Das Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung begrüßt die beiden neuen Direktoren Ursula Rao und Biao Xiang
Seit April 2020 ist Ursula Rao Direktorin der neuen Abteilung „Ethnologie, Politik und Governance“ am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle. Sie vollzieht zum 1. September 2020 den vollständigen Wechsel von der Universität Leipzig, wo sie acht Jahre das Institut für Ethnologie geleitet hat. Ebenfalls im April 2020 hat Biao Xiang den Ruf zum Direktor am MPI angenommen. Xiang wird die neue Abteilung „Anthropologie der wirtschaftlichen Experimente“ leiten. Während des Übergangs von seiner Stelle als Professor für Sozialanthropologie an der Universität Oxford ist er am MPI zunächst auf Teilzeitbasis tätig. Ab September 2021 wird er seine Abteilung dann in Vollzeit leiten.
Ursula Rao untersucht in ihrer aktuellen Forschung Machtstrukturen, politische Dynamiken und Governance-Prozesse in Indien und thematisiert im Speziellen die Folgen der flächendeckenden Einführung biometrischer Technologien in der indischen Verwaltung. Sie fragt nach den sozialen Wirkungen der Digitalisierung und wie die Durchsetzung neuerer Techniken des Regierens die Beziehung zwischen Staat und Bürger beeinflusst. Weitere Themen, zu denen Rao forscht, sind Inklusion und soziale Gerechtigkeit, die Gestaltung urbaner Räume und die Rolle von rituellen Aufführungen für den Kulturwandel.
In den letzten Jahren widmete sich Ursula Rao dem Aufbau von Forschungsnetzwerken, um gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen durch fallstudienübergreifende Überlegungen herauszuarbeiten, in welcher Weise sich Menschen auf der ganzen Welt den drängenden Herausforderungen unserer Zeit stellen. Diese Arbeit erlebt nun einen Aufschwung durch die Gründung der Abteilung „Ethnologie, Politik und Governance“, in der erforscht wird, wie sich Menschen in Asien, Afrika und Europa der Kostenexplosion in Städten entgegenstellen, versuchen, soziale Transformation durch den Einsatz neuer Technologie zu befördern, oder Initiativen zur nachhaltigen Entwicklung und Umweltpflege gestalten. Gemeinsam werden die Forschenden der Frage nachgehen, welche Taktiken, Strategien und Affekte politisches Handeln prägen, das um Gestaltungsmacht ringt, in einer Welt, die als komplex erlebt wird, oft unkontrollierbar bleibt und in der mit vielen nicht-menschlichen Kräften und Akteuren gerechnet werden muss.
Ursula Raos akademische Sozialisation am Südasien-Institut der Universität Heidelberg stand unter dem Einfluss heftiger Debatten zum Postkolonialismus. In ihrer Doktorarbeit nimmt sie die Anregungen der Subaltern Studies auf. In den darauffolgenden Jahren an der Universität Halle (2002-2006) profitierte Ursula Rao von der vielgestaltigen Forschungsaktivität des neu gegründeten Instituts für Ethnologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem MPI für ethnologische Forschung und verfasste eine Habilitation über journalistische Praktiken in Indien. Schließlich lernte sie durch ihre Tätigkeit an der Universität von New South Wales in Sydney (2007-2012) die Welt aus der Perspektive des asiatisch-pazifischen Raums kennen und knüpfte viele neue Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen in Auckland, Singapur, Tokio und Kalifornien.
Biao Xiangs Forschung befasst sich mit verschiedenen Arten von Migration – inländische und internationale, von ungelernten und hoch qualifizierten Individuen, von Auswanderern und Rückkehrern sowie mit den Orten und Menschen, die zurückgelassen werden – in China, Indien und anderen Teilen Asiens. Im Zusammenhang mit dem Thema Migration hat er ein breites Spektrum von Fragen der politischen Ökonomie untersucht, darunter die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft, Arbeitsverhältnisse, soziale Reproduktion und Mobilitätssteuerung. In seiner jüngsten Forschung geht er der Frage nach, warum kommerzielle Vermittlungsagenturen bei der Migration ungelernter Arbeitskräfte in Ostasien so stark an Bedeutung gewonnen haben – ein Befund, der der Annahme widerspricht, dass moderne Institutionen und Technologien dazu führen, dass soziale Beziehungen aus ihrem Kontext gelöst und unmittelbarer werden.
Gegenwärtig untersucht Xiang die vielfältigen Auswirkungen von Mobilität und Immobilität auf Gesellschaften und Individuen, die während der COVID-19-Pandemie hervorgetreten sind. Darüber hinaus analysiert er soziale Debatten in China, die Praktiken der Sozialforschung im Globalen Süden und neue Muster wirtschaftlicher Zirkulation.
Biao Xiang studierte Soziologie an der Universität Peking und wurde in Sozialanthropologie an der Universität Oxford promoviert. Er arbeitet seit 2004 in Oxford. Xiang hat den Anthony-Leeds-Preis 2008 für sein Buch „Global Bodyshopping“ und den William-L.-Holland-Preis 2012 für seinen Artikel „Predatory Princes“ gewonnen. Sein chinesisches Buch 跨越边界的社区 aus dem Jahr 2000 (auf Englisch Transcending Boundaries, 2005) wurde 2018 als zeitgenössischer Klassiker neu aufgelegt. Sein Werk wurde ins Japanische, Französische, Koreanische, Spanische und Italienische übersetzt.
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