Fraunhofer Austria und Magna Steyr kooperieren zur effizienteren Nutzung von Industrierobotern
In einem gemeinsamen EU-geförderten Projekt werden Fraunhofer Austria, JOANNEUM RESEARCH und craftworks Industrieroboter die Produktion bei Magna Steyr noch ausfallsicherer gestalten
Die Automobilproduktion ist ein hochgradig optimierter Industriezweig, in dem verschiedenste Fertigungsschritte nahtlos und in enger zeitlicher Abfolge aneinander anschließen. Jede Verzögerung einer Maschine wirkt sich unmittelbar auf alle folgenden und vorhergehenden Arbeitsschritte aus – entsprechend weitreichenden Schaden richten Stillstände durch Fehlfunktionen von Maschinen im Betrieb an. Solche Fehlfunktionen in Zukunft vorherzusehen und Stillstände zu verhindern, ist das Ziel der Forscherinnen und Forscher im Projekt „SUSPICION“. Projektleiter Fraunhofer Austria und die Projektpartner JOANNEUM RESEARCH und craftworks werden Daten von Robotern des Automobilherstellers Magna Steyr analysieren und mittels KI mögliche Zusammenhänge zwischen Maschinenparametern und Ausfällen ermitteln. Gefördert wird das ambitionierte Forschungsprojekt durch das Horizon 2020 Programm der Europäischen Union über das Programm ESMERA.
SUSPICION – Verdacht – nennen die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Fraunhofer Austria-Mitarbeiterin Titanilla Komenda das Projekt. Den Verdacht, dass ein Maschinenausfall unmittelbar bevorstehen könnte, erhalten die Projektpartner aus ihren Analysen von Sensordaten, die im Werk von Magna Steyr zehn Mal pro Sekunde alle wesentlichen Informationen über den Zustand des Roboters festhalten. Wie die Sensordaten genau mit der Ausfallswahrscheinlichkeit und der Art der Fehlfunktion zusammenhängen, welche Daten die meiste Aussagekraft besitzen, und welche Änderungen man im Betrieb und bei der Wartung der Maschinen vornehmen kann, um Fehlfunktionen zu verhindern, ist Gegenstand ihrer laufenden Forschungen. Schlussendlich soll eine Künstliche Intelligenz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion vorwarnen, wenn die Sensordaten einen bevorstehenden Ausfall befürchten lassen.
Doch auch im regulären Betrieb kann die Software wertvolle Hilfestellung bieten. „Wir sehen in unserer Arbeit mit Robotern, dass es den Menschen oft nicht leichtfällt, die geeigneten Parameter zu finden, unter denen der Roboter optimal funktioniert. Auch hier kann man ansetzen, um Fehlfunktionen im Vorhinein zu vermeiden“, erklärt Projektleiterin Titanilla Komenda. „So wie ein modernes Auto dem Menschen vorschlägt, in den nächsthöheren Gang zu schalten um den Motor im richtigen Tourenbereich zu fahren, so wird unsere Software auf Basis unserer Ergebnisse Empfehlungen zu den richtigen Einstellungen für den Roboter abgeben. Denn oft sehen wir, dass zum Beispiel eine winzige Änderung in der Beschleunigung des Greifarms schon große Verbesserungen in der Lebensdauer bringen und Ausfälle vermeiden kann. Die KI wird ermitteln, wenn die Belastung zu groß und eine Fehlfunktion riskiert wird“, fügt sie hinzu.
Die Zusammenhänge sind komplex, und die zur Analyse benötigten Datenmengen groß. 5000 verschiedene Fehlerarten können bei einem typischen Punktschweiß-Roboter auftreten, zur Analyse müssen die Position aller Achsen des Geräts, sowie Beschleunigungen, Stromaufnahme und viele weitere Parameter aufgezeichnet werden. Etwa 80 Millionen Datenpunkte hat Magna Steyr bereits gesammelt. Für die Auswertung und Interpretation ist die Expertise der verschiedenen Projektpartner, sowie die Analysefähigkeit einer KI unverzichtbar.
Magna Steyr hat für das Projekt schon Vorarbeiten geleistet und in den vergangenen Monaten etliche Roboter mit den nötigen Sensoren zur Datenerfassung ausgestattet. „Wir haben schon angefangen, in diese Richtung zu arbeiten, aber ohne das ergänzende Know-How im Prozessmanagement, das Fraunhofer Austria einbringt, und ohne das zusätzliche technische Robotik-Wissen von JOANNEUM RESEARCH sowie das Wissen um KI von craftworks würden wir bei weitem nicht so schnell vorankommen“, sagt Andreas Huber, Group Leader Automation Technology bei Magna Steyr. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und in Zeiten von strengen Zugangsbeschränkungen aufgrund von Covid-19 ist es essenziell, Robotik vermehrt in die Produktion zu integrieren und noch ausfallsicherer zu gestalten, fügt er hinzu.“
Fraunhofer Austria bringt dabei langjährige Erfahrung in der Vorhersage von Maschinenausfällen ein. Robert Glawar, Leiter der Gruppe Instandhaltung und Anlagenmanagement sagt: „Predictive Maintenance, die vorausschauende Instandhaltung, ist seit Jahren ein wichtiges Forschungsthema meiner Gruppe. Die Zusammenarbeit mit Magna Steyr stellt dabei sicher ein Highlight dar. Einerseits liegt eine sehr gute Datengrundlage zur Optimierung vor. Andererseits befinden sich Automobilhersteller an sich bereits auf einem hohen Produktivitätsniveau. Die Herausforderung, in einem Werk wie dem von Magna Steyr dennoch weiteres Potenzial ausfindig und nutzbar zu machen, motiviert uns sehr.“
Im Jänner 2021 werden die Forscherinnen und Forscher erste Ergebnisse vorlegen. In einer etwaigen zweiten Projektphase wollen sie dann einen Demonstrator entwickeln, der in realen Umgebungsbedingungen arbeitet. Das Forscherteam rechnet damit, dass durch das Projekt am Ende seiner zweiten Phase eine um ein bis drei Prozent höhere Systemverfügbarkeit erzielt werden kann. Gleichzeitig können sich die Wartungskosten um 10-15 Prozent reduzieren.
Das Projekt SUSPICION wird durch ESMERA – European SMEs Robotic Applications – gefördert. ESMERA wurde im Jänner 2018 gestartet und wird vom Laboratory for Manufacturing Systems and Automation an der University of Patras koordiniert. Dieses Projekt wird durch das Horizon 2020 research and innovation programme der Europäischen Union unter der grant agreement Nummer 780265 gefördert.
Über Fraunhofer Austria Research GmbH
Die Fraunhofer Austria Research GmbH wurde Ende 2008 als erste europäische Tochtergesellschaft der Fraunhofer-Gesellschaft gegründet. In den Geschäftsbereichen »Fabrikplanung und Produktionsmanagement«, » Logistik und Supply Chain Management«, und »Advanced Industrial Management« in Wien, im Geschäftsbereich »Visual Computing« in Graz sowie den beiden Fraunhofer Innovationszentren »Digitale Transformation der Industrie« in Tirol und „KI4LIFE“ in Kärnten arbeiten derzeit rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an anwendungsorientierten Lösungen zum Nutzen der Wirtschaft und zum Vorteil der Gesellschaft. Forschen für die Praxis ist die zentrale Aufgabe der Fraunhofer-Einrichtungen.
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