Sächsische Akademie der Wissenschaften entwickelt Konzept zum Umgang mit dem Wismut-Erbe
Die Länder Sachsen und Thüringen haben gemeinsam der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig die Aufgabe übertragen, multidisziplinäre Forschungen für das Wismut-Erbe zu sondieren und zu entwickeln sowie Zeitzeugenschaften zu dokumentieren. Das Vorhaben startete zum 1. November in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig und der Humboldt Universität zu Berlin. Die beiden Bundesländer finanzieren die Projekte bis 2021 mit je 200.000 Euro.
Basis des gemeinsamen Vorgehens ist die „Absichtserklärung zum Umgang mit dem Erbe der Wismut“, auf die sich im September 2017 Sachsen, Thüringen, der Bund und die Wismut GmbH verständigt haben, um „ein der Geschichte und Bedeutung des Unternehmens Wismut angemessenes Erbe-Konzept zu entwickeln und umzusetzen.“
Um eine verlässliche Wissensbasis über forschungsrelevante Themen, Art, Umfang und Zugänglichkeit von Materialien und über den bisherigen Forschungsstand zum Wismut-Erbe zu gewinnen, beginnt ein Vorprojekt mit dem Aufbau eines Digitalen Forschungsportals „Wismut-Erbe“. Münden wird das Vorprojekt im Sommer 2021 in einer interdisziplinär besetzten Konferenz zur Themenfindung für die weitere Wismut-Erbe-Forschung. In Kooperation mit dem Lehrstuhl Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt Universität zu Berlin wird ein Zeitzeugenprojekt begonnen, das die Lebenswirklichkeit der Menschen, die für die Wismut arbeiteten und in ihr lebten, in Interviews erfassen wird. Mit einem dreistufigen Oral History-Verfahren sollen etwa 50 Zeitzeugen zu ihrer Biographie, zum Betrieb der Wismut und schließlich zu ihren Erfahrungen in der Umbruch- und Sanierungszeit befragt werden. Die gefilmten Interviews werden in der Mediathek des Digitalen Forschungsportals „Wismut-Erbe“ zusammengeführt, archiviert und öffentlich zugänglich gemacht.
Sachsens Wissenschafts- und Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange begrüßt die länderübergreifende und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wismut-Erbe: „Die Wismut hat die Identität der Menschen, ihren Alltag, ihre Lebensweise geprägt. Auch das ist neben den Altlasten, Landschaftsveränderungen und Renaturierungen ein wichtiger Teil des Wismut-Erbes. Wir wollen diese persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse bewahren und wissenschaftlich aufarbeiten. Sie bestimmen die Identität eines Teils der Menschen in den beiden Bundesländern und sind ein wichtiger Rohstoff für die historische Bewertung der damaligen Zeit, die ein Teil der Weltgeschichte ist.“
Für Thüringens Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei, Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, ist die Aufarbeitung der politischen und kulturellen Geschichte der Wismut ein unumgänglicher Schritt: „Die Bewahrung von wichtigen Dokumenten und Alltagszeugnissen sowie die einzigartige Kunstsammlung mit über 4000 Werken und ein umfangreicher Foto- und Filmbestand sind ein zu bewahrender Schatz und Teil der Wismut-Geschichte. Das Zeitzeugenprojekt dokumentiert die Erinnerungen der Betroffenen für die wissenschaftliche Forschung. Auch die durch den Uranerzbergbau und die nachfolgende Sanierung geprägten Landschaften zählen zum Erbe der Wismut. Dies gilt es länderübergreifend aufzuarbeiten, um die Erforschung und Bewahrung der Wismut, die ganze Landstriche in Ostthüringen prägte, für nachfolgende Generationen zu sichern.“
Prof. Dr. Hans Wiesmeth, Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, unterstreicht: „Um das gesellschaftlich relevante Wismut-Erbe wissenschaftlich aufzuarbeiten, ist ein enges Zusammenspiel verschiedenster Fach-Disziplinen vonnöten. Akademie-Mitglieder und externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zahlreichen Bereichen – den Naturwissenschaften und der Medizin, aus den Ingenieurwissenschaften, aber auch aus den Geisteswissenschaften – haben bereits während der Projektierungsphase engagiert zusammengearbeitet. Die Sächsische Akademie der Wissenschaften ist daher bestens geeignet, dieses Projekt gemeinsam mit weiteren Partnern, insbesondere dem Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig und der Humboldt Universität zu Berlin, durchzuführen. Dieses Projekt wird die Grundlage für weitere intensive Forschungsarbeiten zu diesem Thema bieten.“
Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Hintergrundinformationen
Wismut
Das Bergbauunternehmen Wismut AG und ab 1953 SDAG Wismut (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) war ein Bergbauunternehmen, das sich zwischen 1946 und 1990 zum weltweit viertgrößten Produzenten von Uran entwickelt hatte. Das auf dem Territorium der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR an Standorten in Sachsen und Thüringen geförderte und aufbereitete Uran war die Rohstoffbasis der sowjetischen Atomindustrie. Das Nachfolgeunternehmen Wismut GmbH ist als Bundesunternehmen mit der Sanierung und Rekultivierung der Hinterlassenschaften des Wismut-Bergbaus betraut.
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Seit ihrer Gründung als Königlich Sächsischer Gesellschaft der Wissenschaften im Jahr 1846 sieht sich die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig der Tradition des von Leibniz geprägten Akademiegedankens verpflichtet, als Gelehrtengesellschaft führende Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen zum regelmäßigen Diskurs zusammenzubringen und darüber hinaus im Einzugsgebiet Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen langfristige Forschung zu betreiben.
Derzeit betreibt die Akademie über 20 Vorhaben, viele davon in enger Kooperation mit Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
So wird mit der Erarbeitung von wissenschaftlichen Handwörterbüchern wie des Althochdeutschen Wörterbuchs eine große sprachwissenschaftliche Tradition fortgesetzt. Kommentierte Werkausgaben wie die Leipziger Mendelssohn-Gesamtausgabe und Briefeditionen wie die des Schumann- oder des Gottsched-Briefwechsels bilden weitere Arbeitsschwerpunkte, ebenso Forschung zur Wissenschafts- und Kulturgeschichte, z. B. das interakademische Projekt „Klöster im Hochmittelalter“ oder die „Enzyklopädie jüdischer Kulturen“. Vorhaben wie die „Bibliotheca Arabica“ und die „Wissenschaftliche Bearbeitung der buddhistischen Höhlenmalereien in der Kuča-Region der nördlichen Seidenstraße“ ermöglichen zudem die gedruckte und digitale Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung kulturellen Welterbes.
Mit dem Akademie-Forum und dem Akademie-Kolloquium existieren Veranstaltungsreihen, in denen Experten aus Wissenschaft und Politik eingeladen werden, um den öffentlichen Diskurs über jeweils aktuelle gesellschafts- und wissenschaftspolitische Themen voranzubringen – ein transdisziplinärer Dialog, der auch im Akademie-Journal Denkströme fortgesetzt wird.
Die Sächsische Akademie der Wissenschaften ist Mitglied der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Diese koordiniert das Akademienprogramm – eines der größten geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
https://www.saw-leipzig.de/de/projekte/wismut-erbe-foschung
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