Soziale Isolation als Sterblichkeitsrisiko für ältere Menschen
Neuer Policy Brief des Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 veröffentlicht
München, 19. Mai 2020 – Im Zuge der Corona-Pandemie wurden in Deutschland wie in den meisten Ländern Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen eingeführt. Gerade ältere Menschen sollten diese Beschränkungen streng befolgen. Das bedeutete (und bedeutet) auch bei Alleinlebenden und bei Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen die strikte Vermeidung von Besuchen Angehöriger und Bekannter. Die damit verbundene soziale Isolation und das Gefühl der Einsamkeit können psychische und physische Folgen haben.
Im Rahmen des Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 wurde das Sterblichkeitsrisiko älterer Menschen in sozialer Isolation und Einsamkeit untersucht. Die gewonnenen Erkenntnisse beziehen sich allgemein auf die Folgen sozialer Isolation unter „normalen“ Alltagsbedingungen. Mangels Studien beziehen sie sich (noch) nicht speziell auf die soziale Isolation, die durch Maßnahmen zur Eindämmung von Pandemien allgemein oder speziell der Corona-Pandemie hervorgerufen wird. Professor Andreas Seidler hat die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Themas geleitet. Er benennt die Ergebnisse der systematischen Aufarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnislage folgenderweise: „Wir konnten deutliche Belege für eine erhöhte Sterblichkeit bei sozialer Isolation und – mit etwas schwächerer Erkenntnislage – bei selbst wahrgenommener Einsamkeit älterer Menschen finden“.
Inwieweit konkrete Maßnahmen zur Abmilderung der sozialen Isolation in Alten- und Pflegeheimen eine Verminderung der Sterblichkeit bewirken können, konnte aufgrund der Kürze der Zeit seit Einführung der Kontaktbeschränkungen noch nicht wissenschaftlich untersucht werden. Im Rahmen der Bearbeitung dieser Fragestellung wurden auf der Grundlage von Experteninterviews in 29 Alten- und Pflegeheimen Vorschläge zur Verminderung der durch Kontaktbeschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie bedingten sozialen Isolation älterer Menschen entwickelt. Teilweise können die Folgen der sozialen Isolation in Alten- und Pflegeheimen durch vermehrte „kontaktlose“ Angebote abgemildert werden. In Alten- und Pflegeheimen ist aber auch die Ermöglichung von Besuchen von hoher Bedeutung – unter strenger Berücksichtigung des Infektionsschutzes.
Das Fact Sheet „Soziale Isolation als Sterblichkeitsrisiko für ältere Menschen“ finden Sie unter: https://www.public-health-covid19.de/images/2020/Ergebnisse/2020_05_18_fact_sheet_soziale-isolation-als-mortalita__tsrisiko_1.pdf
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Andreas Seidler, MPH
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
Email: gs@dgsmp.de bzw. ArbSozPH@mailbox.tu-dresden.de
Web: https://www.dgsmp.de
Zum Kompetenznetz Public Health zu COVID-19: Das Kompetenznetz Public Health zu COVID-19 ist ein Ad hoc-Zusammenschluss von über 25 wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Verbänden aus dem Bereich Public Health, die hier ihre methodische, epidemiologische, statistische, sozialwissenschaftliche und (bevölkerungs-)medizinische Fachkenntnis bündeln. Gemeinsam vertreten wir mehrere Tausend Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel ist es, schnell sowie flexibel interdisziplinäre Expertise zu COVID-19 für die aktuelle Diskussion und Entscheidungsfindung zur Verfügung zu stellen. Dafür werden wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengestellt, aufbereitet und in möglichst leicht verständlicher Form verbreitet. Je nach Thema und Zielgruppe werden unterschiedliche Formate, wie z.B. Hintergrundpapiere, Handreichungen, Fact Sheets oder Policy Briefs genutzt. Die Ergebnisse des Kompetenznetzes finden sich unter: https://www.public-health-covid19.de/de/produkte.html