Deutscher Suchtkongress: KatHO-Forscher_innen stellen ihre Studien und Projekte vor
Angewandte Suchtforschung hat an der Katholischen Hochschule NRW eine lange Tradition. So feierte erst im Juli 2019 das Deutsche Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) sein 20-jähriges Jubiläum. Auf dem Deutschen Suchtkongress, dem größten interdisziplinären Kongress zum Themengebiet Suchtforschung und Suchttherapie in Deutschland, stellten vom 16. bis 18. September 2019 KatHO-Forscher_innen vor rund 350 Teilnehmer_innen ihre Projekte zu Prävention, Rehabilitation und Versorgung von Suchterkrankungen vor.
Im Plenarvortrag „Sucht und komorbide Störungen bei Älteren“ beschäftigte sich Prof. Dr. Tanja Hoff mit den derzeitigen Erkenntnissen zur Behandlung komorbider Störungen im Alter. Obwohl 36 Prozent der älteren Menschen mit einer psychischen Erkrankung (inklusive Sucht) zusätzlich mindestens eine weitere Störung vorweisen und Multimorbidität die Regel statt die Ausnahme in der gerontologischen Praxis ist, bedarf es deutlicher Weiterentwicklungen zur evidenzbasierten Behandlung.
Weiterhin stellte Tanja Hoff gemeinsam mit Hermann Schlömer vom Institut für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) Hamburg erste Ergebnisse einer onlinegestützten Umfrage bei Suchtfachkräften im Rahmen des Projektes „Weiterentwicklung des ‚Kölner Memorandums Evidenzbasierung in der Suchtprävention – Möglichkeiten und Grenzen‘ " vor. In diesem Kooperationsprojekt, das von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (1) gefördert wird, wurden die Fachkräfte aus der Suchtpräventionspraxis zu ihren Einstellungen zur Evidenzbasierung im Allgemeinen und ihren Bewertungen u.a. des "Kölner Memorandums zur Evidenzbasierung in der Suchtprävention - Möglichkeiten und Grenzen" (BMG-gefördertes Projekt „Klausurwoche Evidenzbasierung der Suchtprävention – Möglichkeiten und Grenzen“, 2013) befragt. Die vorgestellten Ergebnisse werden nun in qualitativen Fokusgruppen weiter vertieft mit dem Ziel einer ergänzenden Dokumentation zur vertieften Praxisanwendung des Kölner Memorandums. Dieser Vortrag fand im Rahmen eines umfassenderen Symposiums zur „Weiterentwicklung einer evidenzbasierten Suchtprävention in Deutschland“ (Organisation und Chair: Tanja Hoff und Hermann Schlömer) statt.
Prof. Dr. Daniel Deimel präsentierte die ersten Ergebnisse des German Chemsex-Survey 2018. In Kooperation mit der Universität Duisburg Essen, der LVR-Klinik Essen und der Deutschen Aidshilfe wurde eine Onlinebefragung mit mehr als 1.500 Teilnehmern zum Chemsex bei Männern, die Sex mit Männern haben, durchgeführt. Chemsex ist ein relativ neues Phänomen in Teilen der schwulen und bisexuellen Community: Hier werden synthetische Substanzen wie Methamphetamin (Crystal Meth), GHB/GBL, Ketamin und Mephedron unmittelbar zum Sex konsumiert. Die Hintergründe zu diesem Phänomen sind äußerst vielschichtig und es liegen aus Deutschland bisher wenige quantitative Daten vor. Daniel Deimel konnte zeigen, dass ein relativ großer Teil der Konsumenten psychisch hoch belastet ist. Das zeigt sich in Depressionen, Traumata oder Angststörungen, die durch u.a. durch Diskriminierungen ausgelöst wurden, denen die Männer häufig ausgesetzt waren.
In einem weiteren Vortrag stellte Daniel Deimel die ersten Ergebnisse der Studie „SUBSEX Lust und Rausch: Kontext von Substanzkonsum und Sexualität“ vor. Diese durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Studie (2) beschäftigt sich mit den Interaktionen und Auswirkungen des Substanzkonsums und Sexualität von Suchtpatient_innen. Unter anderem soll ermittelt werden, ob und inwiefern das Thema Sexualität in der Suchttherapie ein Thema ist und inwiefern Therapeut_innen dies bearbeiten. Zur Beantwortung dieser Frage haben wir 25 Expert_innen-Interviews mit Behandler_innen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Thema Sexualität eine hohe Relevanz für die Therapie hat, aber sehr unterschiedlich oder gar nicht von Seiten der Therapeut_innen angesprochen wird. Unsicherheiten und Scham gehen häufig mit diesem Themenkomplex einher. Im nächsten Schritt werden wir 500 Patient_innen aus der Suchtrehabilitation befragen und anschließend Handlungsempfehlungen für die Versorgung und Behandlungspraxis ableiten.
Dr. Ulrike Kuhn stellt im Rahmen einer Posterpräsentation Ergebnisse einer Online-Befragung zur Belastungssituation von pflegenden Angehörigen dar, denn Pflegeaufgaben und -verantwortung sind Risikofaktoren für die Entwicklung einer psychischen Störung. Dabei wurde als weiteres Problemfeld der Stresskompensation der Konsum von Suchtmitteln bei Pflegenden Angehörigen untersucht und im Zusammenhang mit passenden Unterstützungsangeboten sowie Maßnahmen zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden diskutiert. Außerdem präsentierten Jannah Herrlein (Institut für Teilhabeforschung an der KatHO NRW in Paderborn) und Ulrike Kuhn Ergebnisse einer Online-Studie zu suchtspezifischen Schulungsbedarfen der Jobcenter-Fachkräfte aus vier Grundsicherungsstellen in NRW. Diese waren Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Weiterbildung zum Thema Sucht für Jobcenter-Personal. Mit Hilfe solcher Weiterbildungsmaßnahmen sollen Suchterkrankte zukünftig in den Grundsicherungsstellen besser identifiziert und geeigneten Maßnahmen zugeführt werden.
Dr. Diana Moesgen stellte das „SHIFT-Elterntraining“ im Rahmen der Projektförderung „SHIFT PLUS: Weiterentwicklung und Evaluation des Sucht-Hilfe-Familientrainings für drogenabhängige Eltern“ vor. Das modularisierte Gruppenprogramm für methamphetaminabhängige und -missbrauchende Eltern mit Kindern zwischen 0 und 8 Jahren zielt darauf ab, die Elternkompetenzen und die familiäre Widerstandsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig die elterliche Substanzabstinenz sowie die weitere Inanspruchnahme von Hilfen zu fördern und zu stabilisieren. Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass sich die Intervention bezüglich der Förderung positiven Erziehungsverhaltens und der Reduzierung drogenbezogener Probleme als wirksam erwiesen hat. Darüber hinaus konnte „SHIFT PLUS“ eine außergewöhnlich hohe Akzeptanz bei sowohl Trainer_innen als auch Eltern erzielen.
(1) Das Projekt „Weiterentwicklung des ‚Kölner Memorandums Evidenzbasierung in der Suchtprävention – Möglichkeiten und Grenzen‘ " wird gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit.
(2) Die Studie "SUBSEX Lust und Rausch: Kontext von Substanzkonsum und Sexualität" wird gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Daniel Deimel (E-Mail: d.deimel@katho-nrw.de)
Weitere Informationen:
https://www.katho-nrw.de/katho-nrw/forschung-entwicklung/institute-der-katho-nrw/disup/forschungsprojekte/