Aktuelle Forschung (Oktober 2017)
In der zweiten Ausgabe seines Forschungsnewsletters „Aktuelle Forschung“, mit dem das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb Medienvertretern in regelmäßigen Abständen ausgewählte aktuelle Forschungsaktivitäten vorstellt, wird über folgende Themen berichtet:
AKTUELLES
Zugang zu Daten aus der eigenen Forschung
Die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung des Instituts stellt ab sofort externen Forschern Daten aus der eigenen Forschung zur Verfügung: Den PatVal1-EU Befragungsdatensatz, die Clean Tech-Erfinderbefragung und den Patentdatensatz, den Datensatz zu Patentrechtsstreitigkeiten sowie den Datensatz zu Patenttransfers. Die Daten können entweder lokal am Institut eingesehen oder in Verbindung mit Open Access-Publikationen im Online-Datenrepositorium auf der Instituts-Website abgerufen werden.
http://www.ip.mpg.de/de/forschung/innovation-and-entrepreneurship-research/datenzugang.html
Start von drei Doktoranden im Rahmen des EIPIN European Joint Doctorate
Die Italienerin Letizia Tomada, der Italiener Niccolò Galli und der Spanier Vicente Zafrilla starteten am 1. September ihren dreijährigen Forschungsaufenthalt am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb im Rahmen eines Stipendiums des EIPIN European Joint Doctorate. Während Tomadas Forschungen das Thema „The Impact of the Unified Patent Court on innovative start-ups in the European Single Market“ zum Gegenstand haben, widmet sich Galli der Materie „Predatory Patent Litigation in the European Competition Law Context“ und beschäftigt sich Zafrilla mit der Fragestellung „Essential patents over-declaration in standards: an anticompetitive conduct?“. Das EIPIN (European Intellectual Property Institutes Network) hatte sich Anfang 2016 mit dem Konzept „Innovation Society“ auf eine entsprechende Ausschreibung der EU im Rahmen des Horizon 2020-Programms beworben und im Mai 2016 die Zusage zur Förderung eines gemeinsamen Europäischen Promotionsprogramms (European Joint Doctorate) erhalten.
EIPIN-Antrag auf Förderung eines europäischen Promotionsprogramms erfolgreich: http://www.ip.mpg.de/de/das-institut/meldungen-aus-dem-institut.html?tx_news_pi1%5BoverwriteDemand%5D%5Bcategories%5D=27&tx_news_pi1%5BoverwriteDemand%5D%5Byear%5D=
POSITIONSPAPIERE
Argumente gegen ein „Dateneigentum“ – 10 Fragen und Antworten
Die Frage, wem Daten „gehören“, hat die Politik erreicht. Sie wird seit einiger Zeit auf europäischer Ebene diskutiert, inzwischen aber auch in Deutschland. So erwägt derzeit beispielsweise das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, ein Dateneigentumsrecht im Zusammenhang mit dem automatisierten und autonomen Fahren einzuführen. Das Thema steht im Zusammenhang mit der Frage, welche möglicherweise neuen Rechtsregeln auf die datengetriebene Wirtschaft – die sogenannte „Industrie 4.0“ – Anwendung finden sollen. Dass sich auch die Politik mit diesen Fragen befasst, ist richtig und wichtig; kurzfristige Festlegungen sind jedoch nicht angezeigt, sondern könnten Fehlentwicklungen begünstigen.
Stellungnahme zur vorgeschlagenen Modernisierung des EU-Urheberrechts
In der letzten Ausgabe unseres Newsletters berichteten wir über die Arbeiten des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb an einer Stellungnahme, in der die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Modernisierung des EU-Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt dahingehend untersucht werden, ob sie zur Umsetzung der angestrebten Ziele geeignet sind. Zur Behebung gewisser identifizierter Defizite werden alternative Vorschläge unterbreitet. Die aus acht Teilen bestehende Stellungnahme ist nun fertiggestellt und über die Institutswebsite abrufbar bzw. als E-Book verfügbar. Hinweis: Von den Teilen B (Kapitel 1 und 2), G und H liegt neben der englischen auch eine deutsche Sprachversion vor (s. E-Book Seiten 124 ff.).
http://www.ip.mpg.de/de/projekte/details/modernisierung-des-eu-urheberrechts.html
PUBLIKATIONEN
Der Schutz des Lieferanten als Marktgegenseite im Kartellrecht (Markus Raeder)
Eine Pflichtlektüre für alle, die die Edeka-Tengelmann Fusion verfolgen. Und für alle Kartellrechtler, die mit vorgelagerten Märkten und Nachfragemacht zu tun haben. Neben dem Einzelhandel und Zuliefermärkten ist auch die öffentliche Hand eine typische Fallgruppe von Nachfragemacht. Der Autor beleuchtet den Schutz des Lieferanten im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Kartellrecht.
