Nützliches Treibhausgas
Kohlenstoffdioxid hat alles andere als ein gutes Image – wird es doch überwiegend nur als Verursacher des Klimawandels wahrgenommen. Siemens-Experten können dem Gas aber auch Gutes abgewinnen. Im Förderprojekt „eEthylen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nutzen sie zusammen mit weiteren Forschungspartnern CO2, um wertvolle Basischemikalien für die Industrie herzustellen. Die Wissenschaftler versprechen sich davon wichtige Erkenntnisse, um elektrochemische Syntheseprozesse für den großindustriellen Maßstab zu optimieren.
„Für uns ist Kohlenstoffdioxid keineswegs ein Abfallprodukt, sondern vielmehr ein wertvoller Rohstoff mit großen Perspektiven“, erklärt Dan Taroata, Projektleiter beim Konsortialführer Siemens. Zusammen mit Experten von Evonik, der TU Berlin, der Ruhr-Universität Bochum und dem Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg untersuchen er und seine Kollegen im Förderprojekt „eEthylen“, wie sich das Treibhausgas CO2 in Ethylen wandeln lässt. Taroata ist überzeugt, dass sich mithilfe des Treibhausgases nicht nur gefragte Wertstoffe herstellen lassen, sondern dass Siemens mit CO2 auch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen kann.
In einer direkten, einstufigen Elektrolyse nutzen die Forscher Elektrizität, um Ethylen aus Kohlendioxid und Wasser zu synthetisieren. Der Fokus liegt auf den Elektrokatalysatoren, denn diese können das träge CO2 mit energiereichen Elektronen beladen – nur dann entsteht dieser Rohstoff. Sammeln sich die Elektronen dagegen im umgebenden Wasser, wird lediglich Wasserstoff erzeugt. Ausschlaggebend für den Erfolg ist hier also der Katalysator. Eine stabile, kupferhaltige Elektrode zu finden, mit der sich Ethylen herstellen lässt, ist allerdings eine technologische Herausforderung.
Elektrolyseure – Kernkompetenz von Siemens
Gemeinsam mit den „eEthylen“-Partnern suchen Siemens-Wissenschaftler nun nach der idealen Lösung. Für den Prozess der Ethylen-Erzeugung stellt Siemens eine seiner Kernkompetenzen zur Verfügung, die Elektrolyse-Anlage für den Dauerbetrieb. Sie ist angelehnt an Elektrolyseure zur Wasserstoffherstellung, die bereits heute Teil des Produktportfolios des Unternehmens sind.
Die TU Berlin verantwortet die Analyse der katalytischen Leistungsfähigkeit sowie des chemischen Produktspektrums, die Ruhr-Universität Bochum dagegen beschäftigt sich mit der chemischen Zusammensetzung der Katalysatoren an sich. Das Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg bringt seine Kompetenz im Bereich der Elektroden ein, während Evonik für die Entwicklung von Pulverkatalysatoren zuständig ist, mit denen sich große Elektroden für die Elektrolyse herstellen lassen.
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ist das Projekt in der Forschungsinitiative „CO2Plus – Stoffliche Nutzung von CO2 zur Verbreiterung der Rohstoffbasis“ verankert. Siemens hat die Konsortialführerschaft übernommen. Das Projekt läuft seit Oktober 2016 und ist auf drei Jahre angelegt. Ausgestattet mit einem Gesamtbudget von 2,9 Millionen Euro könnte „eEthylen“ die bisherige Herstellung von Ethylen revolutionieren. Ziel ist es herauszufinden, wie sich das Treibhausgas CO2 effizient in wertvolles Ethylen wandeln lässt.
Einfache und günstige Ethylenproduktion
Derzeit ist die Ethylenproduktion noch sehr kosten- und energieintensiv. Im großindustriellen Maßstab lässt sich Ethylen beispielsweise per „Steamcracking“ herstellen. Hierbei wird das Rohöldestillat Naphtha auf rund 800 bis 850 Grad Celsius erhitzt, bis sich die langkettigen in kurzkettige Kohlenwasserstoffe zersetzen. Sie zerfallen in 15 verschiedene Wertstoffe, die aufwendig aufgetrennt werden müssen. Einer davon ist Ethylen. Mit der Herstellung über einen elektrochemischen Prozess könnte nun eine wirtschaftlich attraktive Alternative entstehen, auch da die Preise für elektrische Energie aus Photovoltaik und Wind stetig fallen.
Ethylen wird heutzutage vielfach genutzt. Es ist Ausgangsstoff für die Herstellung von Polyethylen, Polyvinylchlorid sowie Polyester und damit in den meisten Kunststoffen enthalten. Außerdem hilft Ethylen dabei, Obst und Gemüse auf den Punkt reifen zu lassen – auch das ist eine nicht unbedeutende Anwendung in einer Welt globalisierter Nahrungslieferketten.
Gelingt es dem Forscherteam, den elektrolytischen Herstellungsprozess zu optimieren, könnte das eine ernsthafte Alternative zur herkömmlichen Herstellung sein. Und das wäre nicht nur unter Umweltgesichtspunkten wünschenswert, weil so CO2 aus der Atmosphäre genutzt würde. Es wäre auch aus unternehmerischer Sicht erstrebenswert. Schließlich kostet eine Tonne Ethylen zwischen 850 und 1.200 Euro, und das bei einem taxierten Marktvolumen von weltweit jährlich rund 180 Millionen Tonnen.
Noch stehen die Forscher am Anfang, wenn es darum geht, dieses Marktpotenzial zu nutzen. Aber bereits jetzt haben sie bewiesen: Nur weil ein Rohstoff gemeinhin nicht das beste Image hat, heißt das nicht, dass er nicht auch nutzbar sein kann, um das Leben auf unserem Planeten besser zu machen.
Kontakt:
Sebastian Webel
Redaktion
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Originalartikel im Internet:
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