Mehr Bioplastik führt nicht zwingend zu mehr Klimaschutz
Bioplastik wird gerne als umwelt- und klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen auf Erdölbasis vermarktet. Eine Analyse der Universität Bonn legt nun aber nahe, dass eine Umstellung auf pflanzenbasierte Kunststoffe weniger positiv wirken könnte als gedacht. So dürfte eine steigende Nutzung von Bioplastik den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen zunächst sogar erhöhen. Die Studie erscheint in den „Environmental Research Letters“, ist aber bereits online abrufbar.
Plastik wird normalerweise aus Erdöl hergestellt. Mit negativen Folgen für das Weltklima: Das in ihnen gebundene Kohlendioxid wird beim Abbau frei und trägt so zur globalen Erwärmung bei. Weltweit gelangen so jährlich rund 400 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre – halb so viel, wie Deutschland 2017 insgesamt in die Luft blies. 2050 könnten Kunststoffe nach Schätzungen bereits für 15 Prozent der weltweiten CO2-Produktion verantwortlich sein.
Bioplastik dagegen ist nahezu klimaneutral, da es auf nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Weizen oder Zuckerrohr basiert. Für ihr Wachstum benötigen diese Pflanzen Kohlendioxid, das sie der Luft entnehmen. Die Herstellung von Biokunststoffen verbraucht daher CO2, und zwar genauso viel, wie später bei ihrer Verbrennung oder Verrottung wieder frei wird. Insgesamt ist ihre Klimagas-Bilanz daher ausgeglichen. Bioplastik wird daher gerne als umweltfreundliche Alternative vermarktet.
Doch zumindest beim augenblicklichen Stand der Technik ist die Sache wohl nicht so klar wie oft angenommen. „Die Erzeugung großer Mengen Bioplastik verändert die Landnutzung“, erklärt Dr. Neus Escobar vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn. „Global gesehen könnten dadurch zum Beispiel vermehrt Waldflächen zu Ackerland umgewandelt werden. Wälder binden aber erheblich mehr Kohlendioxid als etwa Mais oder Zuckerrohr, schon allein aufgrund ihrer größeren Biomasse.“ Dass dieser Effekt keine theoretische Spekulation ist, zeigen die Erfahrungen mit Biokraftstoffen. Die steigende Nachfrage nach der „grünen“ Energiequelle hatte in manchen Ländern massive Waldrodungen zur Folge.
Dr. Neus Escobar und ihre Kollegen Salwa Haddad, Prof. Dr. Jan Börner und der Privatdozent Dr. Wolfgang Britz haben die Auswirkungen einer vermehrten Verwendung von Bioplastik simuliert. Dazu nutzten und erweiterten sie ein Computermodell, das auch schon zur Berechnung der Biokraftstoff-Effekte eingesetzt wurde. Es basiert auf einer Datenbank, die die gesamte Weltwirtschaft abbildet.
„Wir haben für unser Modell die Annahme getroffen, dass der Bioplastik-Anteil bei den wichtigsten Produzenten – Europa, China, Brasilien und den USA – auf fünf Prozent steigt“, erklärt sie. „Dabei haben wir zwei verschiedene Szenarien durchgespielt: eine Steuer auf konventionelle Kunststoffe gegenüber einer Subvention für Bioplastik.“ Am dramatischsten waren die Auswirkungen im Steuer-Szenario: Da dadurch herkömmlich hergestellte Kunststoffe erheblich teurer wurden, sank die Nachfrage nach ihnen deutlich. Weltweit wurden so pro Jahr 0,08 Prozent weniger Klimagase ausgestoßen. Allerdings ist ein Teil dieses Rückgangs auf ökonomische Verwerfungen zurückzuführen, da die Steuer insgesamt das Wirtschaftswachstum bremste.
Mehr Äcker, weniger Wälder
Gleichzeitig stieg in diesem Szenario die landwirtschaftlich genutzte Fläche, während die Waldfläche um 0,17 Prozent abnahm. Dadurch gelangten enorme Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre. „Dabei handelt es sich zwar nur um einen einmaligen Effekt“, erklärt Escobar. „Dennoch dauert es nach unseren Berechnungen mehr als 20 Jahre, bis er durch die erzielten Einsparungen wettgemacht wird.“
Insgesamt braucht es also einen langen Atem, damit sich die Umstellung auf Bioplastik auszahlt. Zudem beziffern die Forscher die Kosten dieser Strategie auf mehr als 2.000 Dollar pro Tonne Treibhausgas – eine vergleichsweise hohe Summe. Eine Subvention von Bioplastik hätte zwar in vielen Punkten deutlich unterschiedliche Effekte. An der Kompensations-Zeit von gut 20 Jahren und den Kosten für die Klimagas-Reduktion würde sich aber auch hier wenig ändern.
„Eine vermehrte Verwendung von Bioplastik aus Nutzpflanzen scheint also keine effiziente Strategie zu sein, das Klima zu schonen“, betont die Wissenschaftlerin. Zumal sie eine Reihe weiterer Negativ-Effekte hätte, etwa steigende Nahrungsmittel-Preise. „Das sähe aber vermutlich anders aus, wenn zur Herstellung zum Beispiel pflanzliche Abfälle genutzt würden“, sagt Escobar. „Wir empfehlen, die Forschungsanstrengungen auf dieses Bioplastik der zweiten Generation zu konzentrieren und es so zur Marktreife zu bringen.“
Auch die Hoffnung, dass durch Bioplastik die Vermüllung der Weltmeere abnehme, müsse sich nicht notwendigerweise erfüllen. Kunststoffe aus Pflanzen seien nicht automatisch leichter abbaubar als solche aus Erdöl, betont Escobar. „Bio-PE und Bio-PET verrotten genauso schlecht wie ihre Pendants auf Erdöl-Basis.“ Einen Vorteil habe Bioplastik allerdings: Es schone die immer knapper werdenden fossilen Brennstoffquellen. Wer die Umwelt schützen wolle, solle aber eher auf eine andere Strategie setzen, ziehen die Wissenschaftler ein Fazit: Sinnvoller sei ein materialsparender Umgang mit Plastik und ein möglichst vollständiges Recycling.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Neus Escobar
Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik
Universität Bonn
Tel. 0228/733776
E-Mail: neus.escobar@ilr.uni-bonn.de
Originalpublikation:
Neus Escobar, Salwa Haddad, Jan Börner und Wolfgang Britz: Land use mediated GHG emissions and spillovers from increased consumption of bioplastic; Environmental Research Letters; https://doi.org/10.1088/1748-9326/aaeafb