Theologie im jeweiligen regionalen und kulturellen Kontext damit umgeht, untersuchen mehrere Aufsätze im Jahrbuch. Dr. Polykarp Ulin Agan vergleicht asiatische und afrikanische theologische Theorien. Dr. Joachim Piepke, emeritierter Professor für Dogmatik und ehemaliger Rektor der PTH, befasst sich mit der Befreiungstheologie und den pentekostalen Bewegungen in Lateinamerika und Dr. Peter Ramers, Professor für Religionswissenschaft und Philosophie, untersucht die Entstehung eines gesellschaftlich engagierten Buddhismus.
„Die Armen können nicht warten!“ stellte Papst Franziskus in seinem Angelus-Gebet vom 22. Dezember 2013 fest. Die Kirche müsse sich ihnen zuwenden und ihnen als „Kirche der Armen“ den Weg in die Gesellschaft ebnen. Zu der Diskussion, wie diese Zuwendung aussehen kann, möchte die PTH St. Augustin mit dem Jahrbuch 2016 „Armut und Gerechtigkeit“ einen Beitrag leisten.
Dölken, Clemens / Ulin Agan, Polykarp / Höring, Patrik C. (Hg.): Armut und Gerechtigkeit (Jahrbuch der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin 4). Sankt Ottilien 2016. Das im EOS-Verlag Sankt Ottilien, ISBN 978-3-8306-7832-8, erschienene Buch kostet 35,00 Euro.
Weitere Informationen:
http://www.pth-augustin.eu/pth/presse/2016/161208-pth-jahrbuch-armut-gerechtigkeit-erschienen.php
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