Umsetzung der BuT-Reform zügig voranbringen: Zugang zu kultureller Teilhabe darf nicht vom Wohnort abhängen
Rat für Kulturelle Bildung empfiehlt Best-Practice-Studie und Evaluation der Reform
Am 1. August 2019 wurde das Bildungs- und Teilhabepakt (BuT) im Zuge des „Starke-Familien-Gesetz“ (StaFamG) reformiert. Die Reformbemühungen waren dringend erforderlich und bleiben auch weiterhin aktuell trotz des jüngsten Vorstoßes der SPD auf eine mittelfristig geplante neue Kindergrundsicherung.
Das reformierte BuT eröffnet mit unter anderem Verwaltungsvereinfachungen neue Möglichkeiten für die Inanspruchnahme von Leistungen. Dies ist ein Schritt in richtige Richtung, nach Einschätzung des unabhängigen Expertengremiums Rat für Kulturelle Bildung sind jedoch weitere Maßnahmen nötig, um kulturelle Teilhabe und Chancengerechtigkeit für armutsgefährdete Kinder und Jugendliche herzustellen. Vorschläge hat der Expertenrat bereits im Februar 2019 in einer Stellungnahme vorgelegt.
Gleichwertige Lebensverhältnisse betreffen auch Kulturelle Teilhabe
Wenn die zwischen Bundesländern, Kommunen und Landkreisen stark variierende Nutzung der BuT-Leistungen wohnortbedingte Schieflagen in der soziokulturellen Teilhabe offenlegen, sollte der Bund seine in der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ von Juli 2019 inkludierte Selbstverpflichtung zur Prüfung von Gesetzesvorhaben auf die Wahrung und Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse beherzigen. „In ihren Plänen zur zukünftigen aktiven Strukturpolitik bezieht die Bundesregierung sich auch auf soziale und kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Wenn die Teilhabe am soziokulturellen Leben aber von Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der jeweils zuständigen Bewilligungsbehörde abhängt, sind auch die staatlichen Akteure auf Bundesebene aufgerufen, gleichwertige Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen herzustellen“, so Prof. Jürgen Schupp, Mitglied im Expertenrat und Sozialwissenschaftler am DIW Berlin.
Für die kommenden Monate schlägt das Expertengremium folgende Maßnahmen vor:
• Es ist nicht hinnehmbar, dass offenkundig Teilhabemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche durch unterschiedliche Antragsverfahren und Regelungen sowie die Ausgestaltung der Informationspolitik in den Kommunen vom jeweiligen Wohnort beziehungsweise von den Bewilligungsbehörden sowie von Schulen und Kindertagesstätten abhängig sind. Bund, Länder und Kommunen sollten zügig und vermehrt Anstrengungen in die Entwicklung und Implementierung von wirksamen Modellen der Eltern-, Kinder- und Jugendansprache setzen.
• Bisher sind eindeutige Ursachen für hohe beziehungsweise niedrige Raten der Inanspruchnahme des BuT ungeklärt. Dies macht es schwierig, Verbesserungsbedarfe zu erkennen und darauf zu reagieren. Der Bund sollte vermehrte Anstrengung einerseits in die Ursachenforschung stecken und andererseits auch das Monitoring verbessern, indem die Zahlen der Inanspruchnahme soziokultureller Teilhabe in einem jährlichen Turnus umfassend erhoben werden. Die aktuellen Zahlen zur Nutzungsquote umfassen zudem derzeit nicht alle Anspruchsberechtigten – es gibt noch weitere Anspruchsgruppen als die bisher berücksichtigten Hartz-IV-Empfänger.
• Schon bestehende, gut funktionierende Verfahrensmodelle sollten stärker berücksichtigt werden: In einigen Kommunen wird bereits erprobt, Teilhabeleistungen über Globalanträge oder Chipkarten zu gewährleisten. Erste Erkenntnisse dazu weisen darauf hin, dass diese Verfahrensvereinfachung deutlich dazu beiträgt, den Nutzungsgrad zu erhöhen und allen Kindern Bildung und Teilhabe zu ermöglichen. Das Expertengremium empfiehlt eine Best-Practice-Studie, die derartige Modelle bundesweit evaluiert, um diese weiterzuentwickeln und auf ihre Übertragbarkeit zu prüfen.
• Langfristig notwendig sind außerdem auf kommunaler Ebene gut vernetzte Bildungslandschaften, damit eine kulturelle Bildungsbiografie selbstverständlicher Teil der Kindheit und Jugend wird, statt Lücken über Anträge und Behördengänge zu füllen. Ohne ausreichende Angebotsstrukturen vor Ort kann ein Teilhabeanspruch nicht eingelöst werden. Daher muss das aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Februar 2010 abzuleitende Grundrecht auf Teilhabe am kulturellen Leben auch das Schaffen entsprechender Angebote beinhalten.
Stellungnahme und PM vom Februar 2019: www.rat-kulturelle-bildung.de/newsroom
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Über den Rat für Kulturelle Bildung
Der Rat für Kulturelle Bildung ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das sich umfassend mit der Lage und der Qualität Kultureller Bildung in Deutschland befasst. Ihm gehören elf Mitglieder an, die verschiedene Bereiche der Kulturellen Bildung repräsentieren: Tanz- und Theaterpädagogik, Musik- und Literaturvermittlung, Erziehungswissenschaften, Medienpädagogik, Pädagogik, Politische Bildung, Soziologie, Kulturelle Bildung und die Künste.
Der Rat für Kulturelle Bildung ist eine Initiative der Bertelsmann Stiftung, Deutsche Bank Stiftung, Karl Schlecht Stiftung, PwC-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und der Stiftung Nantesbuch.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Für Interviews stehen gerne zur Verfügung:
Prof. Eckart Liebau, Vorsitzender des Rates für Kulturelle Bildung
Prof. Jürgen Schupp, Mitglied im Expertenrat und Sozialwissenschaftler am DIW Berlin
Originalpublikation:
https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/RFKB_Stellungnahme__Starke-Familien-Gesetz.pdf (Februar 2019)