Buchveröffentlichung: Sammelband zur Theorieentwicklung Sozialer Arbeit im Klinkhardt Verlag erschienen
Wie lassen sich rekonstruktive Wissensbildung und zukünftige Theorieentwicklung Sozialer Arbeit zusammendenken? Ein neuer Sammelband, herausgegeben von Walburga Hoff, Birgit Bender-Junker und Klaus Kraimer, beschäftigt sich mit dieser Frage.
Betrachtet man die gegenwärtigen Theoriediskurse der Sozialen Arbeit, zeigt sich häufig eine Architektur, bei der zentrale Ansätze aus den Sozialwissenschaften importiert werden, um diese dann im Hinblick auf die spezifischen Fragestellungen Sozialer Arbeit weiter auszubuchstabieren. Konnte auf diese Weise insbesondere in den letzten fünfundzwanzig Jahren ein beachtlicher Theorienkanon entwickelt werden, bleibt jedoch die Frage, inwiefern sich Soziale Arbeit als eigenständige Wissenschaft überhaupt profilieren kann, nach wie vor virulent. Vor dem Hintergrund der immer noch ungeklärten kognitiven Identität des Faches ist nun ein Buch erschienen, das das Problem einer unzureichenden eigenständigen theoretischen Erkenntnisgenerierung Sozialer Arbeit in den Mittelpunkt rückt. Genauer gesagt leuchtet der von Walburga Hoff, Birgit Bender-Junker und Klaus Kraimer herausgegebene Sammelband die Möglichkeiten einer gegenstandsbezogenen Theoriebildung bzw. eines Theorieprogramms aus, das sich unmittelbar an den Gegenstand der Sozialen Arbeit anschmiegt und ihn transzendiert. Unter dem Titel „Rekonstruktive Wissensbildung. Historische und systematische Perspektiven einer gegenstandsbezogenen Theorie der Sozialen Arbeit“ dienen historische und systematische Betrachtungsweisen dazu, rekonstruktive Wissenszugänge und theoretische Modelle zusammenzudenken.
Dabei knüpft die Konzeption eines Theorieprogramms rekonstruktiver Wissensbildung an die zentrale Bedeutung sinnverstehender Verfahren sowohl für das professionelle Handeln als auch für die empirische Forschung in der Sozialen Arbeit unmittelbar an. In diesem Zusammenhang wird das Potenzial einer gegenstandsbezogenen Theoriebildung aufgegriffen, die ihren Ausgangspunkt in den Phänomenen der Praxis nimmt, um diese mittels methodisch elaborierter Verfahren in eine theoretische Modellbildung zu überführen. Auf diese Weise wird eine Theoriebildung möglich, die es vermag, das konkrete Zusammenspiel von Struktur und Handlung der Lebenspraxis theoretisch zu erfassen und auf diesem Wege die zunehmend „unstetigen Formen des Lebens und der Erziehung“ theoretisch nutzbar zu machen. Diesem Theorietypus, der mit seiner Orientierung am Subjekt das Spektrum der Disziplintheorien notwendig ergänzt, wird nicht zuletzt deshalb zukünftig eine größere Bedeutung eingeräumt, da sich die großen Theorieentwürfe angesichts einer flüssigen Moderne relativieren, während die Bedeutsamkeit von Erfahrungsargumente innerhalb der Wissenschaftslandschaft steigt.
Um das Theorieprogramm einer rekonstruktiven Wissensbildung zu entfalten, gliedert sich das Buch in vier Kapitel, in denen unterschiedliche Diskurshorizonte eröffnet werden, die jeweils spezifische Zugänge zu einer gegenstandsbezogenen Theoriebildung in der Sozialen Arbeit sichtbar machen. Das erste Kapitel versammelt Beiträge, die den Begriff der rekonstruktiven Wissensbildung als zentraler Denkfigur Sozialer Arbeit veranschaulichen und dabei die Kategorie des Verstehens als wesentliche Komponente der Disziplin und Profession erörtern. Das zweite Kapitel wendet sich den historischen und professionsgeschichtlichen Entwicklungslinien in der Sozialpädagogik und Sozialarbeit zu, indem sowohl erste Ansätze von Sozialer Arbeit als Wirklichkeitswissenschaft als auch die Relevanz der Verstehenskompetenz für die professionelle Habitusformation rekonstruiert werden. Im dritten Kapitel wird das Potenzial rekonstruktiver Wissensbildung für die Disziplinentwicklung im Rahmen systematischer Reflexionen diskutiert, bevor sich das vierte Kapitel professionsbezogenen Modellen und Überlegungen als Grundlage professionellen Handelns zuwendet.
Der Sammelband, der u. a. Beiträge von Michael Winkler, Christian Niemeyer, Rita Braches-Chyrek und Peter Sommerfeld enthält, bietet interessante Einblicke in geisteswissenschaftliche, historische, empirische und praxeologische Aspekte des Verstehens, die nicht zuletzt Soziale Arbeit als pragmatische Wissenschaft sichtbar machen, deren Theoriekanon auf kasuistische Wissensformen und eine gegenstandsbezogene Theoriebildung angewiesen bleibt.
Der Band ist im Klinkhardt Verlag erschienen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Walburga Hoff, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Münster, Tel: 0251/41767-48, E-Mail: w.hoff@katho-nrw.de
Weitere Informationen:
https://www.klinkhardt.de/verlagsprogramm/2290.html