Ein flexibler Zug
Siemens hat für die Deutsche Bahn den ICE 4 gebaut und dabei ein radikal neues Konzept umgesetzt. Alle Wagen funktionieren als unabhängige Einheiten und bilden wahlweise 5- bis 14-teilige Züge. 2017 wird der Zug offiziell in Dienst gestellt.
Am 14. September haben Siemens und die Deutsche Bahn in Berlin erstmals den kompletten ICE 4 vorgestellt. Siemens hat den neuen Hochgeschwindigkeitszug gemeinsam mit seinem Partner Bombardier gebaut. Eine der wichtigsten Neuerung im ICE 4 liegt im Antriebskonzept. Siemens entwickelte einen Triebwagen, in dem die komplette Antriebstechnik untergebracht ist. In einem zwölfteiligen ICE 4 sind für den Antrieb zum Beispiel sechs solcher Powercars verteilt, die restlichen sechs Wagen sind nicht motorisiert. Im Vorgängermodell, dem ICE 3, bilden dagegen jeweils drei Wagen eine feste Antriebseinheit.
Der Vorteil der neuen Lösung ist, dass jeder Wagen eine eigenständige Einheit bildet. Ein Zug lässt sich deshalb bei langfristigen Bedarfsänderungen flexibler aus einzelnen Wagen zusammenstellen. Die neue Technik verhindert auch, dass ein Defekt im Antrieb den Zug komplett lahmlegt. Sollte während der Fahrt ein Powercar ausfallen, kann der ICE 4 mit den restlichen Triebwagen bei reduzierter Geschwindigkeit bis zum Ziel weiterfahren.
Für die modulare Zusammenstellung eines fünf bis 14-teiligen Zuges stehen fünf Wagentypen zur Verfügung: Dies sind Endwagen, Powercar, Mittelwagen, Restaurantwagen und der Servicewagen mit Familienbereichen, Rollstuhlplätzen etc. Auch im Innenraum ist höchste Flexibilität möglich. Die Mittelwagen sind im Prinzip eine leere Röhre und können nach Wunsch des Kunden ausgebaut werden, also für den Komfort der 1. oder 2. Klasse mit unterschiedlichen Sitzabständen und auch verschiebbaren Sitzen auf Schienen.
Der passende Zug für die jeweilige Strecke
Die Bahn hat zunächst ICE 4 mit zwölf und sieben Wagen bestellt . Der siebenteilige Zug ist 200 Meter lang, hat 456 Sitzplätze und rauscht mit maximal 230 Stundenkilometern (km/h) dahin, angetrieben von drei Powercars. Die zwölftteilige Variante bietet auf 346 Metern Platz für 830 Personen und fährt bis zu 250 km/h schnell. Das modulare Konzept ermöglicht aber generell Züge aus fünf bis 14 Wagen. So lassen sich die Züge besser für die jeweilige Strecke auslegen, beispielsweise hinsichtlich Steigung, Anzahl der Sitzplätze oder Geschwindigkeit.
Neue Zugsteuerung
Für das modulare Konzept mit autonomen Einzelwagen kommt im ICE 4 das erste Mal ein komplett neues Steuerungssystem von Siemens zum Einsatz. Die Fahrzeugsteuerung Sibas PN besteht aus zwei Ebenen, dem Zugnetzwerk für die zentrale Steuerung und eigenständigen Netzwerken in jedem Wagen. Die Wagennetzwerke regeln Funktionen wie Türen, Licht oder Klimaanlage. Bei jedem Zugstart melden sie sich im Zugnetzwerk an. Wurde ein Wagen ausgetauscht, integriert sich der Ersatz so automatisch in die Zugsteuerung. In den Endwagen ist das Zugnetzwerk untergebracht. Es ist auch die zentrale Schnittstelle für den Abruf aller Informationen zum Zustand des Zugs. Beide Netzwerke nutzen Fast Ethernet mit einer Übertragungsrate von 100 Mbit pro Sekunde.
Raumwunder
Jedes Powercar bringt etwa 1,6 Megawatt (MW) Traktionsleistung. Der siebenteilige ICE 4 wird demnach mit 4,95 MW, der zwölfteilige Zug mit 9,9 MW angetrieben. Die Antriebstechnik pro Powercar umfasst vier Fahrmotoren, die Traktionskühlanlage sowie die Stromversorgung inklusive Transformatoren und Stromrichter. Durch die Verlängerung des Wagenkastens von 25 auf 28 Meter war es auch möglich, alle Komponenten unterflurig unterzubringen, also unter dem Boden des Triebwagens. Mit nur sieben Wagen ist ein ICE 4 deshalb genauso lang wie ein achtteiliger ICE 3. Weil dadurch ein Wagenübergang wegfällt, bietet der ICE 4 auf der gleichen Länge deutlich mehr Raum. Er hat damit z.B. auch durch Wegfall von zwei Drehgestellen weniger Gewicht, und es müssen weniger Komponenten gewartet werden.
Kontakt:
Herr Dr Norbert Aschenbrenner
Redaktion
Siemens AG
norbert.aschenbrenner@siemens.com
Originalartikel im Internet:
https://www.siemens.com/innovation/de/home/pictures-of-the-future/mobilitaet-uns-antriebe/urbane-mobilitaet-ein-flexibler-hochgeschwindigkeitszug.html