Fraunhofer INT findet bei Tests mit Pikosekundenlaser bisher unentdeckte Einzelteilcheneffekte
Euskirchen – Tests mit dem 2017 am Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT in Betrieb genommenem Pikosekundenlasersystem zeigen Ergebnisse, die bei vergleichbaren Versuchen an Schwerionenbeschleunigern nicht gefunden wurden. Durch die höhere Eindringtiefe des Laserstrahls in elektronische Bauteile können Einschläge von kosmischen Teilchen realitätsgetreuer simuliert und konkretere Empfehlungen für Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Die Testmethoden sind besonders für Luft- und Raumfahrtanwendungen von Bedeutung, da gerade in großen Höhen Elektronik durch kosmische Strahlung gefährdet ist.
Teilchen kosmischer Strahlung aus dem Weltraum können in elektronische Bauteile einschlagen und temporäre oder dauerhafte Fehlfunktionen herbeiführen. Mittels eines Pikosekundenlasers werden diese so genannten Single Event Effects (SEEs) am Fraunhofer INT simuliert und untersucht. Die Untersuchungen zeigten Regionen auf einem elektronischen Bauteil, welche unter Laserbeschuss einen erhöhten Stromfluss, einen Single Event LatchUp (SEL), aufwiesen. Ohne Schutzmaßnahmen können diese SELs dazu führen, dass ein Bauteil durchbrennt und funktionsunfähig wird (Abb. 1 SELs in blau). Es konnte außerdem die genaue räumliche Verteilung von verschiedenen kurzzeitigen Störungen (Transienten) lokalisiert werden, welche zu Fehlern im Bauteil führen können (Abb. 2). Sämtliche SELs sowie einige der Transienten wurden bei vergleichbaren Schwerionentests nicht beobachtet.
Vorteile gegenüber Beschleunigeranlagen
Eine mögliche Erklärung für das Auftreten der ansonsten unentdeckten Effekte ist, dass der Laserstrahl tiefer in das Bauteil eindringt. Bei gängigen Beschleunigeranlagen dringen die Ionen nicht tief genug in das Bauteil ein, um realistische Situationen mit einschlagenden Teilchen zu simulieren. Außerdem werden bei Beschleunigern mehrere tausend Teilchen pro Sekunde auf ein Bauteil geschossen, es ist jedoch nicht steuerbar, wo genau diese einschlagen. Das Ausbleiben von Effekten kann in diesen Fällen folglich daran liegen, dass keins der Teilchen die relevanten empfindlichen Regionen getroffen hat. Dies kann im Betrieb zu folgenschweren Fehlern führen, wenn ein vermeintlich als sicher eingestuftes Bauteil durch einen unerwarteten SEL ausfällt.
Bei Tests mit dem Pikosekundenlaser am Fraunhofer INT kann ein Bauteil dagegen in Schritten von Bruchteilen von Mikrometern mit verschiedenen Laserenergien abgetastet werden. Dadurch kann für jede Regionen des Bauteils festgestellt werden, ab welcher Energie ein Teilchen-induzierter Effekt auftritt. Durch die schrittweise Abtastung wird sichergestellt, dass keine relevante Region und die darin auftretenden Effekte übersehen werden. Die Ergebnisse bilden die Grundlage, um an den betroffenen Stellen Schutzmaßnahmen zu treffen und negative Folgen zu vermeiden.
Bedrohung für die Luft- und Raumfahrt
Ein Beispiel, wie gravierend die Folgen von SEEs sein können, ist der NASA-Satellit IMAGE. 2005 brachen plötzlich sämtliche Verbindungen zur Kommunikation und Steuerung des Satelliten ab, bis ein kanadischer Funkamateur im Januar 2018 überraschend Signale des bis dato verschollenen Satelliten empfing. Laut der NASA war ein SEE verantwortlich. Auch 2008 bei der Notlandung des Qantas Flug 72 wird ein SEE für den unkontrollierten Sturzflug des Flugzeuges mit 119 Verletzten verantwortlich gemacht. Gerade im Kontext von Innovationen wie elektrischem oder autonomem Fliegen stellen Bedrohungen durch SEEs wie der Abbruch des Funkkontaktes, Ausfälle der Steuerung oder vollständige Systemausfälle eine Herausforderung dar und verlangen nach verstärkten Test- und Schutzmaßnahmen.
Das Fraunhofer INT bietet wissenschaftlich fundierte Analyse- und Bewertungsfähigkeit über das gesamte Spektrum technologischer Entwicklungen. Vertieft wird dieser Überblick durch eigene Fachanalysen und -prognosen auf ausgewählten Technologiegebieten und durch eigene theoretische und experimentelle Arbeiten auf dem Gebiet elektromagnetischer und nuklearer Effekte.
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