Psychotherapie-Ausbildung: Die Zukunft der Psychoanalyse ist gefährdet
Die geplante Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bedroht die Versorgung der Patienten. Mit dem Entwurf ist nicht gewährleistet, dass alle psychotherapeutischen Verfahren im Studium berücksichtigt werden, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT). Damit verstärkt sich der Trend, dass sich Universitäten und Patientenversorgung einseitig auf die Verhaltenstherapie ausrichten. Die DGPT fordert, dass die Verfahrensvielfalt in den Psychotherapie-Studiengängen verankert wird.
Psychoanalytische Verbände befürchten, dass die Psychoanalyse in der Ausbildung weiter zurückgedrängt wird. Grund für ihre Sorge ist die neue Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die am 14. Februar 2020 im Bundesrat zur Abstimmung steht. „Mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf wird dem bestehenden Missstand, dass die Lehre im Fachgebiet Psychotherapie einseitig auf Verhaltenstherapie ausgerichtet ist, weiter Vorschub geleistet“, kritisiert der Diplom-Psychologe Georg Schäfer, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT). „Die Mangelversorgung der Bevölkerung mit Tiefenpsychologisch fundierter und Analytischer Psychotherapie, die sich jetzt schon abzeichnet, wird sich dadurch verstärken.“ Die DGPT ist der Dachverband aller Psychoanalytiker sowie aller psychoanalytischen Gesellschaften und Institute in Deutschland.
Die neue Approbationsordnung folgt auf die Reform des Psychotherapeutengesetzes, das im Herbst vergangenen Jahres verabschiedet wurde. Mit dem Gesetz wird ab dem Wintersemester 2020/21 ein fünfjähriges Direktstudium der Psychotherapie eingeführt, gegliedert in ein dreijähriges Bachelor- und zweijähriges Masterstudium. Die Approbation erhalten die Studierenden, wenn sie am Ende des Studiums die staatliche Prüfung bestehen. In einer anschließenden Weiterbildung können sich die Absolventen dann auf ein Psychotherapieverfahren spezialisieren. Das vom Bundesministerium für Gesundheit formulierte Ziel, dass die Vielfalt der psychotherapeutischen Verfahren im Studium dargestellt werden soll, werde in der vorliegenden Approbationsverordnung nicht umgesetzt, kritisieren die Psychoanalytiker. „Es fehlen verbindliche Vorgaben, dass alle psychotherapeutischen Verfahren im Studium vermittelt werden müssen – und zwar durch Hochschullehrer und Dozenten, die über eine entsprechende Fachkunde in den zu lehrenden Verfahren verfügen“, sagt Schäfer. „Zudem wird in der jetzigen Fassung nicht verbindlich festgelegt, dass alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren auch in der berufspraktischen Qualifizierung berücksichtigt werden.“
Als wissenschaftlich anerkannte, sogenannte Richtlinien-Verfahren gelten in Deutschland die Analytische Psychotherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie sowie neuerdings auch die Systemische Psychotherapie. Die Kosten für die Behandlung mit diesen Verfahren werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. „Doch fast alle heutigen Psychologie-Studierenden lernen an der Universität nur eines dieser für die Krankenversorgung zugelassenen Verfahren kennen, nämlich die Verhaltenstherapie“, bemängelt Schäfer. Von den 61 Lehrstühlen der Klinischen Psychologie ist lediglich einer nicht verhaltenstherapeutisch besetzt. „Ohne eine entsprechende Überarbeitung der Approbationsordnung kommen die Studenten auch weiterhin kaum mit Tiefenpsychologisch fundierter und Analytischer Psychotherapie in Kontakt und werden diese Verfahren dann auch nicht als Basis für ihre Berufstätigkeit wählen“, so der Vorsitzende der DGPT.
Schäfer verweist auf Zahlen des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP): In NRW lag die Zahl der Absolventen bei der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten mit Schwerpunkt Analytische und/oder Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im Jahr 2017 nur noch bei knapp 13 Prozent. Der derzeitige Anteil psychoanalytisch begründeter Psychotherapie in der Patientenversorgung liegt dagegen heute immer noch bei 45 Prozent – der Bedarf ist also vorhanden. „Wird mit der neuen Approbationsordnung nicht gegengesteuert, haben wir nicht nur eine Verarmung der psychotherapeutischen Versorgung zu beklagen“, so Schäfer. „Es droht auch ein Verschwinden der Psychoanalyse als bedeutsames Kulturgut.“
Kontakt für Journalisten:
Dr. Felix Hoffmann
Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie,
Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V.
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