Die Welthauptstadt der Mikroben und Zelllinien liegt in Braunschweig
Journalistenseminar „Mikroben können mehr als krank machen“
(Braunschweig – 24. April 2019): In einem viereinhalbminütigen Fernsehbeitrag berichtete SAT1-Reporterin Katja Senftleben über das vielfältigste Bioressourcenzentrum der Welt (https://www.sat1regional.de/bakterien-viren-und-zellen-dsmz-in-braunschweig-erforscht-mikroorganismen/). Das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen ist aber nicht nur das vielfältigste Zentrum von Mikroben, Pilzen, Viren und Zellkulturen, sondern gleichzeitig auch eine der größten Sammlungen weltweit. Die DSMZ hat ihren Sitz auf dem Science Campus Braunschweig-Süd und versorgt Wissenschaftler weltweit mit Bakterien, Phagen, Pilzen sowie tierischen und menschlichen Zelllinien. Das Leibniz-Institut ist einerseits Sammlung und andererseits Forschungsinstitut. Im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums, das das weltbekannte Leibniz-Institut DSMZ in diesem Jahr begeht, fand am 13. Marz 2019 ein Fachjournalistenseminar statt.
Mikroben können mehr als krankmachen
In seiner Einführung machte der Wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts, Professor Dr. Jörg Overmann, deutlich, dass Mikroben nicht in erster Linie krankmachende Organismen sind. Der international renommierte Mikrobiologe betonte, dass von den momentan rund 15.000 entdeckten Bakterienarten nur 580 krankmachend sind. Das Gros der Bakterien ist also nicht gefährlich, sondern für den Menschen nützlich, gesund oder zumindest als neutral zu betrachten, erläuterte Professor Overmann. Er informierte darüber, dass bisher gerade einmal 0,1 Prozent der Bakterienarten bekannt sind. Der Mikrobiologe geht davon aus, dass noch viele Arten entdeckt werden. Darunter auch solche, die wertvolle Wirkstofflieferanten sind. Professor Overmann leitet das Leibniz-Institut DSMZ seit fast zehn Jahren. Das Institut hat 200 Mitarbeiter, darunter fast 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Bakterien entdeckt, die Plastik zersetzen
Dr. Başak Öztürk berichtete über ihre zukunftsweisende Forschung zu plastikabbauende Meeresbakterien. Eindrucksvoll zeigte sie in ihrem Labor, dass sie bestimmte Meeres-Bakterien isoliert hat, die Plastikfolien innerhalb weniger Tage zersetzen können. Einerseits können bestimmte Bakterien Plastik vernichten und andererseits andere Plastikmaterialien erzeugen. Die Wissenschaftlerin Başak Öztürk steht der Nachwuchsforschergruppe Mikrobiologische Biotechnologie am Leibniz-Institut DSMZ vor und erläuterte auch, warum Bakterien überhaupt Materialien „fressen“, die es vor wenigen Jahrzehnten noch nicht gab. Bakterien passen sich besonders rasch an und haben damit einen Selektionsvorteil. Sie erschließen sich damit Plastik als Nährstoffquelle und räumen gleichzeitig menschlichen Müll weg, informierte Dr. Başak Öztürk.
Bakteriophagen sind „Bakterienfresser“
Die Mikrobiologin Dr. Christine Rohde gehört seit Jahren zu den bekanntesten Phagenforschern in Europa. Bakteriophagen sind die häufigste Daseinsform auf der Erde, sie sind in der Lage, Bakterien zu zerstören. Im Gegensatz zu Antibiotika sind die „Bakterienfresser“ dabei auf eine Bakterienart spezialisiert und zerstören nicht unspezifisch eine Vielzahl von Mikroorganismen. Im von Doktor Rohde geleiteten Kuratorium Klinische Phagen und Regulation am Leibniz-Institut DSMZ befindet sich mit der Deutschen Phagenbank auch die größte Sammlung von Bakteriophagen in Deutschland. Christine Rohde erläuterte den Einsatz von Phagen bei bakteriell bedingten Erkrankungen und zeigte eine Timeline bis zur Zulassung von Phagen in der klinischen Anwendung auf. Bakteriophagen können bei multiresistenten Keimen (MRSA), die durch Antibiotika nicht mehr behandelbar sind, effektiv eingesetzt werden. Aktuell ist dies in Deutschland aber noch nicht möglich, da die Phagentherapie noch nicht zugelassen ist.
