Hochschule diskutiert mit Verkehrsminister Hermann Chancen und Risiken von ÖPP-Modellen
Öffentlich-Private-Partnerschaften – kurz ÖPP – sind seit vielen Jahren in der öffentlichen Diskussion: Befürworter loben sie als nachhaltiges Beschaffungsinstrument, Kritiker sehen erhebliche Belastungen für öffentliche Haushalte. Die Hochschule Biberach (HBC) hat diese Kontroverse gemeinsame mit der Virtuellen Akademie A6 in den Mittelpunkt einer Veranstaltung gehoben und Vertreter aus Politik, Finanzwelt, Unternehmen und Wissenschaft eingeladen.
Die „Virtuelle Akademie A6“, ein Veranstaltungsformat, dem mehrere Professoren verschiedener Hochschulen aus ganz Baden-Württemberg angehören, diskutierte das Thema am heutigen Freitag am Beispiel eines Praxisprojektes: der Autobahn A6 als Teil der wichtigsten europäischen Ost-West-Verbindung und am stärksten befahrenen Autobahn in Süddeutschland.
Auf dem Podium nahmen Verkehrsminister Winfried Hermann MdL (Die Grünen), Nikolaus Graf von Matuschka, Vorstand der HOCHTIEF Aktiengesellschaft, Matthias Woitok als Vertreter der European Investment Bank, sowie Professor Dr. Christian Holldorb von der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft Platz. Dr. Matthias Bahr, Professor der Fakultät Bauingenieurwesen und Projektmanagement der Hochschule Biberach, übernahm die Rolle des Moderators und lockte die Podiumsteilnehmer mit bewusst zugespitzten Fragen zu den Aspekten politischer Einfluss, Wirtschaftlichkeit und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aus der Reserve.
„Ist die Entscheidung für oder gegen eine ÖPP eine Frage der politischen Ausrichtung?“ wollte er zum Beispiel von Minister Hermann wissen. Und Graf von Matuschka, Vorstand HOCHTIEF fragte er, ob er das Risiko für private Partner tatsächlich für kalkulierbar halte angesichts der Beispiele, die in der Bevölkerung für Verunsicherung sorgen. Am Ende blieb die Frage, ob Wirtschaftlichkeitsberechnungen dieser Tragweite über einen Zeitraum von Jahrzehnten überhaupt belastbar gestellt werden können. Erschwert werde die Bewertung der Vor- oder Nachteile von ÖPP-Projekten durch oftmals schwierige Kontextbedingungen machte Rektor Professor Dr. André Bleicher in seiner Einführung deutlich: „Die Schuldenbremse und knappe öffentliche Kassen; kaputte Straßen und marode Schulen, niedrige Zinsen; geschönte Zahlen und geheime Verträge“. Von der prominent besetzten Diskussion versprach er sich „eine Klärung der unübersichtliche Gefechtslage“.
Vor diesem Hintergrund erachtet das Unternehmen HOCHTIEF den politisch-fachliche Dialog zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur als wichtige Voraussetzung, „um die Herausforderungen der Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gemeinsam erfolgreich zu gestalten“, sagte Nikolaus Graf von Matuschka, Mitglied des Vorstandes. Europa erlebe eine Phase zu geringer Investitionstätigkeit, auch und gerade in den Infrastrukturen, argumentierte Finanzexperte Woitok. ÖPP sei eine Methode der Beschaffung solcher Infrastrukturen, „bergen jedoch ein hohes Maß an technischer, finanzieller und juristischer Komplexität in sich“. Das Verständnis dieser Komplexitäten sieht er als Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit an, sowohl auf Seiten der öffentlichen Hand, als auf Seiten der Bauunternehmer, der Eigenkapitalinvestoren und der Finanzinstitute, die diese Projekte mit Fremdkapital ausstatten, so der Vertreter der European Investment Bank (EIB). Verkehrsminister Winfried Hermann, MdL, betonte: „Die Finanzierung von Straßenbauprojekten durch Privatinvestoren wird mit Recht von vielen Experten und vom Rechnungshof kritisch gesehen. Sie war in Zeiten knapper Haushaltsmittel eine Möglichkeit, bestimmte Bauvorhaben zeitlich vorzuziehen. Allerdings bedeutet ÖPP im Vergleich mit einer Finanzierung aus dem Straßenbauetat auch höhere Kosten für die Steuerzahler und meist längere Zeiten für die Realisierung der Projekte. Da die Haushaltslage der öffentlichen Hand derzeit wesentlich besser ist als noch vor einigen Jahren, gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, ÖPP als Finanzierungsform zu nutzen.“
Alexander Hofmann, Geschäftsführer der HOCHTIEF PPP Transport Westeuropa GmbH und Lehrbeauftragter der Hochschule Biberach hob auf die Ausbildung von Fachkräften ab: „Gut ausgebildete Mitarbeiter sind ein wichtiger Bestandteil unseres zukünftigen Erfolges. Durch unsere Zusammenarbeit mit den Hochschulen gelingt es, junge Leute auszubilden und für die Baubranche zu begeistern“, sagte der Mitinitiator der Virtuellen Akademie A6 bei der Veranstaltung. Der Verbund, so Professor Dr. Christian Holldorb von der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, biete „ein tolles Forum, in dem Praxis auf Lehre und Wissenschaft trifft, und das zum Nutzen aller Beteiligten: Studierende, Lehrende und Praxis.“
Tatsächlich verfolgten mehr als 200 Studierende aus den Lehreinheiten Bauingenieurwesen, Projektmanagement und Bau- und Immobilienwirtschaft der Hochschule Biberach sowie weitere Studierenden aus den Lehrbereichen der an der Virtuellen Akademie A6 beteiligten Professoren die Diskussion. Damit, so Professor Dr. Bahr, wurden die veranstaltenden Hochschulen ihrer Aufgabe gerecht, „zur Lösung gesellschaftlicher und sozialer Herausforderungen beizutragen, in dem sie ihre technologische und wirtschaftliche Kompetenz als aktiven Teil der Gesellschaft moderierend einbringen“.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Profesor Dr. Matthias Bahr, Hochschule Biberach, Fakultät Bauingenieurwesen und Projektmanagement
Weitere Informationen:
http://www.hochschule-biberach.de
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