Erfahren, wie Geistes- und Sozialwissenschaften sich dem Ort nähern
Um gesellschaftliche Entwicklungen verstehen, wenden sich Sozial- und Geisteswissenschaften zunehmend konkreten Orten des Handelns, etwa Stadtquartieren zu, an denen sowohl sozialer Wandel als auch Kontinuität sichtbar und spürbar werden – sei es Aufstieg und Niedergang der autogerechten Stadt oder die Entstehung von Kreativität. Anlässlich der dritten IRS Spring Academy „Investigating Space(s)“ vom 4. bis zum 7. Juni 2019 halten drei renommierte internationale Forscher/-innen in Erkner und Berlin öffentliche Vorträge zu der Frage, wie Orte heute erforscht werden. Zudem gibt die Gelegenheit, das Design Research Lab der Universität der Künste Berlin (UdK) kennenzulernen.
Wer sich über das Wirken von Lobbyisten in der Bundespolitik informieren möchte, kann eine lobbykritische Stadtführung durch das Berliner Regierungsviertel buchen. Wer die rasante Dynamik in der Entwicklung künstlicher Intelligenz verstehen möchte, dem wird nahegelegt sich in Shenzhen oder dem Silicon Valley aufzuhalten. Um zu verstehen wie ein Ausschnitt der Gesellschaft „tickt“, wie etwas Neues geschaffen oder ein Status Quo aufrecht erhalten wird, sei es in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik oder Kunst, ist es manchmal das Beste, sich an die betreffenden Orte zu begeben – das Labor, die Parlamentskantine, den Dorfplatz – und mit allen Sinnen zu erleben, wie sie funktionieren. Doch wie lassen sich solche Erfahrungsbeobachtungen in harte, wissenschaftliche Daten und Fakten übersetzen? An dieser Schwierigkeit mag es liegen, dass die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung (in Soziologie, Geographie und Geschichtswissenschaft etwa) den Orten bislang relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt und stattdessen anderen Raumentitäten wie Territorien den Vorzug gegeben hat.
Die IRS Spring Academy 2019 rückt unter dem Titel „Topologies“ Orte ins Zentrum des Interesses. Dabei werden neue Forschungsperspektiven, Methoden und Konzepte für die Untersuchung von Orten diskutiert. Die folgenden Vorträge sind öffentlich:
Roel Rutten, Assistant Professor am Department of Organization Studies der Universität Tilburg, spricht darüber, wie neues Wissen entsteht. Dabei thematisiert er einerseits die Qualität von konkreten Orten, die einen Kontext für bestimmte Arten von Wissen bieten, beispielsweise technische Forschungseinrichtungen oder kulturell kreative Umgebungen. Andererseits fragt er, wann kreative Individuen bereit sind, Distanzen zu überbrücken, um unterschiedliche lokale Kontexte miteinander in Beziehung zu setzen und so Neues zu schaffen.
Dienstag, 4. Juni, 16:30, IRS, Erkner
Richard Rodger, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Edinburgh, fragt wie die Orte einer Stadt im Lauf der Zeit „gemacht“ werden, sowohl von den Kräften des Marktes als auch durch politische Intervention. Er zeigt wie raumbezogene Datensätze heute dazu genutzt werden können, die Dynamiken des „place making“ in Städten besser zu verstehen, als es in der Vergangenheit möglich war.
Mittwoch, 5. Juni, 9:00, Design Research Lab, UdK, Berlin
Gesche Jost, Professorin für Design Research an der UdK, gibt eine Einführung in das Design Research Lab der UdK. Hier werden Brücken zwischen technologischen Innovationen und realen Anforderungen der Menschen in ihrem Alltag geschlagen. Dabei geht es um ganz unterschiedliche Bedürfnisse: von Älteren und Teenagern, von Frauen und Männern, von Familien und Singles, von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und Fähigkeiten.
Mittwoch, 5. Juni, 10:45, Design Research Lab, UdK, Berlin
Merje Kuus, Professorin für Geographie an der University of British Columbia hat zwölf Jahre lang die Prozesse der EU-Diplomatie in Brüssel erforscht. Sie präsentiert diese Forschung als Referenzpunkt, um auf die Komplexität und Mehrdeutigkeit sowohl der diplomatischen Abläufe selbst als auch des Ortes hinzuweisen, an dem sie stattfinden. Daraus leitet sie Hinweise für die Methoden zur Erforschung von Orten ab.
Donnerstag, 6. Juni, 9:00, IRS, Erkner
Darüber hinaus steht Oliver Ibert, Leiter der Forschungsabteilung „Dynamiken von Wirtschaftsräumen“ und Professor für Wirtschaftsgeographie an der Freien Universität Berlin, für Gespräche zur Verfügung. Ibert ist einer der Organisatoren der IRS Spring Academy und entwickelt derzeit einen Forschungsschwerpunkt zu Kreativität, die durch Vermittlung und Rekombination über Online-Plattformen entsteht.
Die IRS Spring Academy „Investigating Space(s): Current Theoretical and Methodological Approaches“ ist eine Reihe von drei jährlichen Veranstaltungen (2017, 2018 und 2019), die sich in erster Linie an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwichswissenschaftler richtet, und deren Vernetzung und Qualifizierung dient. Sie wird von der Volkswagenstiftung gefördert. Erstmals kooperieren bei der Spring Academy 2019 das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner und das Design Research Lab der Universität der Künste Berlin (UdK) miteinander.
Journalistinnen und Journalisten sind herzlich eingeladen, an den öffentlichen Vorträgen teilzunehmen sowie mit den Organisatoren ins Gespräch zu kommen. Weitere Informationen zum Ablauf, zu Orten und zu Zeiten entnehmen Sie bitte der angehängten Einladung oder der IRS-Website (https://leibniz-irs.de/aktuelles/veranstaltungen/2019/06/irs-spring-academy-2019/). Um vorherige Anmeldung wird gebeten (springacademy@leibniz-irs.de).
Veranstaltungsorte:
Leibniz-Institut für raumbezogene Sozialforschung (IRS)
Flakenstraße 29-31
15537 Erkner
Design Research Lab
Universität der Künste Berlin
Einsteinufer 43
10587 Berlin
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Oliver Ibert
oliver.ibert@leibniz-irs.de
03362 793 150