Löhne in Deutschland höher als bislang bekannt
Die Beschäftigten haben vom jüngsten Aufschwung stärker profitiert als bislang bekannt. Dies ergibt sich aus aktualisierten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, wonach der Lohnanstieg und die Lohnquote für die vergangenen 20 Jahre nach oben korrigiert wurden. Aktuell bedeutet dies für den Arbeitsmarkt, dass die Lohnentwicklung den Beschäftigungsaufbau nicht länger fördert. Infolge der Revision wird das Rentenplus 2020 höher und 2021 niedriger ausfallen, als nach altem Datenstand. Dies zeigt eine Analyse der Konjunkturforscher am IfW Kiel, die Teil der am 11.9. erscheinenden Konjunkturprognose ist.
Im August veröffentlichte das Statistische Bundesamt die Ergebnisse der jüngsten Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), die alle fünf Jahre durchgeführt wird. Besonders auffällig sind dabei die neuen Ergebnisse zur Einkommensverteilung. Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer wurden darin rückwirkend bis zum Jahr 2000 revidiert. In den neuen Daten zeigt sich im Schnitt eine um 0,1 Prozentpunkte höhere jährliche Zuwachsrate der Pro-Kopf-Löhne. Infolge fällt auch die Lohnquote sukzessive höher aus. 2018 flossen 70,8 Prozent des Volkseinkommens an die Arbeitnehmer, nach altem Rechenstand waren es 69 Prozent.
„Die Lohnquote erreicht nun wieder das Niveau der 1990er Jahre. Der Rückgang während der Lohnmoderation in den 2000er Jahren wurde somit wettgemacht, insbesondere profitierten die Arbeitnehmer im zurückliegenden Aufschwung auf der Einkommensseite deutlich stärker, als bislang in den Daten erkennbar war“, sagte Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Umgekehrt stellt sich aber auch das Verhältnis von Lohnkosten zu Arbeitsproduktivität und Preisen, die realen Lohnstückkosten, nunmehr deutlich ungünstiger dar. „Die realen Lohnstückkosten lagen nach altem Datenstand auch in der jüngeren Vergangenheit noch deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt, was für sich genommen als beschäftigungsfördernd galt. Dieser Befund gilt jetzt nicht mehr, denn nach den neuen Daten gehen von der Lohnseite erstmals seit 15 Jahren keine positiven Impulse mehr auf die Arbeitsnachfrage der Unternehmen aus. Damit ist auch das Risiko eines Stellenabbaus infolge der schwachen Konjunktur deutlich gestiegen“, so Kooths.
Für die gesetzlich Rentenversicherten bedeutet die Revision eine zusätzliche Rentenerhöhung von etwa zwei Prozentpunkten im Jahr 2020, da in der Rentenformel vorübergehend noch alter und neuer Rechenstand eingehen. Im Folgejahr wird dieser Revisionseffekt wieder zurückgenommen, und der Rentenanstieg fällt dann entsprechend niedriger aus. „Dieser bei größeren Revisionen immer wieder auftretende Jojo-Effekt bringt unnötig Unruhe in die Rentendynamik. Eine rückwirkende Anpassung der in die Rentenformel eingehenden Daten würde hier Abhilfe schaffen“, empfiehlt Kooths.
Die Analyse zur Generalrevision der VGR ist Bestandteil der IfW-Konjunkturprognose, die am 11.9. um 11 Uhr veröffentlicht wird, und ist bereits heute hier abrufbar: https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=13177&L=1
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