Lübecker Brahms-Festival thematisiert „Fremde“
Vom 4. bis zum 13. Mai lädt die Musikhochschule Lübeck (MHL) zu ihrem traditionellen Brahms-Festival ein, das sie seit 27 Jahren in jedem Frühjahr veranstaltet. Die 29 Veranstaltungen an mehr als zehn verschiedenen Spielstätten stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Fremde“. Mit dem Semesterstart im April haben über 50 verschiedene Ensembles ihre Proben aufgenommen, die die MHL alljährlich in einen Ausnahmezustand versetzen. Zum Eröffnungskonzert am 5. Mai wird der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther als Grußredner erwartet.
Dozierende, Studierende und Gäste der MHL nähern sich in den Konzerten und moderierten Veranstaltungen dem vielschichtigen Begriff der „Fremde“. Über 200 Interpreten präsentieren Facetten des Mottos, das sich wie ein roter Faden durch die Konzertprogramme zieht. Im Mittelpunkt stehen wenig bekannte Werke, verfremdete Klänge, exotische musikalische Welten und sich fremd gegenüberstehende ästhetische Standpunkte. So erklingen schon im Eröffnungskonzert mit dem MHL-Sinfonieorchester unter Leitung des renommierten Gastdirigenten Lothar Zagrosek mit Hindemiths „Lustiger Sinfonietta“ und Dvořáks „Legenden“ selten aufgeführte Werke und mit „Aisa“ des Kompositionsstudenten Orestis Papaioannou auch eine Uraufführung. Projektleiter und Leiter des Brahms-Instituts an der MHL Prof. Dr. Wolfgang Sandberger betont: „Unser Festival-Motto stellt nicht das Eigene gegen das Fremde, nicht das ‚Wir‘ gegen das ‚Andere‘. Fremdheit ist vielmehr eine gemeinsame menschliche Erfahrung, existenziell und vielschichtig.“
„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“: Diese programmatischen Zeilen aus Franz Schuberts „Winterreise“ stehen am Beginn und am Ende der Festival-Konzerte. Das Motto „Fremde“ konkretisiert sich in der Konzertserie „Begegnungen am Abend“ im Großen Saal der MHL mit den Themen „Indonesien“, „Orient – Okzident“, und „Original und Verfremdung“. Unter dem Motto „Festival − مھرجان“ haben Studierende der MHL, die aus über 40 Nationen nach Lübeck kommen, zudem eine Begegnung mit syrischen Musikern selber konzipiert. In der Konzertserie „Standpunkte am Nachmittag“, die junge Interpreten in der Villa Brahms und erstmals auch im Günter Grass-Haus präsentieren, geht es unter anderem um die Entdeckung der im 19. Jahrhundert als fremd empfundenen alten Musik und um konträre ästhetische Positionen, wie sie sich bei „Brahms und Tschaikowsky“ fremd und jeweils vom anderen unverstanden gegenüberstanden.
Musikpädagogische Projekte unter dem Motto „Edu!cation“ bieten experimentelle Erfahrungen und Mitmachprojekte, zu denen auch ein Konzert im Rahmen der „Tonali“-Tour Norddeutschland gehört. Ein Nachtkonzert würdigt den herausragenden deutschen Komponisten der Avantgarde Bernd Alois Zimmermann, der in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden wäre. Fremd in ihrer Zeit klangen auch Beethovens radikale späte Streichquartette, die in der erfolgreichen moderierten Konzertreihe „Lunchtime-Concerts“ im Museum Behnhaus Drägerhaus erklingen und dem 2017 verstorbenen Kammermusiker Walter Levin gewidmet sind. „Darkroom-Concerts“ mit einem Soundwalk im Dunkeln zu drei geheimen Lübecker Spielstätten schließlich bieten eine ganz eigene Erfahrung der Fremde mitten in Lübeck.
Weitere Informationen:
http://Weitere Informationen zum Programm unter www.brahms-festival.de