Vanille-Mandelaroma riecht "grün"
Der verführerisch nach Vanille und Mandeln riechende Duftstoff Piperonal kann nun ohne chemische Zusätze und zu hundert Prozent rein hergestellt werden. Möglich macht das ein neues biokatalytisches Verfahren des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), das in Zusammenarbeit mit dem MIT Boston (USA) entwickelt wurde. Es eröffnet der Industrie völlig neue Möglichkeiten in der umweltschonenden Produktion von Düften, Hygiene- und Haushaltsartikeln oder Aromastoffen.
Von der Zahnpasta über das belebende Mandelduft-Shampoo bis zum Moschus-Parfum – Aromen und Duftstoffe bereichern unser Leben. Viele von ihnen kommen in der Natur in zu geringen Mengen vor, als dass damit die weltweite Nachfrage gedeckt werden könnte. In den meisten Produkten sind daher synthetische Duftmischungen enthalten, die jedoch eine Kehrseite aufweisen: Zu ihrer Herstellung musste die Industrie bisher auf umweltschädliche Chemikalien zurückgreifen.
Eine Forschungsgruppe um Margit Winkler vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) hat in Zusammenarbeit mit dem MIT in Boston (USA) einen Weg gefunden, den nach Vanille und Mandeln riechenden Duftstoff Piperonal auf natürliche Weise und hundertprozentig rein herzustellen. Piperonal, das in seinem Geruch an die Vanilleblume Heliotropium arborescens erinnert und auch als Heliotropin bekannt ist, wird als Aromastoff in Nahrungsmitteln oder Tabakwaren und zum Aromatisieren von Hygieneartikeln verwendet. Der natürliche Herstellungsprozess soll künftig nicht nur für ein authentischeres Dufterlebnis in vielen Produkten sorgen, sondern ebenso die Natur schonen.
Aldehyde als Nasenschmeichler
Verantwortlich für den Duft vieler Parfums sind Aldehyde. "Die Duftstoffe setzen sich aus organisch-chemischen Verbindungen zusammen. Je nach Molekülstruktur bilden sie unterschiedliche Aromen aus, wie den Geruch nach Vanille, Gras oder Zimt", erklärt Projektleiterin Margit Winkler vom acib. Um diese Substanzen synthetisch aus Säuren herzustellen, waren energieintensive chemische Reaktionen notwendig, damit ein Ausgangsstoff überhaupt umgewandelt werden kann. "Man muss sich das wie bei einem Auto vorstellen, das Benzin braucht, damit es fährt", so Winkler. Als Benzin dienten der Industrie bislang hochreaktive Reduktionsmittel. „Sie haben den Nachteil, dass die Reaktion nicht beim gewünschten Reaktionsprodukt – dem Aldehyd – stehen bleibt. Folglich sind mehrstufige Verfahren und aufwendige Reinigungsprozesse nötig, was unerwünschte Abfälle nach sich zieht und ressourcen-, -energie und kostenintensiv ist“, schildert Winkler.
Neue biokatalytische Methode
Im Schwerpunktfeld der biokatalytischen Synthese arbeitet das Exzellenz-Zentrum seit Jahren mit einem wesentlich schonenderen Verfahren, in dem Enzyme chemische Prozesse durch natürliche Prozesse ersetzen.
Eine neue Enzymfunktion sorgt nun für Aufsehen: "Wir verwenden ein vom MIT zur Verfügung gestelltes Enzym, das bereits in den 1960ern aus dem Pilz Neurospora crassa isoliert worden ist. Als erste haben wir am acib es so eingesetzt, dass es Aldehyde sehr selektiv produzieren kann", erklärt Winkler. Um aus einer Säure die gewünschten Aldehyde herzustellen, setzen die Forscher Mikroorganismen – in diesem Fall einen speziell designten Escherichia coli Stamm – so ein, dass biologische Energieträger wie ATP und NADPH die Kaskade zur Aldehydproduktion energetisch vorantreiben.
Der eigens kreierte E- coli Stamm begünstigt somit die Akkumulation der reaktiven Aldehyde und ermöglicht die effiziente Herstellung des gewünschten Endprodukts Piperonal aus Piperonylsäure her – in einem einstufigen Prozess, zu hundert Prozent rein. "Die gesamte Reaktion findet, wie in der Natur, direkt in der Zelle statt. Damit kommt sie ohne Beigabe von Lösungsmitteln aus und spart Energie und Ressourcen, indem sie unter milden Bedingungen bei 28 Grad Celsius und in wässriger Umgebung durchgeführt wird", erklärt Winkler. Die neu gewonnenen Erkenntnisse eröffnen damit die Möglichkeit, Düfte in Hygiene-, Haushaltsartikeln, Parfums und Aromastoffe in der Nahrungsmittelindustrie umweltfreundlicher und wesentlich schneller herzustellen.
Neue Düfte durch Enzymengineering
Die Ergebnisse wurden unlängst in verschiedenen wissenschaftlichen Medien publiziert. Zusammen mit einem Industriepartner arbeitet das acib nun daran, die neue Methode zur Produktion verschiedener naturidenter Duftstoffe heranzuziehen. „Schon in wenigen Jahren“, so Winkler abschließend, „wollen wir den Prozess auf Industriemaßstab übertragen.“
Zur Originalpublikation:
Selective Enzymatic Transformation to Aldehydes in vivo by Fungal Carboxylate Reductase from Neurospora crassa
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adsc.201600914/abstract;jsessionid=23D4F5436514210A12105CDDBC1A6CC7.f02t03
Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma) und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild und die Werkzeuge der Natur als Hilfsmittel. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit Standorten in Graz, Innsbruck, Tulln, Wien, Bielefeld, Heidelberg und Hamburg (D) sowie Pavia (I), Canterbury (AUS), Neuseeland (NZL) und Taiwan und versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer oder VTU Technology.
Am acib forschen und arbeiten derzeit 250+ Beschäftigte an mehr als 75 Forschungsprojekten.
Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.
Rückfragehinweise
Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) Standort Graz
Dipl.-Ing. Dr.techn. Margit Winkler
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