Wissenschaftsrat | Programm Forschungsbauten - Qualität und Nachfrage auf hohem Niveau
Die von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) in Auftrag gegebene Evaluation des seit dem Jahr 2007 bestehenden Programms Forschungsbauten und Großgeräte (gem. Art. 91b GG) ist nunmehr mit einem sehr positiven Gesamtergebnis abgeschlossen worden.
In dem Endbericht der interdisziplinär zusammengesetzten Expertenkommission unter Leitung von Professor Jörg Hacker, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, heißt es zusammenfassend: „Die Evaluierungskommission ist der Auffassung, dass die Hochschullandschaft von der Förderung von Forschungsbauten und Großgeräten wesentlich und nachhaltig profitiert. Mit dem Programm können die Hochschulen, wie von Bund und Ländern beabsichtigt, unter deutlich verbesserten Voraussetzungen im Infrastrukturbereich am nationalen und internationalen Wettbewerb in Wissenschaft und Forschung teilnehmen.“
Damit sieht sich der für die Förderempfehlungen im Programmteil Forschungsbauten zuständige Wissenschaftsrat in seiner positiven Analyse der Wirkungen des Programms bestätigt. „Das Programm Forschungsbauten bildet einen wesentlichen Eckstein des Hochschulbaus in Deutschland, denn es ermöglicht die interdisziplinäre Kooperation in spezifisch darauf ausgerichteten Infrastrukturen, die den Hochschulen sonst nicht zur Verfügung stünden“, kommentierte Professorin Martina Brockmeier, Vorsitzende des Wissenschaftsrates, das Ergebnis der Evaluation.
Auch Zahl und Qualität der Anträge, die in der aktuellen Förderphase 2019 zur Förderung empfohlen werden, bestätigen die Bedeutung des Programms für die Länder, für die Hochschulen und für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich in den vielfältigen Forschungsschwerpunkten der Hochschulen – die auch außerhalb der Exzellenzinitiative sichtbare Wirkung entfalten – relevanten Fragestellungen widmen.
Ein Beispiel dafür bieten die Forschungsprogramme der beiden in dieser Förderphase am besten bewerteten Vorhaben:
Die Universität Bremen erhält mit dem Zentrum für Tiefseeforschung (ZfT) neben dem MARUM einen zweiten der Meeresforschung gewidmeten Forschungsbau. In der Tiefsee stehen geologische, physikalische, biologische und chemische Prozesse in einer Wechselwirkung und beeinflussen so das Klimasystem sowie den globalen Kohlenstoffkreislauf. Zudem ist die Tiefsee Ausgangspunkt von Naturgefahren. Der Klimawandel, der Anstieg des Meeresspiegels, die Energiegewinnung aus dem Meer sowie steigende Ressourcennutzung in den Ozeanen stellen die Tiefseeforschung vor neue komplexe Aufgaben. Das ZfT soll durch die Bündelung von Expertisen aus den Bereichen Geosystem-Modellierung, Allgemeine und Marine Geologie, Marine Umwelttechnologie/ Tiefsee-Ingenieurwissenschaften, Marine Sedimentologie, Geotechnik, Paläozeanographie, Organische Geochemie und Ozeanographie sowie durch die Entwicklung von Unterwassertechnologien und Umweltbeobachtungssystemen wissenschaftliche Durchbrüche zu Prozessen in der Tiefsee erlangen, die entsprechendes Handlungswissen bereitstellen. Der Wissenschaftsrat stuft das übergeordnete Ziel des Vorhabens als hoch aktuell und ökonomisch sowie gesellschaftlich besonders relevant ein.
