Europäisches Projekt zeigt alternative Wege zum Jugendstrafvollzug
Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft untersucht die Fachhochschule Dresden mit insgesamt sieben europäischen Partnern das sozialpädagogische Pilgern als moderne Form der Arbeit mit straffälligen und benachteiligten Jugendlichen. In dem Projekt werden ein dreimonatiger Pilgerweg mit straffälligen Jugendlichen nach Santiago de Compostella und ein kürzeres ähnliches Projekt in Sachsen dokumentiert und verglichen.
Im Rahmen der Projekte gehen straffällige Jugendliche oder junge Erwachsene auf der Grundlage einer richterlichen Weisung mehrere Tage oder Monate auf einem Pilgerweg, um so neue Lebensperspektiven zu entwickeln. Es handelt sich meist um Jugendliche und junge Erwachsene, die bereits mehrere Vorstrafen erhalten haben und die bisher weder durch sozialpädagogische Arbeit noch durch Strafverfahren von delinquentem Verhalten abgehalten werden konnten. Auf dem Weg sind die Jugendlichen und jungen Erwachsenen strengen Regeln unterworfen. So dürfen sie nicht trampen und keine Mobiltelefone benutzen. Auf diese Weise werden sie vollständig von ihrem bisherigen Umfeld isoliert und sind vollkommen auf sich und ihre Begleiter gestellt. Sie erhalten Unterstützung bei der Reflexion ihres bisherigen Verhaltens und der Entwicklung einer eigenen Zukunftsperspektive. In Frankreich und Belgien wird die Methode seit fast 20 Jahren eingesetzt und in dieser Zeit haben ca. 700 Jugendliche den Weg bis nach Santiago de Compostella bewältigt und damit auch die jeweilige Strafe abgegolten. In Sachsen wird im Rahmen des Landesprogrammes „Zwischen den Zeiten“ und gefördert durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz sowie die Kreissparkasse Bautzen ein ähnliches Projekt mit einem kürzeren, einwöchigen Weg durchgeführt. Hier haben seit 2011 ca. 400 Jugendliche ein Stück des europäischen Jacobsweges bewältigt. Etwa 90% aller Teilnehmer halten in den Projekten bis zum Ende des Weges durch und erste Langzeitstudien aus Frankreich deuten darauf hin, dass der Weg sich auch langfristig positiv auf die Teilnehmer auswirkt.
Die Zwischenergebnisse des Projektes werden am 14. März 2018 auf einer Tagung im Deutschen Hygienemuseum vorgestellt. Dort werden die Projekte von Dr. Veronika Hofinger (Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien) in den Kontext der aktuellen Desistance-Forschung eingeordnet und von den Praktikern konkret vorgestellt. Dr. Kay Hemmerling (Landeszentrale für politische Bildung Sachsen) untersucht die Bedeutung des Zwanges als Grundlage sozialpädagogischer Arbeit. Als Beispiel für die eingesetzten Methoden der Moralentwicklung wird darüber hinaus ein Workshop in Anlehnung an die Konstanzer Methode der Dilemmadiskussion (KMDD) durchgeführt. Den Workshop leitet die Pädagogin und (zertifizierte) KMDD-Lehrerin Sieglinde Eichert. Die Methode knüpft an die Erfahrungen mit den Methoden der Moralentwicklung (Kohlberg) während des sozialpädagogischen Pilgerweges in Sachsen an.
Die Tagung wird von der Fachhochschule gemeinsam mit der Sächsischen Jugendstiftung im Rahmen des Projektes „Between Ages: Network for youg offenders and NEET“ organisiert und wird mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Anmeldungen sind noch bis zum 28.02.2018 möglich.
Ein Dokumentationsfilm und erste Berichte sind online verfügbar:
Projektwebsite: http://www.betweenages-project.eu/home.html
Dokumentarfilm: https://www.facebook.com/betweenages/videos/961289784030106/
Tagungsprogramm: http://www.fh-dresden.eu/aktuelles/news/internationale-fachtagung-zum-sozialpadagogischen-pilgern/
Weitere Informationen:
http://www.fh-dresden.eu/aktuelles/news/internationale-fachtagung-zum-sozialpadagogischen-pilgern/