David-Sackett-Preis 2019 an Birte Berger-Höger
Birte Berger-Höger wurde für das Projekt „Spezialisierte Pflegefachkräfte zur Unterstützung partizipativer Entscheidungsfindung in der Onkologie“ mit dem Wissenschaftspreis des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin ausgezeichnet.
Seit 2008 vergibt das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. (EbM-Netzwerk) jährlich seinen nach dem EbM-Pionier David Sackett benannten Wissenschaftspreis für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Evidenzbasierten Medizin und Gesundheitsversorgung in Forschung, Lehre oder bei der Verbreitung der Anliegen der EbM.
Der David-Sackett-Preis 2019 wurde am 22. März 2019 im Rahmen der 20. Jahrestagung des EbM-Netzwerks in Berlin an Birte Berger-Höger aus der Arbeitsgruppe Ingrid Mühlhauser, Universität Hamburg, und Anke Steckelberg, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, verliehen.
Ausgezeichnet wurde das vom Nationalen Krebsplan geförderte Projekt SPUPEO (Spezialisierte Pflegefachkräfte zur Unterstützung partizipativer Entscheidungsfindung in der Onkologie, www.spupeo.de). Ziel des Projektes war es zu zeigen, dass der Einsatz von Breast Care Nurses als Decision Coaches die Patientinnen bei der Entscheidungsfindung über das weitere Vorgehen unterstützen kann und eine informierte gemeinsame Entscheidungsfindung (Informed Shared Decision Making) befördert.
Der Anspruch von Patientinnen auf Partizipation und informierte Entscheidungen ist im Patientenrechtegesetz verbrieft, wird in medizinischen Leitlinien gefordert und ist auch explizit im Nationalen Krebsplan definiert. Die Implementierung in den Versorgungsalltag hat jedoch bisher kaum stattgefunden.
Die mit dem Preis ausgezeichnete Arbeit adressiert diese Lücke. Es wird gezeigt, dass spezialisierte Pflegefachkräfte durch entsprechende Schulung in die Lage versetzt werden können, Patientinnen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Dieser innovative Ansatz ist für das Gesundheitswesen von besonderer Bedeutung, da aufgrund begrenzter Ressourcen und einer zunehmenden Professionalisierung in der Pflege die Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegenden an Bedeutung gewinnt.
Im Zeitraum von 2012 bis 2017 entwickelte die Autorengruppe um Birte Berger-Höger die komplexe Intervention. Sie besteht aus einer evidenzbasierten Entscheidungshilfe für Frauen mit frühem Brustkrebs, aus einem Entscheidungscoaching, das von spezialisierten Pflegefachkräften durchgeführt wird, und aus einem abschließenden strukturierten ärztlichen Gespräch. Nach Testung der Intervention in einer Pilotstudie wurde die Wirksamkeit dieser komplexen Intervention in einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie in 16 zertifizierten Brustkrebszentren untersucht. Die Ergebnisse wurden im Februar 2019 in der international führenden Zeitschrift für Pflegewissenschaft veröffentlicht.
Das Projekt zeigt, dass die Einbeziehung der Patientinnen in die Entscheidungsfindung im Vergleich zur herkömmlichen Versorgung deutlich verbessert werden kann. Ebenso werden Barrieren sichtbar, die einer Implementierung von Informed Shared Decision Making entgegenstehen, z.B. strukturelle Fehlanreize oder fehlende positive Haltung der Ärzte gegenüber diesem Ansatz. Die Studie bestätigt zudem, dass derzeit unter der üblichen Versorgung in Brustkrebszentren, eine informierte Beteiligung von Patientinnen an Therapieentscheidungen nicht stattfindet.
Nicole Skoetz, Leiterin von „Cochrane Cancer“ an der Universität Köln und neu gewähltes Mitglied des Vorstands des EbM-Netzwerks, würdigte die Arbeit in ihrer Laudatio als einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung des Informed Shared Decision Making und zum Verständnis, wie eine komplexe Intervention entwickelt und methodisch sorgfältig untersucht werden kann.
Weitere Informationen:
https://www.ebm-netzwerk.de/aktuelles/news2019-03-26-4