Re-Analyse der KMK-Daten zeigt: Lehrkräftemangel in Grundschulen und Sek I geradezu dramatisch
Die unmittelbare Gegenüberstellung der am vergangenen Donnerstag von der Kultusministerkonferenz vorgelegten Daten zum Lehrkräftebedarf und zum voraussichtlichen Angebot zeigt, dass an den Grundschulen und in der Sekundarstufe I 45.000 einschlägig qualifizierte Lehrkräfte fehlen werden. Auch an den Berufsschulen und für die Sonderpädagogik ist die Unterdeckung beträchtlich.
Die Kultusministerkonferenz hat am vergangenen Donnerstag die aktuellen Daten zum Einstellungsbedarf und zum erwarteten Angebot an Lehrkräften vorgelegt. In der Pressemitteilung vom 11.10.2018 wird dazu festgehalten: „Die Kultusministerkonferenz rechnet deutschlandweit bei derzeit 798.200 hauptberuflichen Lehrkräften nach einer vorläufigen Länderabfrage für den Zeitraum 2018 bis 2030 mit einem durchschnittlichen jährlichen Einstellungsbedarf von rund 31.900 Lehrerinnen und Lehrern. Dem steht ein Angebot von jährlich 31.200 Absolventinnen und Absolventen des Vorbereitungsdienstes gegenüber. Dies bedeutet, dass nach jetzigem Stand im jährlichen Durchschnitt voraussichtlich 700 Stellen nicht besetzt werden können (Unterdeckung von 2,1 Prozent).“
Weiterhin wird festgestellt, dass die „Differenzierung nach Lehramtstypen und der fachspezifische Bedarf zeigen, dass das Problem nicht besetzbarer Stellen vor allem für den Lehramtstyp „Sekundarbereich II (berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen“ sowie für die sonderpädagogischen Lehrämter besteht. Aber auch in den „Lehrämtern der Grundschule bzw. des Primarbereichs“ und bei den „Lehrämtern für alle oder einzelne Schularten des Sekundarbereichs I“ zeigen sich zum Teil große Engpässe.“
Die Bedeutung des letzten Absatzes und insbesondere des letzten Satzes wird erst dann wirklich deutlich, wenn man sich die folgenden Tabellen genauer anschaut, die den Lehrkräftebedarf und das Lehrkräfteangebot nach Lehrämtern gegenüberstellen. Tabelle 1 zeigt, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt annähernd 415.000 Lehrkräfte für die verschiedenen Lehrämter benötigt werden. Tabelle 2 weist ein Gesamtangebot an Lehrkräften von knapp 406.000 aus, was in der Summe bedeutet, dass eine Unterdeckung von rund 8.500 für die kommenden Jahre bis 2030 bestünde. Wenn von diesem Gesamtangebot aber über 160.000 Lehrkräfte für die Sekundarstufe II der allgemeinbildenden Schulen qualifiziert werden, wofür aber nur 109.000 benötigt werden, folgt daraus an dieser Stelle ein Überangebot von 52.000 (siehe Tabelle 3).
Diese Zahl bedeutet im Umkehrschluss, dass sich bei den anderen Schulformen und Schulstufen ein Unterangebot von über 60.000 einschlägig qualifizierten Lehrkräften abzeichnet, darunter fast 29.000 für die Sekundarstufe I sowie annähernd 16.000 für die Primarstufen (einschl. der Klassen 5 und 6 in Ländern mit längerer Grundschulzeit bzw. Schulartunabhängiger Orientierungsstufen). Auch an den Berufsschulen fehlen rund 9.000 Lehrkräfte und in der Sonderpädagogik über 5.000.
„Diese Ergebnisse verweisen auf eine grundlegende strukturelle Schieflage zwischen der Lehrkräfteausbildung und dem Lehrkräftebedarf, die die Forderung nach einem stärkeren Steuerungs- bzw. Abstimmungsbedarf zwischen den Kultus- und Wissenschaftsministerien bzw. Hochschulen nahelegen,“ stellt Dr. Dieter Dohmen, der Direktor des FiBS fest. „Die Lehrkräfteausbildung in der Primar- und Sekundarstufe I muss kurzfristig ebenso deutlich ausgebaut werden wie für die Berufsschulen und die Sonderpädagogik. Demgegenüber können die Ausbildungskapazitäten für die Lehrämter der allgemeinbildenden Sekundarstufe II deutlich reduziert werden. Das betrifft nicht nur die Universitäten, sondern auch den Vorbereitungsdienst.“
Im Gegensatz zur KMK ermittelte das FiBS in diesem Jahr in zwei Prognosen noch erheblich höhere Schülerzahlen und Lehrkräftebedarfe. Diese Prognosen betrafen die berufsbildenden Schulen deutschlandweit sowie die allgemeinbildenden Schulen in Hessen. Mit anderen Worten: der Lehrkräftebedarf könnte noch deutlich höher sein, als derzeit von der Kultusministerkonferenz bzw. den zuständigen Länderministerien erwartet.
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Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Dieter Dohmen, FiBS - d.dohmen@fibs.eu