Homeoffice und häusliche Quarantäne – Wie überstehen wir den Sommer in der Corona-Krise?
Steht Deutschland ein weiterer Hitzesommer bevor? Experten warnen, dass damit zu rechnen ist. Auf viele Menschen, die aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus, ihre Zeit aktuell vornehmlich zu Hause verbringen, kommt damit eine weitere Belastung zu. Sie müssen lange Hitzeperioden in den eigenen vier Wänden überstehen. Dies zeigt einmal mehr: Stadtviertel und Gebäude müssen an die neuen Herausforderungen des Klimawandels angepasst werden. Welche Maßnahmen besonders geeignet sind, untersucht das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) gemeinsam mit Partnern im Projekt HeatResilientCity.
Deutschland und Europa steht abermals ein extrem heißer Sommer bevor. Davor warnte in der vergangenen Woche die Weltwetterorganisation der Vereinten Nationen (WMO). In der Corona-Krise stellen sich damit für Städte und Gemeinden, aber auch für jeden einzelnen Menschen besondere Herausforderungen.
Für viele ist die Arbeit im Homeoffice inzwischen zur Normalität geworden. Ganze Belegschaften arbeiten plötzlich in den eigenen vier Wänden. Kontaktbeschränkungen bewirken ebenfalls, dass mehr Menschen viel Zeit zu Hause verbringen müssen. Und auch viele Ältere verlassen seltener die eigene Wohnung, um sich nicht mit dem Corona-Virus anzustecken. Kühle Orte wie klimatisierte Einkaufszentren oder schattige Grünflächen aufzusuchen, wenn es in der überhitzen Wohnung nicht mehr auszuhalten ist – diese Empfehlung hat in Zeiten der Corona-Pandemie nur noch eingeschränkt Gültigkeit.
Nicht erst seit Corona ist klar: Vor allem in dicht bebauten Quartieren werden lang anhaltende Hitzeperioden im Sommer zum Problem. Wie können sich Städte anpassen? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt HeatResilientCity (deutsch: Hitzeangepasste Stadt) noch bis Anfang 2021 nach.
Im Fokus: Gründerzeit und Stahlbetonplattenbau
Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen zwei Gebäudetypen, die es in Deutschland sehr häufig gibt und in denen entsprechend viele Menschen leben. Dies sind zum einen Gebäude aus der Gründerzeit und zum anderen Gebäude in Stahlbetonplattenbauweise. Letztere sind typisch für viele Großwohnsiedlungen, wie sie in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren entstanden sind. Für Wohnungen in beiden Gebäudetypen hat das Projektteam untersucht, wie sich die Temperaturen während langer Hitzeperioden entwickeln, welche Anpassungsmaßnahmen und welche Kombination von Maßnahmen am besten helfen könnten, die Überhitzung von Innenräumen abzumildern.
Die Forschenden haben in den Häusern das Innenraumklima wie etwa Temperatur und Luftfeuchte gemessen. Hinzu kommen Klimadaten und Messungen im Freiraum. Diese Messwerte dienen dazu, dynamisch-thermische Gebäudesimulationen, das Herzstück der Untersuchungen, realitätsnah zu konfigurieren. Mithilfe der Simulationen lassen sich jene Schwachstellen von Gebäuden identifizieren, die sie besonders anfällig gegen Sommerhitze machen. Im Untersuchungsfall sind dies die Fensterflächen, die geringe Speichermasse der Dachgeschosse und zu wenig Luftaustausch in der Nacht.
Gebäudeanpassung: Diese Maßnahmen können Hitze mildern
Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen: Eine der wichtigsten Maßnahmen, um vor allem die Wohnungen in den oberen Stockwerken vor Überhitzung zu schützen, ist eine bessere Dämmung des Daches und der Zwischendecken in den oberen Etagen. Dreifach verglaste Fenster verringern ebenfalls den Wärmeeintrag durch intensiven Sonnenschein im Sommer. Wichtig ist es, dass diese Fenster für eine gute Auskühlung in den Nachtstunden vollständig geöffnet werden können. Räume mit großen Fenstern und hoher Sonneneinstrahlung sollten zudem von außen verschattet werden, etwa durch Außenjalousien oder Rollos. Bei der Gebäudesanierung sollten im Bereich des Daches massive Bauteile zum Einsatz kommen, die viel Wärme speichern können. Im Sommer zeigt sich schnell der Nachteil ausgebauter Dachgeschosse. Sie sind besonders anfällig gegen Überhitzung, denn hier fehlt eine schwere Materialschicht, die die Wärme lange speichern könnte. Durch starke Sonneneinstrahlung gelangt die Hitze über die Dachfläche schnell in die Innenräume.