Warum in Italien Olivenölbaume sterben
Ein wichtiges Forschungsfeld der DSMZ ist die Pflanzenviren-Forschung, die der Leiter der Abteilung für Pflanzenviren, Dr. Stephan Winter, eindrucksvoll präsentierte. Pflanzenviren bedrohen unsere Nutzpflanzen und damit auch unsere Ernährung, informierte der weltweit renommierte Pflanzenviren-Forscher Winter. Aktuell bedroht aber ein Bakterium die Olivenölbäume im Mittelmeerraum. Das Bakterium Xyllela fastidosa, auch Feuerbakterium genannt, befällt Olivenbäume, die daran zugrunde gehen. In Süditalien sind bereits mehrere hunderttausend Olivenbäume infiziert. Das werden wir auch in Deutschland merken, denn es führt massiven Ernteeinbußen: Der Preis für Olivenöl geht in die Höhe. Stephan Winter macht deutlich, dass virale Krankheiten von Pflanzen nicht heilbar sind. Daher müssen befallene Pflanzen möglichst schnell vernichtet und Pflanzenerkrankungen rasch erkannt werden. Doktor Winter und seine Mitarbeiter beschäftigen sich insbesondere mit der Rettung von Cassavapflanzen, die in vielen Ländern Südamerikas und Afrikas das Grundnahrungsmittel Maniok liefern. Im Rahmen ihrer Forschungen ist es unter anderem gelungen, eine Cassava-Variante in Südamerika zu finden, die in Afrika gegen dort übliche Virenerkrankungen immun ist und so die Ernährungsgrundlage rettet. Die Pflanzenvirenforscher aus Braunschweig arbeiten auch eng mit dem Zoll zusammen und stellen Pflanzenviren-Antigene zur Diagnostik von Pflanzenkrankheiten zur Verfügung. Damit können potentielle Bedrohungen beim Import von Pflanzen festgestellt werden. Die Forschungsgewächshäuser der Abteilung Pflanzenviren der DSMZ befinden sich nicht auf dem Science Campus Braunschweig-Süd, sondern auf dem Gelände des Julius Kühn-Instituts in Braunschweig.
Zelllinien können Tierversuche überflüssig machen
Seit drei Jahrzehnten leitet der Mediziner Professor Dr. Hans G. Drexler die Abteilung Menschliche und Tierische Zellkulturen an der DSMZ. Forschungsschwerpunkt seiner Abteilung sind Leukämie-Lymphome und die Grundlagenforschung in diesem Bereich. Drexlers Abteilung arbeitet mit immortalisierten Zelllinien. Zelllinien sind Zellen einer Gewebeart, die sich in der Kultur unbegrenzt fortpflanzen können. Zelllinien ermöglichen reproduzierbare Forschungsergebnisse und können sogar einen Teil der Tierversuche ersetzen, machte Professor Drexler deutlich.
Im Herbst 2019 findet im September ein weiteres Journalistenseminar mit veränderten Schwerpunkten statt. Anmeldungen von Journalisten werden unter press@dsmz.de ab sofort entgegengenommen.
DSMZ-Pressekontakt:
Sven-David Müller, Pressesprecher des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikro-organismen und Zellkulturen GmbH
Tel.: 0531/2616-300
sven.david.mueller@dsmz.de
Über das Leibniz-Institut DSMZ
Das Leibniz-Institut DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH ist die weltweit vielfältigste Sammlung für biologische Ressourcen (Bakterien, Archaea, Protisten, Hefen, Pilze, Bakteriophagen, Pflanzenviren, genomische bakterielle DNA sowie menschliche und tierische Zellkulturen). An der DSMZ werden Mikroorganismen sowie Zellkulturen gesammelt, erforscht und archiviert. Als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft ist die DSMZ mit ihren umfangreichen wissenschaftlichen Services und biologischen Ressourcen seit 1969 globaler Partner für Forschung, Wissenschaft und Industrie. Die DSMZ ist als gemeinnützig anerkannt, die erste registrierte Sammlung Europas (Verordnung (EU) Nr. 511/2014) und nach Qualitätsstandard ISO 9001:2015 zertifiziert. Als Patenthinterlegungsstelle bietet sie die bundesweit einzige Möglichkeit, biologisches Material nach den Anforderungen des Budapester Vertrags zu hinterlegen. Neben dem wissenschaftlichen Service bildet die Forschung das zweite Standbein der DSMZ. Das Institut mit Sitz auf dem Science Campus Braunschweig-Süd beherbergt mehr als 69.000 Kulturen sowie Biomaterialien und hat 198 Mitarbeiter. www.dsmz.de
Über die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 95 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de
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