Fit für die Ewigkeit: TH Georg Agricola verabschiedet erste Nachbergbau-Ingenieure
Von wegen Schicht im Schacht! Wenn 2018 die letzten Steinkohlenzechen in Deutschland schließen, hinterlassen sie vielfältige Aufgaben. Mit ihnen verantwortungsvoll umzugehen, ist künftig der Job von Stefan Schnell, Marcus Stemmann und Daniel Wagener. Die drei jungen Ingenieure sind die ersten Absolventen des Master-Studiengangs „Geoingenieurwesen und Nachbergbau“ an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum. „Wir kümmern uns um die dringenden Aufgaben, die kommen, wenn der Bergmann geht“, erklärt Absolvent Stefan Schnell.
Nachbergbau meint dabei alles, was nach dem eigentlichen Abbaubetrieb in und um die alte Lagerstätte herum stattfindet. „Themen, die uns wahrscheinlich dauerhaft beschäftigen, wie etwa die Wasserhaltung im Ruhrgebiet. Deswegen sprechen wir von Ewigkeitsaufgaben.“ Und auch alte Schächte wollen gesichert oder ehemalige Bergwerksflächen saniert und neu genutzt werden. Gute Jobperspektiven also für die frischgebackenen Nachbergbau-Ingenieure.
„Auch international ist der Bedarf an Fachkräften groß und wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen“, prophezeit Prof. Dr. Christian Melchers, der den weltweit einzigartigen Studiengang mit aufgebaut hat. „Der Lehrplan ist besonders praxisnah. Wir sind viel im Revier unterwegs und sitzen nicht nur im Hörsaal. Außerdem führen die Studierenden früh eigene Projekte durch. Das bereitet sie optimal auf die späteren Aufgaben vor.“ So sind die Abschlussarbeiten der ersten drei Absolventen in großer Eigenverantwortung, aber auch in enger Zusammenarbeit mit Behörden und Bergbaugesellschaften, entstanden:
Stefan Schnell hat für seine Masterarbeit ein Überwachungssystem entwickelt, mit dem Tagesöffnungen des so genannten Altbergbaus kontrolliert werden können. Vor allem im Ruhrtal sind solche, teils jahrhundertealte Öffnungen des oberflächennahen Bergbaus, zu finden. Stefan Schnells Arbeitgeber, die RAG, überwacht hier rund 4000 alte Schächte. Jährlich werden etwa 20 davon saniert. „Der große Umfang an Hinterlassenschaften lässt eine sofortige Generalüberholung aller Objekte nicht zu, so dass übergangsweise Überwachungstechniken nötig werden“, erklärt Stefan Schnell seine Idee, die er gemeinsam mit Elektrotechnikern der THGA entwickelt hat. Die Sensoren seines Systems „Mineberry“ erkennen kleinste Veränderungen oder Bodenbewegungen an der Oberfläche. „Sollte etwas absacken, erhält der verantwortliche Techniker sofort ein Live-Bild auf sein Handy. Angetrieben wird alles von umweltfreundlichen Solarzellen.“ Der Leitfaden in Stefan Schnells Masterarbeit soll künftig als Grundlage bei der Umsetzung solcher Überwachungssysteme dienen.
Bei Absolvent Marcus Stemmann war eine Karriere in der Rohstoffbranche lange vorgezeichnet: Schon sein Uropa betrieb Anfang des letzten Jahrhunderts eine Kleinzeche im Bochumer Süden. Marcus wurde Geologe. Als solcher arbeitete er schon im thüringischen Kali- und Steinsalzbergbau und in alten Silber- und Eisenerzzechen im Harz, wo er die Freilegung stillgelegter Standorte begleitet hat. „Der Bergbau hinterlässt auch andernorts seine Spuren und Herausforderungen“, sagt der erfahrene Ingenieur. „Das macht ja gerade den Reiz beim Nachbergbau aus – dass es Jobs in ganz Deutschland und praktisch auf der ganzen Welt gibt.“ Umwege führten ihn 2013 ins Ruhrgebiet zurück. Gerade pünktlich zum Start des neuen Nachbergbau-Studiengangs an der THGA. Jetzt, zum Abschluss, hat er sich einen aktuellen Fall vorgenommen: Marcus Stemmann untersuchte den Edeltraud-Erbstollen, der zuverlässig die Grube „Alte Haase“ entwässerte – bis es im Frühjahr 2016 an der Ortsgrenze von Hattingen und Sprockhövel zu einem unkontrollierten Wasseraustritt kam. Marcus Stemmanns Detailanalyse liefert Erklärungsansätze für das Ereignis und kann helfen, künftige Schadensfälle dieser Art zu vermeiden.
Auch auf Daniel Wagener war das berufsbegleitende Master-Studium speziell zugeschnitten: Der 30-Jährige arbeitet bei der Bezirksregierung Arnsberg als Projektleiter im „Risikomanagement Altbergbau“ und kümmert sich hier bereits um die Gefahrenabwehr: „Ich betreue hauptsächlich Baustellen, bei denen Bergbaufolgen eine Rolle spielen und eine besondere Nachsorge nötig wird.“
Außerdem sucht der Essener mit seinem Team nach ungesicherten Schächten, die keinen klaren Rechtsnachfolger haben. „Das betrifft vor allem den ganz alten, zum Teil wilden Bergbau. Hier ist die Bezirksregierung für die Sicherheit zuständig.“ In seiner Abschlussarbeit hat er deshalb ein neues Konzept entwickelt, mit dem sich die Risiken von tagesnahem Bergbau analysieren und bewerten lassen. Anhand der Kriterien, die Daniel Wagener erarbeitet hat, soll bei seinem Arbeitgeber demnächst ein neues Risikomanagementsystem entstehen. Jetzt freut sich der Absolvent aber erst einmal auf ein bisschen mehr Freizeit und blickt zuversichtlich in die berufliche Zukunft: „Das Studieren neben dem Beruf, abends und am Wochenende, war schon zeitaufwändig und manchmal anstrengend. Auch der Sport ist ein wenig zu kurz gekommen. Aber auf lange Sicht wird sich zeigen, wie sehr es sich gelohnt hat.“
Denn dabei sind sich die drei einig: „Das Thema Nachbergbau muss man langfristig denken. Es gilt, die Risiken dauerhaft beherrschbar zu machen und die neuen Chancen zu nutzen.“
Weitere Informationen:
https://www.thga.de/aktuelles/presse/pressemeldungen-detail/meldung/fit-fuer-die-ewigkeit-thga-verabschiedet-erste-nachbergbau-ingenieure-3872/
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