Bedrohung der Meinungsvielfalt durch Algorithmen – wie weit reichen die Mittel der Medienregulierung? (Josef Drexl)
Die Geschäftsmodelle von Intermediären in Bezug auf die Verbreitung von Nachrichten über das Internet sind spätestens seit dem Brexit-Referendum im Vereinigten Königreich sowie der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA in die Kritik geraten. Nach aktuellen Forschungen tragen nicht zuletzt die Geschäftsmodelle von sozialen Plattformen zur Herausbildung von sogenannten „Filterblasen“ und „Echokammern“ bei, in denen politisch Gleichgesinnte Nachrichten und politische Ansichten austauschen, sich in ihren eigenen Grundeinstellungen bestärken und schließlich radikalisieren. Mit dem Vorschlag zu einem Netzwerkdurchsetzungsgesetz liegt nunmehr in Deutschland auch ein Gesetzesvorschlag vor, der einen Aspekt der Nachrichtenvermittlung über soziale Plattformen regelt. Der Beitrag geht umfassend der Frage nach einer medienrechtlichen Regulierung der Geschäftsmodelle der Internetintermediäre nach. Dabei wird besonders das Geschäftsmodell von Facebook als der in Deutschland wichtigsten sozialen Plattform berücksichtigt.
https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata%2fzeits%2fZUM%2f2017%2fcont%2fZUM%2e2017%2e529%2e1%2ehtm
The Effect of Compliance Time in Patent Examination: An Experimental Study (Sven Fischer, Marco Kleine, Daniel John Zizzo)
Im Rahmen von ökonomischen Entscheidungsexperimenten wird untersucht, ob die Länge von Entscheidungszeiten im Patentprüfungsprozess Entscheidungen von Antragstellern beeinflusst. In den stilisierten Experimenten, durchgeführt mit Studenten sowie Fachleuten aus dem Bereich Intellectual Property, treffen Teilnehmer Entscheidungen in der Rolle von Patentantragstellern. In Analogie zum Patentprüfungsprozess erhalten sie potentiell aufschlussreiches, aber unvollständiges Feedback zu den Erfolgsaussichten ihres Patentantrags. Die Zeit, die den Teilnehmern im Anschluss zur Vervollständigung und weiteren Bearbeitung ihres Patentantrags zur Verfügung steht, wird variiert – entweder eine, drei oder sechs Wochen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Teilnehmer beim Abwägen, ob sie den Antrag weiterverfolgen und -bearbeiten wollen, bei langen Entscheidungszeiträumen die besseren Entscheidungen treffen als bei kurzen.
A Novel Technology-Industry Concordance Table Based on Linked Inventor-Establishment Data (Matthias Dorner, Dietmar Harhoff)
Für empirische Arbeiten zu Innovation und industrieller Entwicklung sowie für die Erstellung statistischer Indikatoren ist oftmals die Verknüpfung von Industriedaten mit aus Patenten abgeleiteten Technologiedaten erforderlich. Industrie- und Technologiedaten sind jedoch nicht kompatibel, weshalb Anwender sogenannte Konkordanztabellen zwischen beiden Datenwelten benötigen. Der Forschungsbericht stellt einen neuartigen Ansatz zur Generierung solcher Tabellen vor: Anstelle der üblicherweise verwendeten Firmendaten basiert der Ansatz auf verknüpften Erfinder-Betriebs-Daten. Die Daten entstanden in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) durch die Verknüpfung von Patenten mit Sozialversicherungsdaten auf der Ebene von Erfindern bzw. Beschäftigten. Darin enthalten sind Angaben zu rund 236.000 Patenten, die von Erfindern in Deutschland zwischen 1999 und 2011 beim Europäischen Patentamt angemeldet wurden. Die auf diese Art erzeugten Konkordanztabellen beschreiben die Verteilung von Industrien, die zur Patentierung bestimmter Technologien beitragen. Daraus lassen sich anschließend die wichtigsten Herkunftsindustrien von Technologien bestimmen. Anwender in der Wissenschaft und bei statistischen Ämtern bekommen mit den neuartigen Konkordanztabellen ein Instrument an die Hand, mit dem sie beispielsweise die Zahl von Patenten nach Technologien einfach und präzise in nach Industrien (gemäß der NACE-Klassifikation von EUROSTAT) gegliederte Daten (und vice versa) überführen können. Die Methode leistet damit einen Beitrag zur Erstellung und Verknüpfung von Daten, anhand derer u. a. die industrielle Herkunft von Technologien zukünftig besser untersucht werden kann.
