Prof. Stephan Schiller erhält ERC Advanced Grant
Hohe Auszeichnung in EU-Wettbewerb für HHU-Forscher
11.05.2018 – Die Europäische Union fördert in den kommenden fünf Jahren den Düsseldorfer Experimentalphysiker Prof. Stephan Schiller, Ph.D., mit 2,5 Millionen Euro. Damit will er an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) mit der Molekülionenspektroskopie Fundamentalkonstanten bestimmen und physikalische Gesetze überprüfen. Prof. Schiller erhielt jetzt einen der hoch renommierten Advanced Grants 2017, mit denen das European Research Council (ERC) Spitzenforscher in einem strikten Auswahlverfahren auszeichnet; ein Erfolg ist eine besondere wissenschaftliche Auszeichnung.
Was hält die Welt im Innersten zusammen? Welches sind die relevanten Kräfte und wie stark sind sie? Die Untersuchung solcher Fragen erfordert häufig extremen technischen Aufwand – wie kilometerlange Teilchenbeschleuniger am europäischen Forschungszentrum CERN oder riesige Teleskope für die Astronomie. Prof. Stephan Schiller, Ph.D., vom Institut für Experimentalphysik der HHU will dagegen einen anderen Weg gehen: Mit Experimenten von Tischgröße, aber größtmöglicher Feinheit, will er die Eigenschaften von Materie untersuchen. Dabei soll die Materie möglichst kalt, also ruhiggestellt sein. Sein Herangehen stellt einen komplementären Ansatz zu den Großexperimenten dar, bei denen riesige Energien vorliegen.
Prof. Schiller verfolgt die ultrapräzise Spektroskopie an Molekülionen. Er wählt dazu die einfachsten Moleküle, bestehend aus nur zwei Protonen (Kerne der Wasserstoffatome) und einem einzelnen Elektron. Die beiden Kerne im Molekül schwingen mit einer genau definierten Frequenz gegeneinander; diese hängt von der Masse der Kerne und der Stärke und Art der Kräfte zwischen den drei Teilchen ab. Wie Prof. Schiller und Mitarbeiter theoretisch zeigen konnten, sollte es möglich sein, diese Schwingung extrem präzise zu vermessen, mit einer relativen Ungenauigkeit von weniger als 10-16; diese Zahl entspricht dem Verhältnis von 1 mm zum Abstand Erde – Pluto.
Da die bisherige Ungenauigkeit millionenfach höher ist, birgt der Ansatz ein enormes Potential für Verbesserung. Dieses möchte Prof. Schiller mit seinem Team ausschöpfen: Sie wollen mehrere Naturkonstanten wesentlich genauer als bisher bestimmen.
Darüber hinaus verfolgt er mit dem gleichen Messansatz eine weitere grundlegende Fragestellung: Existiert möglicherweise eine „fünfte Kraft“? Das heutige Standardmodell der Physik basiert auf vier fundamentalen Kräften: Gravitation, elektromagnetische Kraft, schwache und starke Kernkraft. Im Rahmen der derzeitigen Messgenauigkeiten von Experimenten weltweit gibt es keine Evidenz für eine fünfte Fundamentalkraft. „Mit unserer neuen Methode sind wir aber in der Lage, wesentlich genauer nachzuschauen“, so Prof. Schiller. Würden kleinste Abweichungen der gemessenen Schwingungsfrequenz von der theoretischen Vorhersage auf der Basis der vier Standard-Kräfte festgestellt, so kann dies auf die Existenz einer fünften Kraft hindeuten.
„Unser Ansatz ist eine elegante, neuartige Alternative zu bisherigen Methoden der Messung der Fundamentalkonstanten und -kräfte der Natur“, erläutert Prof. Schiller, und weiter: „Damit leisten wir eine wichtige Aufgabe, weil wir unabhängig testen, ob die Ergebnisse andersartiger Experimente oder Beobachtungen korrekt sind und wir deren Präzision noch steigern werden.“
Diesen Ansatz fördert das ERC in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt 2,5 Millionen Euro. Mit diesen Mitteln finanziert Prof. Schiller zum einen mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter – Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler – und zum anderen Geräte für neue Messsysteme.
Die Universitätsleitung beglückwünscht Prof. Schiller zu diesem großen Erfolg. Forschungs-Prorektor Prof. Dr. Peter Westhoff: „Einen ERC Advanced Grant einzuwerben ist ein besonderer Erfolg und vor allem ein Zeichen für die besondere wissenschaftliche Qualität und Kreativität des Projektantrags. Dies dokumentiert die Spitzenposition der Physik an der HHU und ist eine besondere Auszeichnung für Stephan Schiller.“
Zur Person
Stephan Schiller (geboren 1963 in Stuttgart) studierte allgemeine Physik an der TU München, wurde 1993 an der Stanford University in den USA im Fach Angewandte Physik promoviert (Ph.D.) und habilitierte 1997 in Experimentalphysik an der Universität Konstanz, wo er seit 1993 eine Arbeitsgruppe leitete. Seit dem Jahr 1999 hat er einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der HHU.
Prof. Schiller forscht im Bereich der optischen Präzisionsmessungen, wobei die höchstauflösende Molekülspektroskopie und die Atomuhren im Fokus stehen. Das Ziel der Forschungen ist die Überprüfung fundamentaler physikalischer Gesetze. Die Ergebnisse seiner sowohl national als auch europäisch geförderten Projekte veröffentlichte er in mehr als 130 Beiträgen in begutachteten Zeitschriften. Für seine Arbeiten erhielt er mehrere Preise, so den Otto-Klung-Preis, den Gerhard-Hess-Forschungspreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und zuletzt den Reinhard- und Emmi-Heynen-Preis der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HHU im Jahr 2015.
ERC Advanced Grant
Der European Research Council (Europäischer Forschungsrat) ist die zentrale Einrichtung der Europäischen Union zur Förderung von bahnbrechender Pionierforschung einzelner Forscher. Der ERC ermutigt Wissenschaftler aus der EU, in wettbewerblichen Verfahren ihre Vorschläge für hoch ambitionierte Forschungsprojekte einzureichen. In verschiedenen Förderlinien können sowohl Nachwuchswissenschaftler als auch etablierte Forscher konkurrieren.
Zielgruppe der ERC Advanced Grants sind etablierte Wissenschaftler mit einer herausragenden wissenschaftlichen Leistungsbilanz. Bei der Begutachtung der wissenschaftlichen Leistung sind die letzten zehn Jahre vor der Antragstellung maßgeblich. In die Bewertungen gehen Publikationen in internationalen Zeitschriften, Patente, Konferenzbeiträge, Forschungspreise und Akademiemitgliedschaften ein. ERC Advanced Grants werden in der Regel mit maximal 2,5 Millionen Euro für eine maximal fünfjährige Laufzeit gefördert. Projektanträge werden in einem zweistufigen Peer Review-Verfahren von neun unabhängigen Experten auf Basis der wissenschaftlichen Exzellenz des Antragstellers und der Projektidee bewertet.
Die Besonderheit einer Auszeichnung mit einem ERC Advanced Grant wird auch durch die Erfolgsquote der Anträge dokumentiert: Sie liegt bei lediglich rund 12 Prozent; von 2167 in der 2017er-Ausschreibung eingegangenen Anträgen werden 269 gefördert.
Weitere Informationen:
http://www.eubuero.de/erc-adg.htm