Das Gesicht des Anderen. Poetik und Politik der Empathie im 21. Jahrhundert
Nach welchen Kriterien konstruieren wir Gesichter als vertraut oder fremd? Das interdisziplinäre Symposium diskutiert den Stellenwert von Empathie in der globalisierten Migrationsgesellschaft.
Die Tagung findet statt im Rahmen der Sonderausstellung des Deutschen Hygiene-Museums „Das Gesicht. Eine Spurensuche“ (19. August 2017 bis 25. Februar 2018)
04. und 05. Oktober 2017, Mittwoch und Donnerstag, ganztägig
Deutsches Hygiene-Museum, 01069 Dresden
Das Gesicht ist ein entscheidender Schauplatz des Verstehens und der Affekte gegenüber dem und den Anderen. Welche Rolle spielt die Begegnung von Angesicht zu Angesicht für die Einübung von Empathie? Wie entstehen Fremdheit und Vertrautheit von Gesichtern im Zeitalter zunehmend medial vermittelter Interaktion? Das Symposium erörtert diese Fragen aus entwicklungspsychologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive im Blick auf die Politik des Zusammenlebens in der globalisierten Migrationsgesellschaft.
Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf die Bedingungen einer gelingenden sozialen Kultur. Im Zeitalter der Globalisierung scheint Empathie als grundlegende Kompetenz menschlichen Miteinanders gefragter denn je. Nur wer die Erfahrungen und Herausforderungen eines fremden Lebens verstehen und dessen Bedürfnisse nachempfinden kann, wird die Konfrontation mit kulturellen und sozialen Divergenzen ein- wie wertschätzen können. Andererseits finden in der Mediengesellschaft menschliche Begegnungen oftmals indirekt, vermittelt durch standardisierte Bildwelten statt. Kann man sich menschliches Leid – sei es das von nebenan oder in weit entfernten Teilen der Welt – nur schwer vorstellen, wenn man die Betroffenen lediglich auf Fotografien oder in Filmaufnahmen sieht? Und wie stark ist unser Umgang mit fremden Gesichtern von tradierten Bild- und Diskursmustern geprägt? Klar scheint: In der alltäglichen Berichterstattung nutzt sich die Eindrücklichkeit von Bildern ab. Hat Mitmenschlichkeit ohne direkte Begegnung eine Chance? Wieviel Auseinandersetzung braucht und wieviel Kontroverse verträgt der Umgang mit unterschiedlichen Lebensformen? Aus anthropologischer, philosophischer und psychologischer Perspektive stellt sich die brisante Frage: Ist Empathie eine unausgeschöpfte Ressource und Chance?
Oder ist die Forderung nach mehr Empathie vor allem ein Regulativ der überforderten Migrationsgesellschaft und ein Ergebnis des Mangels an politischen Instrumenten und sozialen Visionen des weltweiten Zusammenlebens?
TAGUNGSPROGRAMM
Mittwoch, 4. Oktober
13:30 Uhr : Führung durch die Ausstellung „Das Gesicht. Eine Spurensuche“ mit der Kuratorin Kathrin Meyer
15 Uhr:
Begrüßung: Gisela Staupe, Stellvertretende Direktorin Deutsches Hygiene-Museum
Einführung: Sigrid Weigel, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Berlin
PANEL I. Begegnungen mit dem Anderen. Begegnungen mit den Anderen
15:45 Uhr: Fremde Gesichter: Kulturtechniken der Begegnung
Thomas Macho, Kulturwissenschaftler, Direktor des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften, Kunstuniversität Linz in Wien
16:45: Kaffeepause
17 Uhr: Die Begegnung mit dem Anderen // Psychoanalytische Beobachtungen mit Geflüchteten
Marianne Leuzinger-Bohleber, Psychoanalytikerin, Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt a. M.
18 Uhr : Pause und Abendessen
20 Uhr : Public talk: Our Violence is Your Violence // Transcultural theatre as a provocation of empathy
Theatre director Oliver Frljic in conversation with Günther Heeg, theatre scholar, Universität Leipzig
Donnerstag, 5. Oktober
PANNEL II: Face to Face: Mimik und Gesicht in der sozialen Interaktion
9 Uhr:
Mutter-Kind-Interaktion in der Leistungsgesellschaft
Rolf Haubl, Psychologe, Germanist, Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt a. M.
Eingriffe an Form und Funktion des Gesichts und deren Bedeutung für die mimische Interaktion der Patienten
Katja Schwenzer-Zimmerer, Professorin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Medizinische Universität Graz
11 Uhr:Kaffeepause
PANEL III. Gesichter sehen
11:15 Uhr:
Der Alterisierung begegnen: Fotografische Porträts im Kontext der „Flüchtlingskrise“
Susanne Holschbach, Medientheoretikerin, Universität der Künste, Berlin
Das verschleierte Gesicht in Tradition, Kunst und Mode
Tatjana Petzer, Literaturwissenschaftlerin und Slawistin, Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
13:15 Uhr: Pause und Mittagessen
PANEL IV: Das Gesicht des Anderen im Brennpunkt gesellschaftspolitischer Konflikte
14:15 Uhr:
Empathie und ihre Grenzen: Die „muslimische Frage“ in Europa
Schirin Amir-Moazami, Islamwissenschaftlerin, Freie Universität Berlin
Flüchtlinge – Möglichkeiten und Grenzen der Akzeptanz
Jürgen Friedrichs, Soziologe, Köln
16:15 Uhr: Kaffeepause
16:30 Uhr: Schlussrunde: Resümees und Ausblick
Moderation aller Panels
Sigrid Weigel, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Berlin
Jeanne Bindernagel, Deutsches Hygiene-Museum
Tagungsort
Deutsches Hygiene-Museum
Lingnerplatz 1 01069 Dresden
Anmeldung bis zum 30. September 2017
an veranstaltungen@dhmd.de
Tagungsgebühr:
18 Euro 12 Euro für Schüler_innen, Studierende bis 35 Jahre, Auszubildende, Personen im BFD bzw. FSJ, Bezieher_innen von ALG II, Personen mit einer Behinderung von mind. 80 %, Asylbewerber_innen sowie Inhaber_innen einer Museumsjahreskarte
Ihre Anmeldung wird wirksam mit Überweisung des Teilnahmebeitrages auf folgendes Konto:
IBAN: DE75 8505 0300 3150 0106 07
BIC: oSDDDE81XXX
Verwendungszweck: Name der/des Teilnehmenden
Das Gesicht des Anderen
www.dhmd.de/symposium
Begleitpublikation zur Ausstellung: Das Gesicht. Bilder – Medien – Formate
Herausgegeben von Sigrid Weigel für das Deutsche Hygiene-Museum
Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ca. 200 Seiten, ca. 24,90 €
Weitere Informationen:
http://www.dhmd.de/symposium