Wählen – über Grenzen hinweg
Ende Mai findet die Europawahl statt. Joachim Blatter hat konkrete Vorschläge, wie man diese und Wahlen generell in Europa revolutionieren könnte. Der Politikwissenschaftsprofessor an der Universität Luzern propagiert grenzüberschreitendes Wählen als Rezept gegen abgehobenes Regieren und nationalistischen Populismus.
Die Europäische Union befindet sich in der Krise. Für viele Menschen ist die "Brüsseler Politik" zu weit weg. Darüber hinaus sind die intermediären Organisationen (Parteien, Verbände und Medien) national ausgerichtet und vermitteln deswegen kaum oder verzerrt zwischen europäischer Politik und den Menschen in Europa.
Im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten und von Prof. Dr. Joachim Blatter geleiteten Projekts wurden zwei Vorschläge entwickelt, mit denen dies geändert werden kann: Zum einen sollen die Bürgerinnen und Bürger Europas bei den Wahlen für das Europäische Parlament auch Parteien aus anderen Ländern wählen können. Damit wäre es für die Parteien interessant, sich nicht nur um die Interessen der eigenen Bürgerinnen und Bürger zu kümmern. Noch weiter geht der zweite Vorschlag, der allen Europäerinnen und Europäern das Recht geben möchte, das bisher nur einige Ausland- und Doppelbürger besitzen: Diese können sich bei den nationalen Wahlen in einem europäischen Land beteiligen, obwohl sie dort weder wohnen noch den Bürgerstatus haben. Dies wird damit gerechtfertigt, dass in der stark verflochtenen Europäischen Union viele Menschen von der Politik eines Nationalstaates massiv betroffen sind, auch wenn sie nicht in diesem Staat wohnen (oder dessen Bürger sind). Durch transnationale Wahlrechte können die Interessen der "betroffenen Anderen" in den nationalen Parlamenten vertreten werden. Damit würde der politische Willensbildungsprozess in den Nationalstaaten weniger "egozentrisch" bzw. "nationalistisch". Dies reduziert zum einen die Notwendigkeit der Verlagerung von Kompetenzen auf eine supranationale Ebene und erhöht gleichzeitig die Akzeptanz der dann immer noch notwendigen supranationalen Politik.
Das Forschungsprojekt besteht neben einem normativen auch aus einem empirischen Teil: Mittels einer Online-Wahlhilfe und einer Informationsplattform für die aktuelle Europawahl (www.euandi2019.eu, www.spaceu2019.eu), welche Forschende der Universität Luzern in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz entwickelt haben, werden die Parteien und Wählerinnen und Wähler in Europa befragt, ob sie bereits über nationale Grenzen hinweg Wahlkampf machen bzw. wählen und ob sie dies tun würden, wenn alle das Recht dazu erhalten würden.
(Ausführlicher Artikel zum Thema: siehe Link)
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ordentlicher Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Politische Theorie: www.unilu.ch/joachim-blatter
Weitere Informationen:
http://www.unilu.ch/magazin/artikel/waehlen-ueber-grenzen-hinweg-9380