3 Monate, 19 Mitwirkende, 28 Ausgaben, 260 Seiten: das war das "Logbuch Corona geisteswissenschaftlich betrachtet"
Ein Protokoll der Krise – nun vollständig auf L.I.S.A. Wissenschaftsportal Gerda Henkel Stiftung
"Krise ist der Seinsmodus der Demokratie. Das heißt nicht, dass es immer gut geht. Aber viele Diagnosen übersehen, dass die aktuelle Situation keineswegs so neu und ungeheuerlich ist, wie Politikwissenschaftler*innen gerne glauben." (Prof. Dr. Hedwig Richter, 29. April 2020)
"Neu ist das Maß der Entschleunigung des öffentlichen Lebens - das hat es in der gesamten Moderne so nicht gegeben. Es gibt Aufnahmen der Berliner Philharmoniker mit Geschützdonner im Hintergrund – da haben die noch gespielt. Heute ist die Philharmonie leer." (Prof. Dr. Andreas Rödder, 2. Juni 2020)
Wie haben Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler die Corona-Krise seit Ausbruch der Pandemie wahrgenommen und interpretiert? Welche Fragen waren ihnen wichtig? Auf welche Erkenntnisse ihrer Fachgebiete griffen sie zurück, um die aktuellen Entwicklungen zu verstehen? Im "Logbuch Corona geisteswissenschaftlich betrachtet" haben 19 Vertreterinnen und Vertreter der Geschichts-, Literatur-, Politik-, Rechts- und Sozialwissenschaften über drei Monate hinweg Stellung bezogen – öffentlich, zeitnah und zu einem Thema, bei dem bis heute vieles unklar ist. Ihre Diskussionen wurden im redigierten Chatformat verschriftlicht und fortlaufend auf L.I.S.A. Wissenschaftsportal Gerda Henkel Stiftung veröffentlicht. Entstanden sind bislang 28 Ausgaben im Umfang von 260 DIN-A4-Seiten. Als Zeitdokument, das auch für eine spätere Aufarbeitung des Nachdenkens über die Krise zur Verfügung steht, ist das Logbuch nun vollständig abrufbar: [https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/dossier_coronalogbuch].
Den Auftakt der Debatte bildete die Frage "Coronakrise: Eine Epochenwende?". Die vorerst letzte Ausgabe ist der Corona-App gewidmet ("Einstieg in den Überwachungsstaat?"). Dazwischen haben sich die Forscherinnen und Forscher regelmäßig virtuell getroffen, um über wesentliche Akteure und Maßnahmen zu diskutieren – und immer wieder auch über die Bewegungsgesetze mancher Beschreibung: "Sind wir im Krieg? Wie über die Pandemie sprechen?", "Denunzianten oder verantwortungsvolle Bürger?","Lockdown oder Lockerung?", "Bild-Zeitung gegen Virologen".
"Das CoronaLogbuch zeigt, wie wichtig die geisteswissenschaftliche Perspektive in der Coronakrise ist, und was die Geisteswissenschaften zur Kontextualisierung beitragen können", erläutert Mitinitiator Prof. Dr. Jürgen Zimmerer (Universität Hamburg) das Pilotprojekt. "Manches unterschätzten wir, vieles prognostizierten wir, und bei vielen bleibt die Sorge: die gesundheitlichen und ökonomischen Folgen sind nicht die einzigen und u.U. nicht einmal die langwierigsten. Wer das verstehen will, braucht die Geisteswissenschaften. Das CoronaLogbuch zeigt, wie das geht." Georgios Chatzoudis (Gerda Henkel Stiftung) ergänzt: "Wir wollten eine Leerstelle besetzen. Zu Beginn war das Logbuch konkurrenzlos. Erst einige Zeit später mehrten sich die Stellungnahmen aus den Geisteswissenschaften in Blogs und den klassischen Medien."
Das Projekt
Es begann auf Twitter. Prof. Dr. Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg hatte die Frage gestellt, warum sich aus den Geisteswissenschaften kaum Stimmen zur Coronakrise und ihren Folgen Gehör verschaffen. Es müsste ein Forum geben, in dem sich eine geisteswissenschaftliche Debatte entzünden kann. Georgios Chatzoudis hat das interaktive Wissenschaftsportal L.I.S.A. als mögliche Plattform angeboten, auf dem der Chat nun regelmäßig veröffentlicht wird. Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler sind eingeladen sich am Chat zu beteiligen. Zum Auftakt haben uns der Historiker Prof. Dr. Paul Nolte sowie die Kunsthistorikerin Dr. Mahret Ifeoma Kupka für einige Ausgaben zugesagt. In einer zweiten Runde waren wir mit der Archäologin Dr. Natascha Bagherpour Kashani und dem Historiker Prof. Dr. Andreas Rödder im Gespräch. Unsere Gäste der dritten Auflage sind die Soziologin Prof. Dr. Paula-Irene Villa Braslavsky sowie der Historiker Dr. Patrice G. Poutrus. In Runde vier diskutierten wir mit der Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Guérot und dem Historiker Matthias Krämer. Mit Prof. Dr. Manuela Boatcă und Prof. Dr. Michael Wildt sind in der fünften Runde wieder eine Soziologin und ein Historiker zu Gast. In der sechsten Auflage kamen die Historikerin Prof. Dr. Hedwig Richter und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Matthias Goldmann als Gesprächspartner dazu. Die Germanistin Prof. Dr. Andrea Geier und der Historiker Prof. Dr. Valentin Groebner erweiterten die sechste und siebte Runde. Mit Prof. Dr. Anne-Rose Meyer kam in der achten Runde wieder eine Germanistin dazu. Eine weitere Historikerin und ein Sinologie debattierten anschließend mit: Prof. Dr. Gabriele Metzler und Prof. Dr. Felix Wemheuer. Prof. Dr. Jürgen Zimmerer und Georgios Chatzoudis agieren als mitdebattierende Moderatoren.
Kontakt:
Pressestelle der Gerda Henkel Stiftung
Dr. Sybille Wüstemann
Telefon +49 211 93 65 24 - 19
Telefax +49 211 93 65 24 - 44
wuestemann@gerda-henkel-stiftung