Das Problem beim bevorstehenden Corona-Sommer: Die baulichen Anpassungen lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Zudem sind Bewohnerinnen und Bewohner von Miets- und Mehrfamilienhäusern darauf angewiesen, dass die vermietende Partei die Überhitzung der Wohnungen als Problem erkennt und aktiv wird. Nicht zuletzt sind die Maßnahmen teuer in der Umsetzung. Nicht jede Person kann sich das Wohnen in einem solchen aufgerüsteten Gebäude und die damit verbundenen höheren Mieten leisten.
Was jeder selbst tun kann
Im Forschungsprojekt HeatResilientCity wurde deshalb auch geprüft, was die Bewohnerschaft selbst tun kann, um den Hitzestress in der eigenen Wohnung zu reduzieren. Das Projektteam zeigt auf, dass es auch hier verschiedene Möglichkeiten gibt. Das A und O sind Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die Hitze gar nicht erst in die Innenräume gelangt. Der effektivste Schutz ist wiederum eine außenliegende Verschattung. Wer keine Außenjalousien hat, sollte stattdessen für den Sonnenschutz im Inneren sorgen. Hier empfiehlt es sich, Gardinen oder Rollos aus lichtundurchlässigem, stark reflektierendem Material zu nutzen.
Haben sich die Räume dennoch aufgeheizt, dann kommt es auf das richtige Lüften an. Besonders effektiv ist es, nachts alle Fenster vollständig zu öffnen. Selbst wenn keine spürbare Brise weht, strömt kühlere Luft in die Wohnung und mildert so die größte Hitze ab. Das ist besonders wichtig, wenn sich Wohnungen während lang anhaltender Hitzeperioden jeden Tag ein bisschen mehr aufheizen. Nicht immer ist es möglich, Fenster die ganze Nacht zu öffnen, sei es aufgrund von Lärm oder wegen der Einbruchgefahr in einer Erdgeschosswohnung. Dann, so empfiehlt das Projektteam, sollten Fenster und Zimmertüren zumindest in den Abend- und frühen Morgenstunden, wenn es draußen kühler ist als drinnen, so lange wie möglich geöffnet werden. So können Wände, Böden und Decken der Wohnung, die die Sommerhitze speichern, herunterkühlen.
Nicht zuletzt könnte die gute Belüftung der Wohnräume auch ein probates Mittel sein, das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken, zu minimieren. Denn der regelmäßige Luftaustausch senkt auch die Aerosolbelastung in den Innenräumen. So lassen sich mit Maßnahmen gegen Sommerhitze gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Hintergrund
HeatResilientCity (Hitzeresiliente Stadt- und Quartiersentwicklung in Großstädten – Bewohnerorientierte Wissensgenerierung und Umsetzung in Dresden und Erfurt):
Das Projekt „HeatResilientCity“ (deutsch: Hitzeangepasste Stadt) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Vorhaben der „Leitinitiative Zukunftsstadt“ im Themenbereich „Klimaresilienz durch Handeln in Stadt und Region“ gefördert. Für die Laufzeit Herbst 2017 bis Anfang 2021 erhalten die Projektpartner insgesamt rund 2,5 Millionen Euro. Wissenschaftliche Partner sind das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (Projektleitung), das Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der Fachhochschule Erfurt (ISP), das Institut für Hydrologie und Meteorologie der Technischen Universität Dresden und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Praxispartner sind das Umweltamt der Landeshauptstadt Dresden, das Umwelt- und Naturschutzamt der Landeshauptstadt Erfurt sowie die Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft Dresden.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Regine Ortlepp, E-Mail: R.Ortlepp[at]ioer.de
Dr. Janneke Westermann, E-Mail: J.Westermann[at]ioer.de
Originalpublikation:
Schünemann, Christoph; Olfert, Alfred; Schiela, David; Gruhler, Karin; Ortlepp, Regine: Mitigation and adaptation in multifamily housing: overheating and climate justice. In: Buildings and Cities 1 (2020) 1, S. 36-55.
http://doi.org/10.5334/bc.12
Weitere Informationen:
https://www.ioer.de/projekte/heatresilientcity/ - Informationen zum Projekt HeatResilientCity