Historisches Klanggedächtnis in Gefahr: Interdisziplinäres Projekt will norddeutsche Orgeln retten
Der Nordwesten Deutschlands bietet mit seiner weltweit höchsten Dichte an spielbaren historischen Orgelinstrumenten einen einzigartigen kulturgeschichtlichen Schatz. Doch dieser ist seit einigen Jahren einer starken Bedrohung ausgesetzt: Korrosion bedroht die Jahrhunderte alten Orgelpfeifen. In einem neuen Projekt erforschen Mitarbeiter der Amtlichen Materialprüfungsanstalt (MPA) Bremen gemeinsam mit dem Arp-Schnitger-Institut für Orgel und Orgelbau (ASIOO) an der Hochschule für Künste Bremen seit Oktober 2016 für zwei Jahre mögliche Ursachen des Verfalls und entwickeln Maßnahmen zur Bewahrung der wertvollen Instrumente.
Weihnachten steht vor der Tür und damit auch die Zeit der besinnlichen Klänge. Doch an vielen historischen Orgeln hat nicht nur die Zeit ihre Spuren hinterlassen. Risse und Löcher in den Metallpfeifen sorgen für den Verlust des historischen Klanggedächtnisses. „Neue Heizsysteme, anderes Heizverhalten in den Kirchen und bauliche Veränderungen sind maßgeblich an der verstärkten Korrosion beteiligt“, sagt der Projektleiter und Materialforscher Herbert Juling. Vier Orgelinstrumente an den Standorten Belum, Freiburg/Elbe, Marienhafe/Osteel und Celle werden deshalb in den nächsten zwei Jahren exemplarisch auf Schäden hin untersucht.
„Neben der Dokumentation des Ausgangszustands der Orgeln werden wir durch gezielte Messungen zunächst eine Datenbasis schaffen“, erklärt Prof. Manfred Cordes vom Arp-Schnitger-Institut für Orgel und Orgelbau der Hochschule für Künste Bremen. Bereits 2014 bis 2015 hat Cordes zusammen mit Juling in einem Pilotprojekt zur Erforschung der historischen Klangkörper wichtige Erkenntnisse über die Korrosionsursachen gewonnen. An zwei Orgeln im Nordwesten Deutschlands wurden exemplarische Untersuchungen an den Metallpfeifen vorgenommen. Die Ergebnisse des ersten Projekts waren bereits eindeutig: Korrosion zerstört die Instrumente von innen und vermindert die Klangfähigkeit.
Nun widmen sich die Forscher Maßnahmen, dieses Kulturgut zu erhalten, wie Prof. Manfred Cordes erklärt: „Wir tragen eine große Verantwortung für unsere Region und müssen Wege finden, dieses einmalige Erbe für zukünftige Generationen zu bewahren.“ In dem aktuellen Projekt haben die Experten zwei weitere Jahre Zeit, um an vier exemplarischen Orgelinstrumenten aus dem 17. bis 18. Jahrhundert Maßnahmen zur Verminderung der Korrosionsfaktoren zu erproben. Dabei sind umfassende Klimamessungen in den Kirchenräumen und Experimente in Simulationskästen u.a. zur Verminderung der Luftfeuchtigkeit und schädigender Essigsäure geplant. „In enger Zusammenarbeit mit Orgelbauern planen wir auch einen Emissionstest zu entwickeln, der zukünftig bei historischen Orgelinstrumenten eingesetzt wird“, sagt Juling. Auch Workshops und Fortbildungsangebote für Orgelbauer sollen angeboten werden, um die Erkenntnisse der Forscher einem Fachpublikum vorzustellen und gemeinsam zu diskutieren.
Gefördert wird das Projekt durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt sowie die Klosterkammer Hannover.
Zusatzinformationen:
Das Arp-Schnitger-Institut für Orgel und Orgelbau der Hochschule für Künste behandelt alle Belange von Orgel und Orgelbau. Hierzu zählt die verantwortliche Vertretung der künstlerisch-wissenschaftlichen Arbeit in Lehre, Forschung und künstlerischer Entwicklung. Weitere aktuelle Projekte des Instituts umfassen die Dokumentation von historischen Orgelinstrumenten sowie den Aufbau einer Arp-Schnitger-Datenbank. Die Orgelinstrumente und Pfeifenbestände von Arp Schnitger sowie seiner Schüler sind ein einmaliger kultureller Schatz aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Sie bilden die einstige Bedeutung der norddeutschen Orgelkultur innerhalb Europas ab und sind ein Magnet für Kulturinteressierte und Touristen aus aller Welt.
Die Amtliche Materialprüfungsanstalt Bremen (MPA) bietet Forschungs- und Serviceleistungen auf dem Gebiet der Werkstoff- und Baustoffprüfung sowie der Schadensanalytik an. Sie ist eine Abteilung der Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT) Bremen und untersteht der Aufsicht des Senators für Bau und Umwelt, sowie der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien Hansestadt Bremen.
Ansprechpartner Presseanfragen:
Theresa Albig
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0421 95951031
E-Mail: theresa.albig@hfk-bremen.de
Fachliche Ansprechpartner:
Amtliche Materialprüfungsanstalt Bremen (MPA)
Dr.-Ing. Herbert Juling
Tel.: 0421 5370850
E-Mail: juling@mpa-bremen.de
www.mpa-bremen.de
Hochschule für Künste (HfK)
Prof. Dr. Manfred Cordes
Tel.: 0421 95951515
E-Mail: m.cordes@hfk-bremen.de
Weitere Informationen:
http://www.mpa-bremen.de
http://www.hfk-bremen.de/arp-schnitger-institut