Buruli-Ulkus: Vielversprechender Medikamentenkandidat gegen vergessene Krankheit
Das Buruli-Ulkus ist eine vernachlässigte Tropenkrankheit, die zu schwer beeinträchtigenden Hautveränderungen, Behinderungen und Stigmatisierung führt. Die empfohlene Antibiotikabehandlung ist langwierig und mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) haben zusammen mit Kollegen aus Singapur eine gegen das Buruli-Ulkus hochwirksame chemische Verbindung entdeckt, welche die Entwicklung eine wirkungsvolle Alternative zu den bestehenden Behandlungsmöglichkeiten ermöglichen könnte. Die Ergebnisse wurden heute in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Das Buruli-Ulkus – eine der am meisten vernachlässigten der „Neglected Tropical Diseases“ (NTDs) – ist eine chronische, schwer beeinträchtigende und stigmatisierende Krankheit der Haut. Die Krankheit, von der vor allem Kinder in West- und Zentralafrika betroffen sind, führt zu verheerenden Hautläsionen und kann zu dauerhaften Entstellungen und Behinderungen führen. Das Buruli-Ulkus wird durch Mycobacterium ulcerans verursacht, das zur gleichen Gruppe von Bakterien gehört, die Tuberkulose (TB) und Lepra hervorrufen. M. ulcerans kommt in der Umwelt vor, und trotz erheblicher Forschungsanstrengungen ist der Übertragungsmodus der Bakterien auf den Menschen nach wie vor unklar.
Schwierige Behandlung mit Nebenwirkungen
Traditionell wurden die durch das Buruli-Ulkus verursachten Hautläsionen durch weitreichendes Herausschneiden chirurgisch entfernt. Seit 2004 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch die Behandlung mit einer Antibiotika-Kombination: oral verabreichtem Rifampicin und injiziertem Streptomycin. In einkommensschwachen Gebieten sind solche Operationen oft nicht möglich, und die Kombinationstherapie erfordert tägliche Besuche in Gesundheitszentren über einen Zeitraum von 8 Wochen. Darüber hinaus können die Antibiotika zu schweren Nebenwirkungen führen; so erleiden über 20% der behandelten Patienten einen Hörverlust. Die Angst vor dem Auftreten von Rifampicin-Resistenz erhöht den Druck, neue und bessere medikamentöser Behandlungsmethoden zu entwickeln.
Hochwirksame Verbindung entdeckt
Forschende am Swiss TPH haben nun zusammen mit Partnerinstitutionen wie der Nanyang Technological University in Singapur einen vielversprechenden neuen Medikamentenkandidaten gegen das Buruli-Ulkus entdeckt. Die heute in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichte Studie ergab, dass der Wirkstoff Q203 (ein Imidazopyridinamid) gegen M. ulcerans sowohl in vitro als auch in vivo hochwirksam ist.
«Wir waren sehr überrascht, eine derart hohe Aktivität zu sehen. Wir hatten zuvor schon Hunderte von Substanzen untersucht, die ursprünglich für die Entwicklung von TB-Medikamenten bestimmt waren, und keine der anderen zeigte eine vielversprechende Wirkung gegen Mycobacterium ulcerans», erklärt Gerd Pluschke, Leiter der Einheit Molecular Immunology am Swiss TPH. «Q203 ist sogar noch wirksamer gegen das Buruli-Ulkus als das derzeit aktivste Antibiotikum Rifampicin. So ein neues, ausserordentlich wirksames Medikament könnte in Kombination mit einem zweiten Antibiotikum die Entwicklung eines erheblich kürzeren oralen Behandlungsschemas mit weniger Nebenwirkungen ermöglichen.»
Ein weiterer Vorteil von Q203 ist, dass seine Verträglichkeit bereits in einer klinischen Studie der Phase I gegen TB getestet wurde. «Das bedeutet, dass wir das neue Präparat direkt in einer Phase-II-Studie mit Buruli-Ulkus-Patienten testen werden, sobald die Finanzierung dafür gesichert ist», betont Pluschke.
Wichtige Erkenntnisse über das Bakterium dokumentiert
Der Vergleich des Genoms von M. ulcerans mit den Genomen anderer Mykobakterien lieferte eine Erklärung dafür, warum dieses Bakterium so ausserordentlich empfindlich auf Q203 reagiert. Das Bakterium scheint sich von einem Umweltorganismus zu einem spezialisierten Krankheitserreger zu entwickeln, der sich an ein Leben in einer stabileren Umgebung anpasst. Im Laufe dieser Evolution hat das Bakterium die Anzahl seiner aktiven Gene reduziert, da viele Zellfunktionen nur von freilebenden Umweltorganismen benötigt werden. Die Atmung der weniger empfindlichen TB-Bakterien beruht auf zwei Stoffwechselwegen, wobei nur einer durch Q203 blockiert wird. Demgegenüber hat M. ulcerans den alternativen, gegen Q203 resistenten Signalweg verloren und kann in Gegenwart des Medikaments nicht lange überleben.
Umfassende und langjährige Expertise im Bereich Buruli-Ulkus
Das Swiss TPH verfolgt ein langjähriges Interesse und verfügt über umfassende Expertisen in der Erforschung des Buruli-Ulkus. Neben der Medikamentenforschung arbeiten die Wissenschaftler auch an einer Wärmetherapie als alternative Behandlungsmöglichkeit, und es wurden erste Schritte zur Entwicklung eines Impfstoffs unternommen. Zusammen mit der Foundation for Innovative New Diagnostics (FIND) arbeitet das Swiss TPH auch an der Entwicklung eines Schnelltests für das Buruli-Ulkus.
«Forschung, langfristiges Engagement und produktive Partnerschaften zeigen, dass das Swiss TPH einen wichtigen Beitrag zu einem tieferen Verständnis der Epidemiologie und Kontrolle des Buruli-Ulkus und anderer NTDs leisten kann», sagt Jürg Utzinger, Direktor des Swiss TPH. Die Forschung zum Buruli-Ulkus am Swiss TPH ist über viele Jahre von der Medicor Foundation und der UBS Optimus Foundation unterstützt worden.
Über die Veröffentlichung
Um diese Forschungsarbeiten durchzuführen, arbeitete das Swiss TPH mit einer Reihe von Partnerinstitutionen zusammen, darunter die Lee Kong Chian School of Medicine an der Nanyang Technological University in Singapur.
Scherr N. et al. Targeting the Mycobacterium ulcerans cytochrome bc1:aa3 for the treatment of Buruli ulcer. (2018) Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-018-07804-8
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerd Pluschke, Leiter der Einheit Molecular Immunology, Swiss TPH, +41 61 284 8235, gerd.pluschke@swisstph.ch
Sabina Beatrice-Matter, Leiterin Kommunikation, Swiss TPH, +41 61 284 8364, +41 79 737 91 58, sabina.beatrice@swisstph.ch