Gerda Henkel Preis 2020 geht an die Wissenschaftshistorikerin Prof. Dr. Lorraine Daston
"Die Frage, wie sich halsbrecherischer wissenschaftlicher Fortschritt und dauerhafte wissenschaftliche Wahrheit in Einklang bringen lassen, ist auch heute noch aktuell, wie die Verwirrung um jede neue medizinische Studie zeigt, die im Widerspruch zu den Vorgängerempfehlungen steht." (Lorraine Daston, When Science Went Modern)
Die Wissenschaftshistorikerin Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Lorraine Jenifer Daston erhält den Gerda Henkel Preis 2020. "In einer Zeit, in der Wert und Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis auf ganz unerwartete Weise relativiert oder auch grundsätzlich in Frage gestellt werden, kommt den wissenschaftshistorischen Forschungen der Preisträgerin höchste Bedeutung und Aktualität zu", so die Jury in ihrer Begründung. Lorraine Daston, bis 2019 Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin, wird die Auszeichnung am 17. Mai 2021 in Düsseldorf entgegennehmen. Der Gerda Henkel Preis ist mit 100.000 Euro dotiert.
Das Stiftungskuratorium folgte in seiner einstimmigen Entscheidung einer Empfehlung der Jury, der die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats sowie stiftungsunabhängige Persönlichkeiten angehören. Die Jury unter Leitung von Prof. Dr. Peter Funke (Münster) begründet ihre Empfehlung wie folgt:
"Die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Jenifer Daston gehört zu den weltweit renommiertesten Vertreterinnen und Vertretern ihres Faches. Sie war seit 1995 bis zu ihrer Emeritierung (2019) Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, nachdem sie zuvor unter anderem an den Universitäten in Harvard, Princeton, Göttingen und Chicago tätig war. Von Beginn an steht im Zentrum ihrer Forschungen das Faszinosum „Wissenschaft“, dessen Ursprünge das Staunen und die Neugierde sind, die schon für Aristoteles die Anfänge aller wissenschaftlichen Erkenntnis bildeten. Durch eine Kombination aus philosophischen Fragestellungen und historischer Kontextualisierung sucht sie grundsätzliche Kategorien der Wissenschaft wie Naturgesetz, Rationalität, Objektivität und wissenschaftliche Praktiken wie Beobachtung, Messung, Experiment, Visualisierung in deren jeweiliger geschichtlichen Vermitteltheit zu ergründen. Die Spanne ihrer zahlreichen Bücher und Aufsätze ist thematisch wie zeitlich außergewöhnlich breit: von der Frühen Neuzeit bis ins 21. Jahrhundert hinein, von den Wunderkammern des Barock bis zur wissenschaftlichen Quantifizierung. Ihre Publikationen verbinden analytischen Scharfsinn und beeindruckende Sachkenntnis mit äußerster Klarheit der Argumentation und stilistischer Brillanz. Frau Daston hat mit ihren innovativen Forschungen nicht nur ihr Fach, sondern auch die Geisteswissenschaften insgesamt nachhaltig geprägt. Zudem gelingt es ihr auf beeindruckende Weise, ihre Forschungen zu Kategorien wie Wahrheit, Beweis oder Tatsache für zentrale Debatten der Gegenwart fruchtbar zu machen. In einer Zeit, in der Wert und Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis auf ganz unerwartete Weise relativiert oder auch grundsätzlich in Frage gestellt werden, kommt den wissenschaftshistorischen Forschungen der Preisträgerin höchste Bedeutung und Aktualität zu."
Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Lorraine Jenifer Daston studierte an der Harvard University, wo sie, nach einer Station an der University of Cambridge, im Fach Wissenschaftsgeschichte auch promoviert wurde. Nach Lehrtätigkeiten an den Universitäten Harvard, Princeton, Brandeis, Göttingen und Chicago wirkte sie von 1995 bis 2019 als Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin. Seit 2005 gehört sie dem Committee on Social Thought der University of Chicago als Mitglied an. Lorraine Daston ist zudem Permanent Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet. Zu ihren Büchern zählen u.a. Against Nature (2019) (deutsch: Gegen die Natur), mit P. Galison: Objectivity (2007) (deutsch: Objektivität), (mit K. Park) Wonders and the Order of Nature, 1100-1750 (1998) (deutsch: Wunder und die Ordnung der Natur).
Ein Interview mit Lorraine Daston anlässlich der Zusprechung des Gerda Henkel Preises finden Sie auf L.I.S.A. Wissenschaftsportal Gerda Henkel Stiftung: https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/interview_lorrainedaston
Seit 2006 wird der Gerda Henkel Preis in einem Turnus von zwei Jahren an exzellente und international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verliehen, die in den von der Stiftung geförderten Disziplinen und Förderbereichen herausragende Forschungsleistungen erzielt haben und weitere erwarten lassen. Der Gerda Henkel Preis ist mit 100.000 Euro dotiert. Frühere Preisträgerinnen und -träger sind der Kunsthistoriker Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Warnke (2006), der Soziologe und Kulturhistoriker Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Richard Sennett (2008), die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Dr. h.c. Gudrun Krämer (2010), der Historiker Prof. Dr. Jürgen Osterhammel (2012), der Altertumswissenschaftler Prof. Dr. Stephan Seidlmayer (2014), die Historikerin Prof. Dr. Dr. h.c. Lyndal Roper (2016) sowie der Politikwissenschaftler und Historiker Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Achille Mbembe (https://www.gerda-henkel-stiftung.de/preis).
Die Gerda Henkel Stiftung wurde im Juni 1976 von Frau Lisa Maskell zum Gedenken an ihre Mutter Gerda Henkel als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Düsseldorf errichtet. Die Förderungen der Gerda Henkel Stiftung gelten den Historischen Geisteswissenschaften. In einigen Programmen wendet sich die Stiftung darüber hinaus gegenwarts- und zukunftsbezogenen Themen zu, vor allem im Rahmen des Sonderprogramms "Sicherheit, Gesellschaft und Staat". Im Rahmen des Lisa Maskell Stipendienprogramms fördert die Stiftung junge Geisteswissenschaftler in Afrika und Südostasien. In ihrem Förderschwerpunkt "Patrimonies" setzt sie sich für den Erhalt kulturellen Erbes vor allem in Krisenregionen ein. Forschungen, die aktuelle Problemlagen in größere historische Zusammenhänge stellen, stehen im Zentrum der Förderschwerpunkte "Demokratie als Utopie, Erfahrung und Bedrohung" sowie "Lost Cities. Wahrnehmung von und Leben mit verlassenen Städten in den Kulturen der Welt". Im Zusammenhang mit geförderten Projekten unterstützt die Stiftung im Rahmen von ergänzenden Vorhaben auch soziale Begleitmaßnahmen. Die Gerda Henkel Stiftung kann ihre Zwecke im In- und Ausland verwirklichen.
Wir nehmen gerne Ihre Bildanforderung entgegen und stellen Ihnen honorarfrei ein Porträt der Preisträgerin für den Abdruck zur Verfügung.
Kontakt:
Pressestelle der Gerda Henkel Stiftung
Dr. Sybille Wüstemann
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