EU-Projekt untersucht Missbrauch synthetischer Opioide in Europa und Nordamerika
Gefahr durch inflationäre Verschreibung: Studie unter Federführung der Frankfurt UAS zu Drogenkonsum-Trends soll dramatischer Entwicklung wie in den USA vorbeugen
Frankfurt am Main, 8. April 2020. Die Auswirkungen des Gebrauchs und Missbrauchs synthetischer Opioide in Europa und Nordamerika untersucht das EU-Projekt „Synthetic Opioids Health Systems: Improving health system responses on the prevalence and use of Synthetic Opioids in Europe (SO-Prep)“ (Gesundheitssysteme und synthetische Opioide: Verbesserung der Reaktionen von Gesundheitssystemen auf die Verbreitung und den Gebrauch synthetischer Opioide (SO-Prep)). Federführend dabei ist das Institut für Suchtforschung Frankfurt (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) unter der Leitung von Prof. Dr. Heino Stöver. Ziel ist es, das Verständnis gegenwärtiger Drogenkonsum-Trends bei synthetischen Opioiden zu verbessern, um innerhalb der Europäischen Union auf diesbezügliche Gesundheitsrisiken bzw. Gesundheitsschäden besser vorbereitet zu sein und schneller reagieren zu können. Insgesamt fließen in das Projekt 500.000 Euro Fördermittel über eine Laufzeit von 24 Monaten. 80 Prozent der Mittel kommen von der EU-Kommission, die restlichen 20 Prozent sind Eigenmittel.
Das Auftakt-Meeting des internationalen Forschungsprojekts fand Ende Februar 2020 in Utrecht in den Niederlanden statt. Prof. Dr. Heino Stöver (Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF)) und Babak Moazen (wissenschaftlicher Mitarbeiter) haben als Vertreter der Frankfurt UAS an dem Meeting teilgenommen.
Synthetische Opioide (SO) sind synthetisch hergestellte Stoffe, die morphinartige Eigenschaften aufweisen und an Opioidrezeptoren im Körper wirken. Sie werden als Schmerzmittel in der Anästhesie (bei Narkosen) sowie zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen eingesetzt, bekannt ist z. B. Fentanyl. „Die Forschung im Bereich der SO ist deshalb so wichtig, weil in den USA die inflationäre Verschreibung von synthetischen Opioiden – vor allem von Fentanyl – zu einer Welle von Abhängigkeiten und tödlichen Überdosierungen geführt hat“, erläutert Stöver. Zwischen 1999 und 2017 seien nach Behördenangaben fast 400.000 Menschen in den USA an den Folgen von Opioid-Missbrauch gestorben, berichtet der Suchtforscher. Allein 2017 starben 48.000 Amerikaner/-innen an den Folgen ihrer Opioid-Sucht. „Das sind jeden Tag über 130 Tote, mehr als täglich im Straßenverkehr oder durch Schusswaffen in den USA insgesamt ums Leben kamen“, bilanziert Stöver.
Das EU-Projekt will vor allem verhindern, dass es in den EU-Mitgliedsländern zu einer solchen Entwicklung kommt. Das soll erreicht werden, indem das Projekt die Reaktionen verschiedener europäischer Gesundheitssysteme auf die Verbreitung und den Gebrauch synthetischer Opioide in Europa verbessern soll. Außerdem will es zu einem besseren Verständnis gegenwärtiger Drogenkonsum-Trends bei synthetischen Opioiden beitragen.
Zu den spezifischeren Unterzielen zählt zum einen, einen besseren Einblick und ein besseres Verständnis der gegenwärtigen Nutzung von synthetischen Opioiden zu gewinnen. Außerdem sollen aus jüngsten Erfahrungen mit der Nutzung synthetischer Opioide in Nordamerika und – wo das Problem auch bereits entstanden ist – in Estland Lehren gezogen werden. Auch eine Übersicht der Praktiken zum Notfall-Gesundheitsschutz bzw. zu Notfall-Gesundheitsreaktionen bei synthetischen Opioiden will das Forscherteam erstellen und ein Modell der SO-Bereitschaft ausarbeiten. Dadurch sollen mögliche Risiken und Schäden angegangen und Richtlinien zu SO in den nationalen Gesundheitssystemen der fünf Länder Estland, Niederlande, Belgien, Finnland und Deutschland entwickelt werden. Zudem wollen die Forschenden den Politikerinnen und Politikern und anderen wichtigen Interessenvertretern gezielte Werkzeuge wie strategische Kurzanleitungen und Informationsblätter an die Hand geben. Schließlich sollen die Länder Unterstützung bei der Implementierung und der Verbreitung der Ergebnisse über folgende Tools bekommen: die Organisation nationaler Treffen, ein Seminar und eine Web-Plattform.
Das deutsche Team unter Prof. Heino Stöver wird folgende Aufgaben bearbeiten:
- aktuelle epidemiologische Daten und Informationen zur Verfügbarkeit, Verwendung und Verbreitung von synthetischen Opioiden in Europa und Nordamerika sammeln, aufzeichnen und analysieren;
- wichtige Erfahrungen aus der SO-Historie in Nordamerika sammeln, um möglichst dortige Fehler nicht zu wiederholen;
- eine Fallstudie des Gebrauchs von SO und von SO-Märkten in Estland als Modell durchführen;
- beurteilen, wie gut nationale Regierungen in sechs Ländern auf bevorstehende Probleme mit synthetischen Opioiden vorbereitet sind.
Neben der Frankfurt UAS nehmen folgende Hochschulen an dem Projekt teil: das Trimbos Institute aus den Niederlanden, das Estonian Health Institute aus Estland, das Finnish Health Institute aus Finnland, das Euro Harm Reduction Network „Correlation“ aus den Niederlanden, und die Universität Gent aus Belgien.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit & Gesundheit, Prof. Dr. Heino Stöver, Telefon: +49 69 1533-2823, E-Mail: hstoever@fb4.fra-uas.de
Weitere Informationen:
https://www.frankfurt-university.de/isff