Weitere Publikationen
Publikationen aus der rechtswissenschaftlichen Forschung:
Publikationen aus der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung:
Max Planck Institute for Innovation and Competition Research Paper Series (SSRN):
https://papers.ssrn.com/sol3/sample_issues/1281188_CMBO.html
Zeitschriften
International Review of Intellectual Property and Competition Law (IIC):
Da in der Vergangenheit immer wieder hochwertige Inhalte abgewiesen werden mussten, hat die Redaktion eine häufigere Erscheinungsweise beschlossen. Ab 2018 wird „IIC“ neun- statt, wie bisher, achtmal jährlich erscheinen. Die erste Ausgabe erscheint daher bereits im Januar statt, wie bisher, im Februar.
http://www.ip.mpg.de/de/publikationen/zeitschriften.html
VERANSTALTUNGSRÜCKBLICK
Munich Summer Institute 2017 (München, 29.-31.05.17)
Vom 29. bis 31. Mai 2017 fand das gemeinsam vom Center for Law & Economics an der ETH Zurich, dem Institute for Strategy, Technology and Organization an der Ludwig-Maximilians-Universität München und vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb organisierte zweite „Munich Summer Institute“ statt. Das „Summer Institute 2017” legte den Schwerpunkt auf drei Bereiche: Digitalisierung, Strategie und Organisation (Vorsitz: Jörg Claussen und Tobias Kretschmer), Innovation and Entrepreneurship (Vorsitz: Dietmar Harhoff) sowie Law & Economics of Intellectual Property and Innovation (Vorsitz: Stefan Bechtold).
http://munich-summer-institute.org/past-conferences/
Workshop „Internet of Things (IoT) Connectivity Standards“ (München, 25.04.17)
Am 25. April 2017 organisierte das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb den Workshop „Internet of Things (IoT) Connectivity Standards“. Der Workshop war der erste einer Serie im Rahmen des Forschungsprojekts „Standards für das Internet der Dinge“. Mit der Workshop-Serie beabsichtigt das Institut zum einen, mit Experten und Praktikern darüber zu diskutieren, in welche Richtung sich das Internet der Dinge im Hinblick auf die Standardisierung entwickeln wird, und zum anderen, ökonomische und regulatorische Implikationen dieser Veränderungen zu identifizieren.
Workshop „European Intellectual Property Rights and Jurisdiction in Need of a Grand Design?” (Berlin, 16.-18.03.17)
Vom 16. bis 18. März 2017 veranstaltete das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb den Workshop „European Intellectual Property Rights and Jurisdiction in Need of a Grand Design?” in Berlin. Ziel der Veranstaltung mit 40 Experten aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Italien, Dänemark, Polen, Österreich, Großbritannien, der Schweiz und den USA war es, Defizite und Forschungsperspektiven für die weitere Entwicklung der Gerichtsbarkeit in der EU zu identifizieren.
TERMINE
WIPO ADR Workshop 2017 (München, 09.-10.11.17)
In Kooperation mit der WIPO, der LES und dem Munich IPDR Forum veranstaltet das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb am 9. und 10. November 2017 den „WIPO ADR Workshop 2017“. Der Workshop wird sowohl wissenschaftlichen als auch Schulungscharakter haben. Am ersten Tag sollen insbesondere allgemeine, für IP-Streitigkeiten bedeutsame schiedsrechtliche und mediationsbezogene Grundfragen behandelt werden. Der Schwerpunkt des zweiten Tages wird auf Streitigkeiten um die Bemessung von FRAND-Lizenzgebühren bei der Nutzung standardessentieller Patente liegen.
