Informatiker aus Albstadt unterstützen EU bei internationaler Strafverfolgung
Eine Forschergruppe der Hochschule Albstadt-Sigmaringen war in den vergangenen zwei Jahren im europäischen Projektkonsortium LIVE_FOR gefragt, weil die Informatik-Fakultät der Hochschule im Bereich der Aus- und Fortbildung von Strafverfolgern jahrelange Erfahrung hat. Die Europäische Ermittlungsanordnung soll grenzüberschreitende Ermittlungsarbeit vereinfachen.
Albstadt/Sigmaringen. Die Europäische Ermittlungsanordnung soll grenzüberschreitende Ermittlungsarbeit vereinfachen. Ermittelt beispielsweise die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen einen Kriminellen, der in Frankreich seinen Wohnsitz hat, kann sie eine Ermittlungsanordnung an die Kollegen in Frankreich übersenden, der innerhalb eines gewissen Zeitraumes nachzukommen ist. Während ein solcher Kontakt vor Mai 2017 als Bitte zu verstehen war, hat das heutige Vorgehen den Charakter einer Verpflichtung.
Die Informatik-Fakultät der Hochschule Albstadt-Sigmaringen hat im Bereich der Aus- und Fortbildung von Strafverfolgern jahrelange Erfahrung. Deshalb war eine Forschergruppe unter der Leitung von Dekan Professor Holger Morgenstern in den vergangenen zwei Jahren im europäischen Projektkonsortium LIVE_FOR gefragt. Gemeinsam mit Partnerhochschulen aus Madrid, Barcelona, Brüssel, Brno und Ljubljana wurde LIVE_FOR von der EU-Kommission gefördert. Ziel war es, die Einführung der neuen Richtlinie zur Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen zu begleiten. Sie sollte in Bezug auf ihr Potenzial zur Erhebung von digitalen Beweismitteln analysiert werden.
Besonders wichtig ist in nahezu allen Ermittlungsverfahren die Sicherstellung digitaler Beweise. Es ist beispielsweise denkbar, dass Kriminelle Dokumente, Bilder oder ähnliche Daten in einer Cloud speichern. Die Speicherdauer dieser Daten und damit der Zugriff zu Strafverfolgungszwecken kann zeitlich jedoch sehr begrenzt sein, weil sie jederzeit aus dem Cloudspeicher gelöscht werden können.
Ziel im Projekt war es, die Möglichkeiten einer schnellen beziehungsweise vorläufigen Sicherung der Daten zu untersuchen. Folgender Fall wäre denkbar: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen französischen Tatverdächtigen, weil dieser ein kriminelles Netzwerk anführen soll, das im Raum Stuttgart wöchentlich in Wohnungen einbricht. Der Staatsanwalt vermutet, beim Tatverdächtigen Listen zu finden, auf denen die Wohnungen vermerkt sind, in die eingebrochen wurde. Mittels europäischer Ermittlungsanordnung verpflichtet der Stuttgarter Staatsanwalt nun seinen Kollegen in Frankreich zur vorläufigen Sicherung der Daten des E-Mail-Kontos. Der französische Staatsanwalt erlässt dann wiederum nach seinem nationalen Recht einen Beschluss gegen den französischen E-Mail-Provider des Banden-Anführers auf vorläufige Sicherung und Herausgabe der Daten, die anschließend über die französische an die Stuttgarter Staatsanwaltschaft übermittelt werden.
Für die Justiz ist es besonders wichtig, die Möglichkeiten der digitalen Forensik richtig einschätzen zu können. In Trainings müssen die Funktionsweise von Cloudspeichern sowie die Merkmale von digitalen Beweisen vermittelt werden. Wie dann angesichts dieser technischen Herausforderungen die rechtlichen Vorgaben auf die Beweiserhebung anzuwenden sind, wurde im Projekt LIVE_FOR aufgearbeitet. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen brachte sich dabei in diverse Arbeitspakete des Projektes ein und organisierte zwei Workshops für Richter, Staatsanwälte und weitere Anwender. Im Dezember fand die Abschlusskonferenz des Projektes in Barcelona statt. Zahlreiche internationale Interessierte wurden dort über die Projektergebnisse informiert.
LIVE_FOR hat gezeigt, dass sowohl international als auch national Fortbildungsbedarf an der Schnittstelle zwischen Recht und Technik besteht – die Hochschule Albstadt-Sigmaringen kann diese Lücken schließen. Die Ergebnisse des Projektes, darunter auch ein entwickeltes Trainings-Curriculum sowie der Aufbau einer internationalen Expertengruppe, stellen eine nachhaltige Ergänzung zum bereits bestehenden Angebot der Fakultät Informatik dar.
Weiterführende Informationen: Der Masterstudiengang Digitale Forensik der Hochschule Albstadt-Sigmaringen richtet sich an Beschäftigte der polizeilichen Strafverfolgung und Strafverteidigung, der Staatsanwaltschaften, der Steuerfahndung sowie an Zoll- und Einwanderungsbehörden, Sachverständigenbüros, IT-Unternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Banken und Sicherheitsconsulting. Wer beispielsweise als Sicherheitsbeauftragter, Systemadministrator, IT-Vorfallsbehandler, Revisor, Sicherheitsberater, Ermittler oder Gutachter arbeitet und ein entsprechendes Erststudium absolviert hat, hat die Basis für eine zukünftige Tätigkeit als Ermittlungs-Experte für Digitale Forensik schon geschaffen und erfüllt die Grundvoraussetzungen für den Masterstudiengang. Durch das Fernstudiengangkonzept und E-Learning-Angebote müssen die Studierenden nicht vor Ort sein.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Holger Morgenstern
E-Mail: morgenstern@hs-albsig.de
Lewin Rexin
E-Mail: rexin@hs-albsig.de