An der Universität Regensburg soll ein Zentrum für ultraschnelle Nanoskopie (Regensburg Center for Ultrafast Nanoscopy (RUN)) entstehen, in dem neue Methoden entwickelt werden, um biologische, chemische oder physikalische Prozesse mit ultraschneller Dynamik analysieren zu können. Moderne Lebens- und Naturwissenschaften sowie Nano- und Biotechnologien sind auf ein detailliertes Verständnis des Nanokosmos angewiesen. Höchstauflösende Mikroskope liefern im Allgemeinen zeitintegrierte Standbilder von den elementaren Bausteinen belebter und unbelebter Materie. Da der Nanokosmos jedoch ständig in Bewegung ist, reichen Standbilder nicht aus, um Kernfragen aktueller Grundlagenforschung zu beantworten. Um etwa Funktionalitäten von Quantenmaterialien und chemische Reaktionen optisch zu kontrollieren oder lebenswichtige Prozesse in der Zelle zu verstehen, muss das Wechselspiel nanoskopischer Bausteine direkt in bewegten Bildern orts- und zeitaufgelöst verfolgt werden. Ziel des Vorhabens ist daher, den Nanokosmos mit zugleich höchster Zeit- und Ortsauflösung im Bereich von Femtosekunden und Nanometern sichtbar zu machen. Letztendlich soll die Vision von „molekularen Filmen“ verwirklicht werden. Damit widmen sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der experimentellen und theoretischen Physik, der Biochemie, der Chemie und der Strukturbiologie einer der großen naturwissenschaftlichen Herausforderungen.
Aufgrund des besonderen Engagements des Bundes können in der aktuellen Förderphase (2019) alle 13 als förderwürdig eingestuften Vorhaben finanziert werden. Sie erfordern Investitionen im Umfang von rd. 510 Mio. Euro und damit mehr als die 426 Mio. Euro, die Bund und Länder im Regelfall für eine Förderphase zur Verfügung stellen. Den hälftigen Anteil an der Differenz stellt der Bund bereit.
Die Vorhaben wurden nach wissenschaftsimmanenten Qualitätskriterien gereiht. Dabei wurden zwei Vorhaben (A–B) der thematisch offenen Linie insgesamt mit „herausragend“, sieben (C–I) mit „sehr gut – herausragend“ und weitere drei (J–L) mit „sehr gut“ bewertet. Diese sowie ein Vorhaben aus der programmatisch-strukturellen Linie „Hochleistungsrechner“, das mit „sehr gut bis herausragend“ bewertet wurde, werden zur Förderung empfohlen:
Thematisch offene Förderung |1
A – B
Universität Bremen: Zentrum für Tiefseeforschung (ZfT)
Universität Regensburg: Regensburg Center for Ultrafast Nanoscopy (RUN)
C – I
Universität Frankfurt (Medizin): Frankfurt Cancer Institut (FCI)
Universität Hannover: Skalierbare Produktionssysteme der Zukunft (scale)
Universität Hohenheim: Center for Livestock Microbiome Research (HoLMiR)
Technische Universität Kaiserslautern: Laboratory for Ultra-Precision and Micro Engineering (LPME)
Universität Köln (Medizin): Zentrum für Stoffwechselforschung (ZfS)
Technische Universität München: Zentrum für QuantumEngineering (ZQE)
Universität des Saarlandes: Zentrum für Biophysik (ZBP)
J – L
Charité + TU Berlin: Der simulierte Mensch (Si-M)
Universität Düsseldorf: Plant Environmental Adaptation Center (PEAC)
Universität Kiel (Medizin): Zentrum für Integrative Systemmedizin (ZiSMed)
Programmatisch-strukturelle Linie „Hochleistungsrechner“ |1
A
KIT Karlsruhe: Nachfolgesystem für den Forschungshochleistungsrechner am KIT
Damit sind – vorbehaltlich der abschließenden Entscheidung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) am 29. Juni 2018 – insgesamt 160 Forschungsbauten in das Förderprogramm aufgenommen.
|1 Die Vorhaben erscheinen jeweils in alphabetischer Reihenfolge der Standorte.
Weitere Informationen:
https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/6968-18.pdf - Empfehlungen zur Förderung von Forschungsbauten (2019) (Drs. 6968-18)