Digitale Verwaltung: Kindergeld mit einem Klick beantragen
Die Geburt eines Kindes ist ein Grund zur Freude. Dagegen sorgt der bürokratische Aufwand, das Baby anzumelden und staatliche Leistungen zu erhalten, eher für Verdruss. fortiss hat in Kooperation mit einem Industriepartner eine prototypische App entwickelt, mit der sich die Formalitäten für den Kindergeldantrag digital und sicher erledigen lassen. Die zugrunde liegende Technologie basiert auf Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI).
Sobald das Baby da ist, geht der Behördenmarathon los: Wo bekomme ich eine Geburtsurkunde? Wo muss ich mein Kind anmelden?
Beim Kindergeld sind zahlreiche Instanzen beteiligt: Krankenhaus, Standesamt, Einwohnermeldeamt, Finanzamt, Familienkasse, Bank. Der Antragsprozess ist dementsprechend komplex: Das Kindergeld müssen Eltern bei der Familienkasse der Arbeitsagentur beantragen, aber das Elterngeld bei einer anderen Behörde. Zahlreiche Papierformulare sind auszufüllen, von den dazugehörigen Nachweisen ganz zu schweigen.
„Unsere prototypische Applikation vereinfacht den Antragsaufwand erheblich. Sie fordert Nachweise an, nimmt sie entgegen, übermittelt fehlende Unterlagen und empfängt auch den Bescheid“, berichtet Peter Kuhn, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei fortiss.
Transaktionen über die App
„Der Nutzer muss einfach den Antragsprozess über die App anstoßen. Der Informationsaustausch findet direkt zwischen den Behörden statt. Im Gegensatz zu anderen Applikationen, die Informationen nur zusammentragen, ermöglicht unsere prototypische Kindergeld-App auch Transaktionen. Das bedeutet, die Eltern beantragen über dieses Werkzeug tatsächlich auch Dokumente und Leistungen“, erklärt Kuhn.
Beim Start beantworten die Eltern ein paar Fragen vorab. Dann übernimmt die App den Prozess. Sie visualisiert die Informationen und informiert regelmäßig über den Status der Antragstellung. Ein digitaler Assistent, der auf KI-Algorithmen basiert, führt die Nutzer durch das Dialogmenü und beantwortet Fragen zum Antragstatus.
Blockchain-Technologie
Die Transaktionen basieren auf der Blockchain-Technologie. Dabei handelt es sich um eine dezentrale Datenbank, die von mehreren Teilnehmern bearbeitet wird: Alle bisherigen Transaktionen bzw. Informationen werden in Blöcken abgelegt und miteinander verkettet – private Daten bleiben außen vor. In der Blockchain finden sich nur anonymisierte Verweise darauf.
Jeder Block enthält eine Art Lieferschein mit der Transaktionshistorie. Jeder neu hinzugekommene Block enthält die Historie in Form einer Prüfsumme des Vorgängerblocks. Und er enthält zusätzlich auch die Prüfsumme der gesamten Kette. Letztere wird über mathematische Berechnungen kontrolliert. Eine nachträgliche Änderung bzw. Manipulation ist damit nicht möglich. Abgesichert werden die Transaktionen über kryptographische Verfahren (mit privatem und öffentlichem Schlüssel). Der Vorteil der Blockchain: Die Datenbank wird nicht zentral verwaltet, alle Vorgänge sind redundant auf Computerknoten verteilt.
Auf dem Weg zur antragslosen Verwaltung
Mit der prototypischen Applikation möchten die Informatiker zeigen, dass die föderale deutsche Organisationsstruktur gewahrt werden kann und kommunale bzw. staatliche Dienstleistungen sich trotzdem nutzerfreundlich gestalten lassen. Gleichzeitig bleiben Datenschutz und Sicherheit gewahrt. Die Kombination aus Blockchain- und KI-Technologie lässt sich auch auf Leistungsfälle wie Elterngeld oder Elternzeit anwenden.
„Unsere prototypische App ermöglicht einen sogenannten One-Stop-Shop. Unsere Vision ist allerdings ein No-Stop-Shop, das heißt völlig antragslose Verwaltungsservices“, betont Kuhn. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Ansätze, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen und die Komplexität von Verwaltungsdienstleistungen zu reduzieren. One-Stop-Shops zielen auf gebündelte Formulare als Schnittstelle zu den NutzerInnen und auf den interoperablen Datenaustausch im Dienstleistungsprozess.
No-Stop-Shop
Bei einem No-Stop-Shop müssen die BürgerInnen keinen Antrag mehr stellen. Stattdessen sorgt ein Analysewerkzeug dafür, dass die Verwaltung die Relevanz einer Dienstleistung antizipiert und die gesetzlich geregelte Leistung ohne Aufforderung bzw. Antrag erbringt. Ein Beispiel hierfür ist das österreichische Kindergeld (Familienbeihilfe). Es wird nach der Geburt des Kindes automatisch ausbezahlt.
Der Prototyp der „Kindergeld-App“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von fortiss und dem Industriepartner IBM.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Peter Kuhn
fortiss – Kompetenzfeld Open Data & Information Management
Tel. +49 (89) 3603522 494
E-Mail pkuhn@fortiss.org
Weitere Informationen:
https://www.fortiss.org/aktuelles/details/kindergeld-mit-einem-klick-beantragen