Nahrungsmittelindustrie bevorzugt Marktöffnung mit Ländern ausserhalb der EU
Eine allfällige Marktöffnung für Agrarprodukte und Lebensmittel schafft Gewinner und Verlierer in der Schweizer Nahrungsmittelindustrie. Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur zeigt, dass Freihandelsabkommen mit aussereuropäischen Ländern für Unternehmungen der Nahrungsmittelindustrie im Allgemeinen attraktiver sind als ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union (EU) bei Agrargütern und Lebensmitteln.
Im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft haben Patrick Baur und Peter Moser vom Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) der HTW Chur untersucht, welche Auswirkungen eine Marktöffnung bei Agrar- und Lebensmitteln auf die Schweizer Nahrungsmittelindustrie hat. Dabei wurden die Auswirkungen der beiden Szenarien «Freihandelsabkommen mit aussereuropäischen Ländern» und «Freihandelsabkommen mit der EU bei Agrargütern und Lebensmitteln» mit der Entwicklung ohne Marktöffnung verglichen. Die Resultate basieren auf einer statistischen Analyse der jüngsten Entwicklung der Nahrungsmittelindustrie, auf Erkenntnissen aus früheren Studien und auf quantitativen und qualitativen Rückmeldungen von ausgewählten Unternehmensvertretern der Schweizer Nahrungsmittelindustrie anlässlich eines Workshops. (Studie steht zuunterst als Download zur Verfügung)
Freihandelsabkommen mit aussereuropäischen Ländern
Solche Abkommen werden den Strukturwandel in der Branche punktuell verstärken und können zu einem Kapazitätsabbau bei Verarbeitern der ersten Stufe führen, falls die Produktion der zu verarbeitenden Rohstoffe in der Schweiz zurückgeht. Demgegenüber können exportorientierte Unternehmen ihre Produktionskapazitäten in der Schweiz erhöhen. Sie werden ihre Internationalisierungsanstrengungen intensivieren, da der Marktzutritt im Ausland verbessert wird. Freihandelsabkommen sind besonders attraktiv für exportorientierte Subbranchen (z.B. Käse, Milchprodukte), wenn vorübergehend Vorteile gegenüber der Konkurrenz aus der EU entstehen. Eine generelle Quantifizierung der Beschäftigungswirkungen ist schwierig, da sie von den konkreten Freihandelsabkommen abhängen. Falls der Freihandelspartner für Schweizer Produkte ein attraktiver Markt ist und die Importkonkurrenz aus diesem Land begrenzt ist, kann die Beschäftigung in der Branche jedoch leicht zunehmen.
Freihandelsabkommen mit der EU bei Agrargütern und Lebensmitteln
Bei diesem Szenario ist ein ausgeprägter Strukturwandel innerhalb der Nahrungsmittelindustrie wahrscheinlich. Eine Marktöffnung zur EU führt zu einer starken Importkonkurrenz bei bislang geschützten Bereichen (z.B. Gemüse-, Kartoffel- und Ölsaatenverarbeitung). Demgegenüber profitieren exportorientierte Unternehmen. Zusätzliche Exportmöglichkeiten entstehen durch den Zollabbau u.a. bei Molkereiprodukten und bei Fleischspezialitäten. In anderen wichtigen Bereichen ist der Marktzutritt zur EU jedoch bereits weitgehend frei (z.B. Käse, Schokolade, Getränke, Kaffee).
Bei einer Einführung des Freihandels mit der EU ist zunächst ein Beschäftigungsabbau wahrscheinlich. Denn der Schrumpfungsprozess verläuft in der Regel schneller als die Erschliessung neuer Märkte, wobei diese Prozesse auch von der Geschwindigkeit der Öffnung beeinflusst werden. Langfristig ist damit zu rechnen, dass die Beschäftigungseffekte der exportorientierten Unternehmen die Stellenverluste teilweise oder im besten Fall vollständig kompensieren. Diese Veränderungen innerhalb der Branche gehen einher mit stärkeren Preiseffekten, welche die Konsumentinnen und Konsumenten begünstigen und den Einkaufstourismus mildern. Diese Auswirkungen wurden im Rahmen dieser Studie allerdings nicht untersucht.
Weitere Auskünfte:
Moser Peter, Prof., Dr. oec. HSG
T +41 81 286 37 73
peter.moser@htwchur.ch
Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur ist eine innovative und unternehmerische Hochschule mit rund 1600 Studierenden. Sie bildet verantwortungsvolle Fach- und Führungskräfte aus. Als regional verankerte Fachhochschule überzeugt die HTW Chur mit ihrer persönlichen Atmosphäre über die Kantons- und Landesgrenze hinaus. Mit ihrer angewandten Forschung trägt sie zu Innovationen, Wissen und Lösungen für die Gesellschaft bei. Die HTW Chur bietet Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengänge in den Disziplinen Architektur, Bauingenieurwesen, Digital Science, Management, Multimedia Production, Photonics, Technik sowie Tourismus an. Die HTW Chur betreibt in allen Disziplinen angewandte Forschung und Entwicklung, führt Beratungen durch und bietet Dienstleistungen an. «Recognised for Excellence» mit vier Sternen im EFQM-Modell bestätigen die ganzheitliche Entwicklung der Fachhochschule. Die Fachhochschule ist zudem ISO 9001 und ISO 29990 zertifiziert. Als erste öffentliche Schweizer Hochschule ist die HTW Chur 2009 der Initiative der Vereinten Nationen für verantwortungsvolle Ausbildung, den UN Principles for Responsible Management Education, beigetreten. Die Bündner Fachhochschule ist seit dem Jahr 2000 Teil der FHO Fachhochschule Ostschweiz. Bereits 1963 begann aber die Geschichte der HTW Chur mit der Gründung des Abendtechnikums Chur.
Weitere Informationen:
http://'Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) der HTW Chur - http://www.htwchur.ch/forschung-und-dienstleistung/themenschwerpunkt-lebensraum/zentrum-fuer-wirtschaftspolitische-forschung-zwf.html'
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