Der Konter gegen Corona: So können Unternehmen auf Lieferprobleme reagieren
Leergekaufte Regale, Quarantänen, Lieferengpässe durch unterbrochene Lieferketten - Das Coronavirus hat Deutschland und die Welt fest im Griff. Nicht nur Verbraucher fürchten sich vor COVID-19 und neigen zu Hamsterkäufen, auch Unternehmen mit Zulieferern aus Asien, Italien und anderen betroffenen Ländern versuchen nach Kräften, ihre Produktion am Laufen zu halten - Stillstehende Maschinen bedeuten einen enormen finanziellen Schaden.
Prof. Dr. Lutz Kaufmann, Lehrstuhlinhaber für Internationales Management und Beschaffung an der WHU - Otto Beisheim School of Management, zeigt am Beispiel der aus China stammenden Seltenen Erden verschiedene Möglichkeiten, auf Lieferprobleme zu reagieren.
Viele Unternehmen haben hocheffiziente Liefernetzwerke aufgebaut. Zulieferteile fließen in diesen Netzwerken mit ganz geringen Lagerbeständen, um so laufende Produkte kostengünstig anbieten zu können. In vielen Branchen liegt der Anteil der Einkaufskosten an den Gesamtkosten des Unternehmens bei zwei Dritteln und höher – beispielsweise in der Elektronik- und Automobilindustrie. Die engen Liefernetzwerke sind aber auch mindestens ebenso wichtig, um neue Produkte möglichst rasch in bester Qualität anbieten zu können. Der Corona-Virus hat jedoch Löcher in viele dieser Liefernetzwerke geschnitten. Gerade Unternehmen, deren Produkte Teile enthalten, die in Ländern wie China hergestellt werden, sind aktuell massiv gefordert, diese Löcher zu stopfen. Und natürlich geht es dabei nicht nur um direkt von dort bezogene Waren, sondern auch um Vorprodukte, die wieder die eigenen Lieferanten benötigen – Es ist also ein durchaus mehrstufiges, supply chain-weites Problem zu bewältigen.
Unsere Forschung an der WHU hat am Beispiel der aus China stammenden Seltenen Erden gezeigt, dass Unternehmen dabei in drei Ebenen denken und handeln müssen. Ebene 1 ist die Individualebene: Jedes Unternehmen, sei es Abnehmer oder Lieferant, muss versuchen über seine eigenen Prozesse, die Probleme zu bewältigen. So werden Lagerbestände genutzt oder Produkte per Luft- statt per Seefracht transportiert. Oder der Abnehmer sucht sich neue Lieferanten. Ebene 2 ist die Teamebene: Wie können Unternehmen gemeinsam mit ihren aktuellen Lieferanten die Situation lösen. So können Produktionsmengen beim Lieferanten und beim Abnehmer in Werke in anderen Ländern verlagert werden, oder Teile bzw. Materialien werden substituiert. Ebene 3 ist die Branchen- oder Länderebene: Hier versuchen Unternehmen bspw. über Branchenverbände gemeinsam Lösungen zu finden oder die Politik einzubeziehen. Im Fall der seltenen Erden hat letztlich nur das gewirkt, es wurden nämlich politische Kanäle genutzt und so Zölle reduziert und neue Quellen in anderen Ländern erschlossen.
Es hat sich gezeigt, dass jene Unternehmen, die am schnellsten begriffen haben auf welcher Ebene die Lieferprobleme anzugehen sind, am erfolgreichsten waren. Letztlich ist es bei den Warenströmen also genau so wie bei der Bekämpfung der Virusverbreitung: Geschwindigkeit und damit Zeit ist Gold wert.
Kluge Unternehmen schauen jedoch auch noch über den Tellerrand hinaus. Tim Cook, der nicht nur CEO von Apple ist, sondern auch der Architekt der hocheffizienten Apple Supply Chains war, fokussiert gleichermaßen auf die Resilienz der Apple Supply Chains: Wenn die aktuellen Herausforderungen operativ bewältigt sind, welche Anpassungen sind danach erforderlich, um für die nächsten Schocks gewappnet zu sein? Diese Fragen beantworten jene Unternehmen, die bei den nächsten Rissen in den Liefernetzwerken top dastehen werden.
Prof. Dr. Lutz Kaufmann, WHU
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