Ein Plädoyer für die Klassiker der BWL
Regensburger Wirtschaftswissenschaftler betonen den Stellenwert ihrer Klassiker für das BWL-Studium
Es wirkt in Zeiten von Livestream-Vorlesungen, Inverted Classrooms, Transfer Credits und Blended Learning etwas ungewöhnlich, wenn zwei Nachwuchswissenschaftler mit Nachdruck auf den Wert klassischer, häufig jahrzehntealter Bücher und Artikel hinweisen: Auch der moderne Studierende, der Tablet, e-learning und digitale Lernumgebungen gewohnt ist, solle doch mal einen Klassiker wie „Administrative Behavior“ (1947), „Organizations in Action“ (1967) oder „Toyota Production System“ (1988) zur Hand nehmen und aufmerksam lesen. „Ein ganzes Buch von vorne bis hinten lesen?“ – eine Zumutung?
Gerade wegen dieser häufig anzutreffenden Wahrnehmung war es ein Anliegen der beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Christian Brabänder und Maximilian A. Lukesch am Lehrstuhl für Controlling und Logistik der Universität Regensburg, den Stellenwert der BWL-Klassiker für das Studium herauszustellen. In ihrer Veröffentlichung zeigen sie schrittweise auf, weshalb es auch heutzutage noch äußerst wertvoll ist, Klassiker zu studieren: Denn die in ihnen formulierten Einsichten und Empfehlungen sind auch heute noch gültig und können zur praktischen Anwendung kommen. Diesen Anspruch vertreten sie auch in der Lehre: Neben e-learning, Softwareunterstützung und interaktiven Lehr-Lernmethoden zählt das Selbststudium empfohlener klassischer Literatur auch 2017 noch zu den Lehrmethoden des Lehrstuhls.
In ihrer aktuellen Veröffentlichung zeigen die Autoren, was sie mit dem Begriff „Klassiker“ meinen und auf welche Weise deren Lektüre dem Studierenden zugutekommt. Ein Klassiker definiert sich nicht über sein Alter, sondern über die Zeitlosigkeit, Andersartigkeit und Erfolgsnachhaltigkeit seines Inhalts. Ein Buch, das sich mit der Informationstechnik der 1940er-Jahre beschäftigt, kann somit nie zu einem Klassiker werden – ebensowenig eines, welches nie in größerem Rahmen von Wissenschaft und Praxis rezipiert wurde. Zeitlosigkeit meint die Erschließung prototypischer, fundamentaler Probleme des Fachs. Andersartigkeit bezieht sich auf den „Game Changer“-Charakter des Klassikers, der einen anderen Weg als seine Zeitgenossen gedacht hat. Die Erfolgsnachhaltigkeit beschreibt, ob es dem Werk gelungen ist, die BWL nachhaltig zu beeinflussen und auch lange nach Erscheinen als Primärquelle der Forschung zu dienen. In seiner Funktion setzt ein Klassiker daher Grenzsteine, hinter die die Disziplin nicht mehr zurückfallen soll.
Die Verfasser setzen daraufhin den Fokus auf den Studierenden: Wieso lohnt es sich für sein Kompetenzprofil, diese Klassiker zu lesen? Und: Gibt es empfohlene Herangehensweisen an das Klassiker-Studium? Mit Bezug auf die durch den Bologna-Prozess formulierte Kompetenzorientierung des Studiums weisen die Autoren darauf hin, dass das Verständnis der fundamentalen Fragen und Einsichten das fachliche Arsenal des Studierenden mit faktischen und methodischen Kompetenzen füllen. Er lernt Fakten (Fragen, Problemdefinitionen, Metaphern, Analysen, Schlussfolgerungen und Lösungsansätze) und die vom Autor angewandten Methoden kennen. Das faktische und das methodische Lernen erzeugen gemeinsam ein fachübergreifendes Netz von Wissen, das sich über die im regulären Studiencurriculum gelernten Inhalte legt. Ein erschlossener Klassiker erlaubt es dem Studierenden, betriebswirtschaftliche Grundprobleme zu beschreiben und zu lösen. Hat ein Studierender die Kompetenz erworben, durch die Augen vieler klassischer Autoren zu blicken, fällt es ihm leicht, eben diese Grundprobleme wiederzuerkennen, zu analysieren und Handlungsalternativen für Forschung und Praxis zu erstellen.
Solche ausgezeichneten Texte zu finden, ist freilich nicht einfach. Die Autoren erklären daher, wie geeignete Texte zu finden und zu bearbeiten sind. Es werden stets hilfreiche Beispiele aus der Betriebswirtschaft mitgeliefert, die in ausgewählten Teilen tatsächlich Teil des Lehrcurriculums des Lehrstuhls sind. Dabei sprechen die Autoren sowohl den idealistischen als auch den pragmatischen Studierenden an.
Die Veröffentlichung zeigt, dass die mit der Lehre betrauten Wissenschaftler nicht nur viel Zeit in die eigene hochschuldidaktischen Ausbildung investieren, sondern sich für eine Integration von bewährten und innovativen Lehr-Lern-Methoden im Studium einsetzen. Der Aufsatz ist in der Fachzeitschrift „Der Betriebswirt“ veröffentlicht worden. Publikation: Brabänder, C., Lukesch, M. A. (2017). Ein Plädoyer für die Klassiker, in: Der Betriebswirt, 2/2017:22-26.
Ansprechpartner für Medienvertreter:
Universität Regensburg
Maximilian Lukesch, M. Sc. / MBA
am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre I, insbesondere Controlling und Logistik
Telefon: 0941 943-2688
E-Mail: maximilian.lukesch@ur.de
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