Hochschule Reutlingen, Prof. Dr. Petra Kluger forscht an künstlichem Fleisch
Der jüngste Skandal um die Bedingungen in der Fleischindustrie und der Massentierhaltung sowie die Diskussionen rund um das Thema Fleisch und den Klimawandel zeigen, dass nachhaltige und zukunftsfähige Alternativen zum Fleischkonsum erstrebenswert sind. Prof. Dr. Petra Kluger, Vizepräsidentin Forschung an der Hochschule Reutlingen, arbeitet in ihrem Forschungsgebiet daran, Fleisch aus dem Labor zu züchten. Vor allem die Fragen, wie eine Massenproduktion gelingen kann und wie gesundes künstliches Fleisch aussehen kann, bewegen sie in ihren Forschungsprojekten.
Fleisch essen, ohne Tiere zu töten? Das ist möglich. Prof. Dr. Petra Kluger will im Labor künstliches Fleisch aus isolierten tierischen Zellen züchten. Das Fleisch aus dem 3D-Drucker hat aus ihrer Sicht viel Potenzial: „Fleisch aus dem Labor benötigt im Vergleich zur konventionellen Fleischgewinnung viel weniger Ressourcen – wie etwa Wasser oder Landflächen – und produziert weniger Treibhausgase. Deshalb stellt es eine nachhaltige Alternative zur Fleischversorgung dar. Dieses „saubere Fleisch“ (vom englischen „Clean Meat“) kommt zudem dem Tierwohl zugute und birgt weniger gesundheitliche Risiken, die bei der konventionellen Fleischherstellung vor allem durch den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung entstehen,“ so Kluger.
Den Anfang nahm Klugers Forschung zum Fleisch aus dem Labor in ihren Vorlesungen aus dem Bereich Tissue Engineering, in denen sie das Thema abhandelte. Das große Interesse der Studierenden und ihr Eröffnungsvortrag bei der internationalen Fachkonferenz zu In-vitro-Fleisch 2018 in Maastricht motivierten sie, selbst die Forschung zum Laborfleisch aufzunehmen. Zu der Zeit arbeitete sie an der Hochschule Reutlingen an der Züchtung von menschlichem Gewebe für biomedizinische Fragstellungen. 2019 fiel die Entscheidung, mit der Züchtung von Kunstfleisch zu starten. Inzwischen laufen mehrere Forschungsprojekte, in denen Klugers Arbeitsgruppe aus Doktoranden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Studierenden an dem Laborfleisch forschen.
Aktuell beschäftigt sie die Herausforderung, das künstliche Fleisch zur Marktreife zu bringen: Wie kann die Massenproduktion von Fleisch aus dem Labor zu vertretbaren Kosten gelingen? Zwar verfolgen international einige Start-ups das Ziel, „Clean Meat“ auf den Markt zu bringen, aber nur sehr wenige Forschungsgruppen arbeiten daran. Im Mai startete ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschule Reutlingen mit der Universität Hohenheim, gefördert von der Avina Stiftung, das Lösungen dafür entwickeln will, um die Überführung in industrielle Maßstäbe zu ermöglichen. „Wir untersuchen Wege, um die Produktion in industriellen Maßstäben voranzubringen. Dafür optimieren wir die Herstellungsprozesse, um ausreichend Zellen für eine große Produktionsmenge zur Verfügung zu haben,“ erläutert Kluger.
Ein weiterer Ansatz ist die Frage, wie gesundes Laborfleisch hergestellt werden kann. Dabei geht es darum, das künstliche Fleisch mit Nährstoffen zu ergänzen – beispielsweise mit Folsäure oder mit Nährstoffen für den Muskelaufbau. „Wir arbeiten an der Kombination von Laborfleisch mit Nahrungsergänzungsmitteln, um eine gesunde Fleischalternative anbieten zu können und damit den Verbrauchern die Skepsis zu nehmen,“ so Kluger. Denn die Akzeptanz in der Bevölkerung für „designtes Fleisch“ ist noch gering.
In naher Zukunft wird das Laborfleisch wahrscheinlich nicht das Fleisch von Tieren exakt nachbilden können. Das ist aus Klugers Sicht aber auch nicht unbedingt notwendig. „Wir sollten weg von der Erwartung, ein ‚klassisches Steak‘ aus Laborfleisch herstellen zu können, und vielmehr ein ganz neues Produkt erschaffen – eine echte Alternative zu herkömmlichem Fleisch.“ So könnten neue Lebensmittel aus dem 3D-Drucker entstehen, die mit Laborfleisch kombiniert werden. Denn der gesellschaftliche Wandel hin zu Fleischalternativen sei nicht aufzuhalten, um das Klima, die Gesundheit und die Tiere besser zu schützen und die Ernährung der Weltbevölkerung langfristig sicherzustellen, resümiert Kluger.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Petra Kluger