Forschungsprojekt entwickelt Verhandlungstraining mit künstlicher Intelligenz und virtueller Realität
Eine realistische Verhandlungssimulation dank künstlicher Intelligenz und Virtual Reality: Das ermöglicht ein neues Trainingsspiel, das das Team des InnoSÜD-Teilprojekts Sales Lab an der Hochschule Neu-Ulm gemeinsam mit dem Firmenpartner TriCAT entwickelt hat. Ziel des Spiels ist es, in einer realitätsnahen Verhandlungssituation bestimmte Ziele zu erreichen. Das Gegenüber am virtuellen Verhandlungstisch: Ein Bot, der dank künstlicher Intelligenz das Gesagte erkennt und entsprechend reagiert. Das Spiel könnte zum Beispiel zum Training von Vertriebsmanager*innen oder im betriebswirtschaftlichen Studium zum Einsatz kommen, um theoretisches Wissen mit praktischen Übungen zu kombinieren.
John und Paul mögen keinen Smalltalk: Das ist die erste Lektion, die Spieler*innen im virtuellen Verhandlungstraining des InnoSÜD Sales Lab lernen müssen. Grund dafür ist die künstliche Intelligenz, die hinter den beiden virtuellen Figuren steht und sie per Sprachausgabe-Software zum Sprechen bringt – etwas hölzern vielleicht, aber durchaus verständlich. Dazu ist es erforderlich, dass sich die Spielenden an das Verhandlungsthema halten, das ihnen Trainer Ringo im virtuellen Vorgespräch vorgegeben hat. Doch sobald es um Zahlungskonditionen, Rabatte, Liefertermine und Serviceleistungen geht, werden John und Paul gesprächig.
Dafür hat InnoSÜD-Wissenschaftlerin Barbara Dannenmann mit den Beiden trainiert: Knapp 700 Sätze hat sie dem Bot „beigebracht“, der hinter John und Paul steht. Studierende der Hochschule haben dafür Verhandlungssituationen analysiert und Sätze transkribiert, die darin gesagt werden. Die Dialoge stammen aus Lehrbüchern und Trainingsmaterialien ebenso wie aus Hollywood-Filmen wie dem Börsenepos „The Wolf of Wall Street“. Die einzelnen Sätze wurden dann in die Software eingegeben und jeweils einem Verhandlungsstil zugeordnet.
„Das Besondere an der Künstlichen Intelligenz ist, dass sich die Spieler*innen nicht wie in einem Computerspiel an ein vorgegebenes Skript halten müssen,“ erklärt Barbara Dannenmann den Vorteil der Technik. „Auch wenn Teilnehmer*innen nur Teile der erlernten Sätze sagen, kann die Künstliche Intelligenz ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Aussage wohl zu einem bestimmten Verhandlungsstil gehört, und eine passende Antwort ausgeben. Dadurch lernt der Bot immer neue Sätze und wird immer genauer. Alles versteht er aber nicht – wenn das Gespräch zu weit vom Verhandlungsthema abschweift, weisen John und Paul darauf hin.“
Schaffen es die Spieler*innen jedoch, das Verhandlungsziel im Auge zu behalten und die richtigen Anreize zu setzen, können sie mit John und Paul ins Geschäft kommen. Das vom Team entwickelte Szenario stellt eine alltägliche Szene im Business-to-Business-Segment nach: Ein Maschinenbauer will Produktionsanlagen verkaufen. Die Verhandler*innen können ihren virtuellen Partnern den Deal mit verschiedenen Mitteln schmackhaft machen: Sie können zum Beispiel Rabatte zugestehen, besonders attraktive Liefer- und Zahlungskonditionen oder schnellen Installationsservice anbieten. Sie müssen allerdings gut aufpassen, nicht mehr anzubieten als von der Firma erlaubt.
Die genauen Parameter der Verhandlung könnten zukünftig für bestimmte Einsätze des Trainingsspiels angepasst werden, um zum Beispiel die Gepflogenheiten in anderen Branchen oder spezielle Firmenvorgaben zu berücksichtigen. Mit einer solchen Anwendung könnte das Spiel dann zur Anwendung in Unternehmen, Hochschulen und Weiterbildungsinstitutionen kommen.
In der virtuellen Realität Verhandlungsstile kennenlernen
Ziel des Spiels ist es aber nicht nur, mit John und Paul erfolgreich ins Geschäft zu kommen, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Alexander Kracklauer, Leiter des Kompetenzzentrums Wachstums- und Vertriebsstrategien an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Hochschule: „Während der Verhandlungssituation analysiert der Bot, welchen Verhandlungsstil die Teilnehmer*innen an den Tag legen. Die Spieler*innen können sich beim Training mit der Anwendung besser kennenlernen, verschiedene Verhandlungsstile ausprobieren und testen, welcher Stil ihnen liegt und die besten Ergebnisse erzielt.“
Hier sieht das Team auch die Stärke der Anwendung. Rollenspiele zu Verhandlungssituationen seien zwar bereits jetzt Teil von Seminaren und Schulungen. Das Training mit der Software hätte jedoch den Vorteil, dass Teilnehmer*innen die Situation beliebig wiederholen können, ohne dem Zeitdruck und dem künstlichen Rahmen einer Seminarsituation unterworfen zu sein. Das Training in der virtuellen Realität könnte hier eine gute Ergänzung sein.
Hintergrund: Regionaler Forschungsverbund InnoSÜD
Mit innovativen Transferformaten einen nachhaltig wirksamen Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen, das ist das Ziel des Hochschulverbundes InnoSÜD. Im Rahmen der Initiative Innovative Hochschule haben sich darin die Hochschulen Biberach, Neu-Ulm, Ulm und die Universität Ulm zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie ein dynamisches Innovationssystem schaffen, das die Region Donau-Iller-Riß als Bindeglied zwischen den Metropolregionen Stuttgart und München mittelfristig unter den wettbewerbs- und innovationsfähigsten Räumen Europas positioniert. Im Fokus stehen dabei die für die Region wichtigen Themenfelder Energie, Mobilität, Gesundheit und Biotechnologie sowie Transformationsmanagement. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule über eine Laufzeit von fünf Jahren.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Alexander Kracklauer
Leitung Kompetenzzentrum Wachstums- und Vertriebsstrategien, Hochschule Neu-Ulm
Tel. 0731 / 9762-1416
Alexander.Kracklauer@hnu.de
Barbara Dannenmann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Virtuelle Transferformate in dem Bereich Vertriebs- und Marketing-Management, Hochschule Neu-Ulm
Tel. 0731 / 9762-1415
Barbara.Dannenmann@hnu.de
Weitere Informationen:
http://www.innosued.de Projekt-Homepage
http://www.youtube.com/watch?v=b6cuzzVVPNA Video zum Projekt