Hohe Heilungschancen bei Lymphomen im Kindesalter
90-prozentige Therapieerfolge bei Ersterkrankungen / Zentrale Gewebearchivierung von großer Bedeutung / Seltene Erkrankungen: Themenschwerpunkt auf der Jahrestagung 2018 der Deutschen Gesellschaft für Pathologie
Rund 250 Kinder und Jugendliche erkranken jährlich neu an malignen Lymphomen. Diese Krebserkrankungen, die von Zellen des lymphatischen Systems ausgehen und sich hauptsächlich durch Schwellungen der Lymphknoten äußern, sind mit rund elf Prozent die dritthäufigsten Krebserkrankungen bei jungen Patienten. Unterschieden werden sie in die beiden Gruppen der Hodgkin-Lymphome (Morbus Hodgkin), die etwa 45 Prozent ausmachen, und der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), auf die etwa 55 Prozent entfallen.
„Da die Lymphome meist den ganzen Körper betreffen, werden sie auch als systemische Erkrankungen bezeichnet“, erklärt PD Dr. Ilske Oschlies, Oberärztin am Institut für Pathologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel. „Diese Erkrankungen, die sich zudem in zahlreiche Subtypen gliedern, gehören zu den seltenen Erkrankungen. Positiv ist, dass etwa 90 Prozent der Ersterkrankungen von kindlichen Lymphomen geheilt werden können.“
Expertise in fünf Referenzzentren
Bei Verdacht auf ein Lymphom werden Kinder und Jugendliche an spezialisierte Zentren überwiesen und im Rahmen von Protokollen nationaler klinischer Studiengruppen über viele Jahre betreut. „Aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen muss die Diagnose durch eine Referenzdiagnostik erfahrener Spezialisten abgesichert werden“, betont die Pathologin. „Noch wichtiger ist es, dass das rare Tumormaterial zentral gesammelt und analysiert wird. Nur so kann translationale Medizin gewährleistet werden, damit in der interdisziplinären Vernetzung neueste Forschungsergebnisse unmittelbar in die klinische Praxis fließen.“
Die Spezialistin appelliert an alle Kolleginnen und Kollegen: „Durch die wenigen Fälle ist das Gewebematerial ausgesprochen wertvoll. Wir brauchen hier die Kooperation aller pathologischen Institute und bitten darum, zum Beispiel auch Gewebe von Rezidiven nicht im eigenen Institut zu lagern, sondern zur zentralen Auswertung und für Studienzwecke an eines der fünf pädiatrischen Referenzzentren, koordiniert durch das Zentrum in Kiel, zu schicken. Über 50 Prozent des kindlichen Lymphom-Materials der letzten 30 Jahre wird übrigens in Kiel archiviert und wissenschaftlich bearbeitet.“
Unterschiede zwischen Lymphomen im Kindes- und Erwachsenenalter
„Lymphome von Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich deutlich von denen im Erwachsenenalter. Gleiche Typen weisen eine andere Biologie auf und haben meist eine bessere Prognose“, sagt Dr. Oschlies. „Beim follikulären Lymphom beispielsweise, bei dem sich genetisch veränderte B-Lymphozyten unkontrolliert vermehren, haben wir durch die Forschung der letzten Jahre gelernt, dass die Erkrankung bei Kindern ganz anders verläuft als die gleichnamige Erkrankung bei Erwachsenen. So kann dieses Lymphom bei jungen Patienten nach der Resektion nur beobachtet werden. Jahrelange Forschungen unter Auswertung internationaler Daten haben gezeigt, dass eine chemotherapeutische Behandlung, wie sie früher durchgeführt wurde, in diesen speziellen Fällen nicht erforderlich ist. Durch gleichartige Erkenntnisse auch für andere Lymphom-Subtypen können wir manchen jungen Menschen mit diesem Krankheitsbild heute die Nebenwirkungen und Spätfolgen wie beispielsweise Knochennekrosen durch hochtoxische Therapien ersparen.“
Die Forschung arbeitet konzentriert daran, die Entstehung und Entwicklung von Tumoren besser zu verstehen. „Wie können wir identisch aussehende Tumoren unterscheiden, wie Therapien optimieren und welche Tumoren bilden auch heutzutage noch oft fatal verlaufende Rezidive aus – das sind einige der zentralen Fragen, auf die wir Antworten suchen“, führt die Kieler Pathologin aus.
Ziel: Molekulares Profil auf Basis von paraffinfixiertem Material erstellen
Große Hoffnungen weckt das relativ junge Verfahren des Next Generation Sequencing. Die parallele Analyse von Panels mit bis zu 160 Genen liefert eine Unmenge an Daten. Diese gilt es in ihrer Bedeutung für die Entstehung und Entwicklung von Tumoren in klinisch-pathologischer Zusammenarbeit zu entschlüsseln und relevante Genveränderungen zu definieren, auf deren Basis dann gezielt Therapien entwickelt werden können. „Noch wirft die Flut an molekularen Daten mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert“, so Dr. Oschlies. „Wir gehen aber davon aus, dass es in etwa fünf Jahren möglich sein wird, auch auf Basis von paraffinfixiertem Material ein molekulares Profil erstellen zu können. Dadurch werden wir dann frühzeitig Hochrisiko-Fälle ausmachen können. Wir werden dann auch sicher mehr darüber wissen, welche immunregulierenden Therapien, die bislang in der Onkologie für Erwachsene eingesetzt werden, auch für Kinderlymphome geeignet sind.“
Seltene Erkrankungen gehören zu den drei Schwerpunktthemen auf der Jahrestagung der 102. Deutschen Gesellschaft für Pathologie vom 24. bis 26. Mai 2018 in Berlin. Auf dem Expertenforum geht es um aktuelle Studienergebnisse und allgemeine Aspekte der besonders seltenen Erkrankungen.
Im Fokus des Kongresses stehen außerdem Fragen der Tumorevolution und Tumorheterogenität sowie die digitale Medizin. Weitere Informationen unter www.pathologie-kongress.com.