AUSZEICHNUNGEN
Fabian Gaessler mit der „Otto-Hahn-Medaille“ der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet
Michael Mödl erhält den „Steven Klepper Award for Best Young Scholar Paper“ auf der DRUID17 Conference
WISSENSCHAFTLER IM PORTRÄT
Interview mit Roland Stürz, wissenschaftlicher Referent, Abteilung „Innovation and Entrepreneurship Research“
Herr Stürz, woran forschen Sie gerade?
Zur Zeit arbeite ich mit Kollegen der ökonomischen und juristischen Abteilung an einem Forschungsprojekt, bei dem es darum geht, das Verhalten von deutschen Internetnutzern repräsentativ bezüglich urheberrechtlich geschützter digitaler Inhalte, wie Musik oder Filme, zu erfassen. Dazu haben wir mit Hilfe eines Marktforschungsinstitutes in den letzten Monaten mehr als 5.500 Personen in Deutschland bezüglich ihres Online-Nutzungsverhaltens, ihrer Ausgaben für Online-Inhalte und ihrer Einstellung zu Urheberrechtsverletzungen im Internet befragt. Derzeit befinden wir uns in der Auswertung der umfassenden Daten.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Forschung?
Ziel meiner Forschung ist unabhängig und frei von bestimmten Interessen zu erfassen, wie verbreitet das Phänomen von Urheberrechtsverletzungen im Internet ist und welche Ursachen hinter urheberrechtsverletzendem Verhalten stecken. Damit lassen sich dann auch bestimmte Stellschrauben identifizieren, mit denen sich Urheberrechtsverletzungen in der Zukunft möglichweise einschränken lassen. So zeigt sich z. B. – und damit greife ich unserem demnächst erscheinenden ersten Ergebnisbericht vor –, dass u. a. auch die mangelnde Verfügbarkeit legaler Angebote von Verbrauchen als Grund für ihr illegales Verhalten ins Feld geführt wird, oder dass sie bestehende legale Angebote für nicht gut und flexibel genug halten.
Wie sieht eine ganz normale Woche am Institut aus?
Meine Tätigkeit am Institut ist sehr abwechslungsreich, was die Arbeit sehr spannend macht, gleichzeitig aber auch bedingt, dass es eine ganz normale Woche so nicht gibt. Zurzeit liegt mein Hauptaugenmerk auf letzten Abstimmungen bezüglich der Daten mit dem Marktforschungsinstitut und der Datenauswertung. Hier spreche ich derzeit vor allem in der ökonomischen Abteilung die Methoden und das Vorgehen mit Kollegen und unserem Direktor ab und erstelle mit Hilfe von Statistik-Software entsprechende Auswertungen. Sobald die Ergebnisse und Indikatoren stehen, sind dann bei der Präsentation und Erläuterung selbiger wieder ganz andere Aufgabenstellungen vorhanden. Man sieht also, es wird nie langweilig.
http://www.ip.mpg.de/de/personen/stuerz-roland.html
DAS INSTITUT IN DEN MEDIEN
Daten zu verkaufen. Die Politik will Eigentumsrechte schaffen und Informationen zum handelbaren Gut machen – ein riskanter Vorstoß (Gastbeitrag von Reto M. Hilty, Süddeutsche Zeitung, 11.09.17)
ÜBER DAS MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR INNOVATION UND WETTBEWERB
Im Mittelpunkt der Forschung am Institut stehen die Erforschung von Innovations- und Wettbewerbsprozessen sowie die Erarbeitung von Vorschlägen für die Gestaltung der Rahmenbedingungen für diese Prozesse. Die Forschungsfragen werden in einer rechtswissenschaftlichen und einer wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung untersucht. Das Institut wurde im Jahr 1966 als Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht gegründet. Nach der Einrichtung einer neuen wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung wurde es im Jahr 2013 in Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb umbenannt.
Das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb ist eines von 83 Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, eine von Deutschlands führenden Forschungsorganisationen. In der Auswahl und Durchführung ihrer Forschungsaufgaben sind die Max-Planck-Institute frei und unabhängig. Sie verfügen daher über einen eigenen, selbst verwalteten Haushalt, der durch Projektmittel von dritter Seite ergänzt werden kann. Die Forschung am Institut muss den wissenschaftlichen Exzellenzkriterien der Max-Planck-Gesellschaft genügen, was durch regelmäßige Evaluation überprüft wird.