Neues FabLab an der Hochschule Ravensburg-Weingarten - Freier Zugang zur Technologie
FabLabs übertragen den Open-Source-Gedanken aus dem Internet in die Werkstatt. Ein solches Fabrication Laboratory ermöglicht Privatpersonen den Zugang zu modernen, industriellen Produktionsverfahren. An der Hochschule Ravensburg-Weingarten geht mit dem laufenden Sommersemester 2017 eine solche offene Werkstatt in Betrieb.
Weingarten – Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist ein Grundpfeiler der freien Marktwirtschaft. Dagegen bringt die digitale Evolution aller unserer Lebens- und Wirtschaftsbereiche Modelle hervor, die einen offenen Zugang zu Technologien, zu Wissen oder Maschinen ins Zentrum des Handelns stellen. Sei es der Open-Source-Gedanke in der Software-Entwicklung oder die Creative-Commons-Initiative im Bereich kreativer Werke. FabLabs übertragen dieses Prinzip aus dem Internet in die reale Welt, sozusagen in die Werkstatt. Ein solches Fabrication Laboratory ermöglicht Privatpersonen den Zugang zu modernen, industriellen Produktionsverfahren. An der Hochschule Ravensburg-Weingarten wurde in den vergangen zwölf Monaten eine solche offene Werkstatt aufgebaut. Mit dem laufenden Sommersemester 2017 geht sie in Betrieb.
„Oftmals werden für Praktika spezielle Kenntnisse der Technologien oder im Umgang mit der spezifischen Software erwartet. Doch woher soll das kommen?“, sagt Anton Gres, erster Vorsitzender des FabLab in Weingarten und Elektrotechnik-Student im zweiten Semester. „Hier konnte ich sofort einsteigen und Erfahrungen mit den 3D-Druckern sammeln.“
Um den 3D-Druck dreht sich fast alles in dem Labor an der Weingartener Doggenriedstraße. Drei Geräte, die nach zwei unterschiedlichen Konstruktionsvarianten drucken, sind da. „Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass sich bei der einen Variante die Düse und bei der anderen die Plattform bewegt, während die Schichten aufgetragen werden“, erklärt der zweite Vorsitzende Björn Ecke. Er sei wahrscheinlich einer der wenigen Informatikstudenten, die sich mehr für Maschinen als für Spiele interessieren und aus diesem Grund auch von Anfang an begeistert gewesen von der FabLab-Idee.
Der demokratische Zugang zu modernen Produktionsmitteln ist in der Bewegung der digitalen Bastler ein grundsätzliches Anliegen. Das merkt man auch den Gründern an der Hochschule in Weingarten an. Auch sie sagen: „Das wird unser Denken, unsere Wirtschaft verändern. Wenn der Zug mal Fahrt aufgenommen hat, kommt man nicht mehr hinterher.“
Mit dem Sommersemester 2017 startet das FabLab Weingarten nach einjähriger Entwicklung in seine produktive Phase. „Die Maschinen sind am Laufen“, sagen Ecke und Gres. Knapp zehn aktive Mitglieder hat das Labor bisher. Die Organisationsstruktur wird von den Studierenden selbst festgelegt, alle Entscheidungen werden per Mehrheitsbeschluss getroffen. Dass Demokratie auch anstrengend sein kann, damit haben sie im FabLab schon ihre Erfahrungen gemacht. „Als es um die Anschaffung von Ram-Speicher ging, da hatten wir eine stundenlange Diskussion, welches Modell nun gekauft werden soll“, berichten sie.
Das erste FabLab wurde 2002 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) initiiert. Typische Geräte für die auch Maker Space genannten Werkstätten sind 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Maschinen oder Fräsen.
Bei den 3D-Druckverfahren im FabLab in Weingarten handelt es sich um ein sogenanntes Fused Deposition Modeling (FDM), zu Deutsch Schmelzschichtung. Dabei wird ein Werkstück schichtweise aus einem schmelzfähigen Kunststoff aufgebaut. Der „Filament“ genannte Kunststofffaden wird bei rund 210 Grad Celsius geschmolzen. In einer für das menschliche Auge kaum nachverfolgbaren Geschwindigkeit rast die Düse dann über die Plattform, auf der das Werkstück wächst – mit jeder Schicht um 0,06 bis 0,2 Millimeter. Der Drucker führt dabei Befehle aus, die zuvor aus dem 3D-Modell berechnet wurden. „Wenn man beispielsweise eine einfache Handyhülle druckt, werden rund 50.000 Befehle ausgeführt“, sagt Professor Dr. Jörg Eberhardt, Spezialist an der Hochschule in Weingarten für 3D-Verfahren.
Er hatte das FabLab ins Leben gerufen und seine Gründung begleitet, sieht sich mittlerweile aber vielmehr als Mentor der Studierenden, die nun die Verantwortung für das Projekt übernommen haben. „Wenn die Hardware und die Software da sind, halten sich die laufenden Kosten in Grenzen“, ergänzen diese. „Ein Kilogramm Material kostet rund 25 Euro, das reicht für 400 Schachfiguren.“
Wem stehen die Drucker nun ganz praktisch zur Verfügung? „Aktuell sind nur Studenten der Hochschule und der PH Mitglieder in unserem FabLab“, sagt Björn Ecke.“ Derzeit entstehe eine Kooperation mit dem Formula Student Team Weingarten, für das eventuell Teile produziert werden. „In einem nächsten Schritt können wir uns eine Zusammenarbeit mit Schulen vorstellen“, sagt Anton Gres. „Wir könnten Kurse anbieten, in denen bereits Schüler mit dieser Technik in Verbindung kommen.“ Im Unternehmensbereich sei man auf der Suche nach Sponsoren. „Unsere Gegenleistung könnte dann in der Produktion von Teilen oder dem Transfer von Expertenwissen bestehen.“
Professor Eberhardt sieht in dem FabLab an der Hochschule Ravensburg-Weingarten vor allem auch einen großen pädagogischen Gewinn. Der organisatorische Aufbau unterscheide sich grundsätzlich von anderen Laboren. „Was hier geschieht ist rein motivationsgetrieben, es geht nicht um Geld oder Punkte. Fehler werden nicht geahndet. Wissenstransfer findet statt, weil sich jemand begeistert.“
Die digitale Wende bringt also nicht nur Bewegung in viele Geschäftsabläufe, sondern erschließt auch im Bereich des Lehrens und Lernens beeindruckende neue Möglichkeiten.